Schweitzer Fachinformationen
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Meine Güte, ich hasse die U-Bahn. Jeden Morgen sage ich mir, dass ich nicht mehr mit der U-Bahn fahren sollte. Stattdessen könnte ich eine Stunde früher aufstehen und zu Fuß gehen. Oder ich könnte mir ein Fahrrad kaufen und damit zur Arbeit kommen. Das wäre ein gutes Training für meinen Hintern. Man stelle sich nur vor, welche Unsummen ich sparen könnte, wenn ich mir keine Monatskarte mehr kaufen müsste. Ich würde praktisch über Nacht reich werden.
Trotzdem haben wir wieder einmal Montagmorgen, es ist halb neun, und ich stehe hier eingequetscht zwischen einem Vierzehnjährigen, von dem ich glaube, dass er einen Ständer hat - zumindest drängt er sich unentwegt gegen das Mädchen vor uns -, und einem Besoffenen von zirka fünfzig Jahren, der nach schalem Alkohol und Schweiß stinkt. Das Schlimme an der Situation ist, dass ich fast ein wenig beleidigt bin, weil sich der Vierzehnjährige nicht an mir reibt. In dem Alter sollte man wirklich nicht wählerisch sein, nein, es sollte einem sogar egal sein, an wem man sich reibt.
Vielleicht bin ich noch ein wenig empfindlich wegen der Sache mit Brian. Nachdem sie sich prächtig beim Lauschen amüsiert hatten, versuchten Janet und Lily es noch mit Nettigkeit.
»Er war es sowieso nicht wert.«
»Du findest bestimmt jemand Besseren«, fügte Janet ohne Überzeugung hinzu.
»Außerdem war er viel zu jung für dich.«
Ich blickte Lily überrascht an. »Er war sechsunddreißig.«
»Aber du bist doch achtunddreißig, oder?«, fragte sie mit Unschuldsmiene.
»Macht keinen Unterschied«, erwidere ich mürrisch.
Egal, nun ist also wieder mal ein trostloser Montag angesagt, der sich nur dadurch von den anderen unterscheidet, dass ich wieder Single bin. Ich war mit dem schlimmsten Typen überhaupt zusammen, und er hat mich verlassen.
»Gott sei Dank!«, ruft Vanna (sie nennt sich wirklich so), als ich ihr von meiner Misere berichte.
Vanna ist meine beste Freundin. Wir haben uns am College kennengelernt und sind seither miteinander befreundet, obwohl unsere Lebenswege leichte Unterschiede aufweisen: Ich lese schlechte Drehbücher und arbeite als Handlangerin für meine Chefin, sie ist Cheflektorin in einem Top-Verlagskonzern in London und verdient zirka dreihundertfünfzigtausend Riesen im Jahr, ich wurde gerade von einem hässlichen Versager mit Mundgeruch verlassen, sie ist glücklich verheiratet mit Rupert, einem Investmentbanker, und hat zwei kleine Kinder.
Alle Männer lieben sie. Eigentlich kapiere ich nicht, warum wir uns so gut verstehen.
»Er war schrecklich, meine Süße.«
»Ich weiß, aber er hat mich verlassen.«
»Wer würde ihn schon nehmen?«, fragt Vanna feixend.
»Na, irgend so ein Mädchen, ich habe sie gesehen«, antworte ich betrübt.
»Ist sie hübsch?«
»Ja«, gebe ich zu. Nun, im Vergleich zu mir war sie es, sind wir doch mal ehrlich.
»Ich wette, sie ist total dämlich. Und außerdem hast du ihn doch nicht wirklich gewollt.«
»Aber ich fand, dass es sich gut angefühlt hat, einen Freund zu haben«, erwidere ich traurig.
»Du wirst wieder einen haben. Einen Besseren. Immerhin arbeitest du für Winning Productions. Denk doch mal an all die jungen Talente, die dir dort begegnen können. Ich meine Talente in Hinblick darauf, was in ihren Hosen steckt. Außerdem glaube ich, dass Schauspieler und Drehbuchautoren letztlich nur maßlose Angeber sind.«
»Ich weiß.«
»Sind sie wirklich.«
»Ich weiß, was du von ihnen denkst.«
»Ich verstehe gar nicht, wie du es mit ihnen aushältst«, sagt sie, als hätte ich tagtäglich mit der ersten Liga britischer Filmstars zu tun.
»Du weißt doch auch, wie man mit Autoren umgeht.«
»Ach die. Sind doch alle nur überhebliche Trottel. Ich sorge dafür, dass sich die PR-Abteilung um sie kümmert«, erklärt Vanna selbstbewusst. »Ich mische mich nur ein, wenn es wirklich nötig ist, auf Vertreterkonferenzen beispielsweise.«
»Ich komme eigentlich wenig über die Arbeit mit Leuten in Kontakt.«
»Aber du solltest es versuchen, vielleicht gehen dir gerade deine besten Chancen durch die Lappen.«
»Büroaffären werden doch ohnehin nicht gern gesehen.«
»Schon, aber nur, wenn man sich erwischen lässt. Wo sonst sollte man seinen Traumpartner denn finden können, bitte schön? Insbesondere wenn man so viel arbeitet wie du.«
Ich bin mir zwar nicht sicher, ob diese Beschreibung meiner Person richtig ist, halte aber trotzdem den Mund.
»Eine kompetente Geschäftsfrau«, fährt sie entschieden fort, »die trotzdem kreativ ist. Mit sehr wenig Freizeit. Nein, meine Liebe, du wirst dich schon bei der Arbeit umsehen müssen. Betrachte die Sache mit Brian als Augenöffner.«
»Aber wie soll -«
Doch wenn sie sich erst mal warm geredet hat, ist sie nicht mehr zu stoppen. Übrigens ist das einer der Gründe für Vannas Erfolg. Niemand wagt es, sie zu unterbrechen.
»Ein Augenöffner, der besagt, dass du dich künftig nicht mehr ignorieren lässt. >Ich werde mich nicht mehr mit dem Schmutz der Gesellschaft abgeben! Ich werde nur noch mit echten Prachtkerlen ausgehen, die sich glücklich schätzen dürfen, einem heißen Feger wie mir zu begegnen!< Das ist dein neues Mantra, meine Liebe - Anna ist ein heißer Feger!« »Sehr nobel von dir«, erwidere ich, aber sie hat mich wenigstens zum Lachen gebracht.
»Ich scherze nicht«, sagt Vanna todernst. Wenn es um mich geht, ist die Gute vollkommen mit Blindheit geschlagen.
Nun, wenigstens hat sie dafür gesorgt, dass ich mich nicht mehr so schlecht fühle, weil Brian mich verlassen hat. Zugegeben, eigentlich habe ich ihn nicht ausstehen können. Doch das heißt noch lange nicht, dass es mir gelingen wird, ihn durch jemand Besseres zu ersetzen. Ich weiß, wie die Wirklichkeit aussieht. Aber ich sollte vielleicht mehr an meine Karriere denken und mich mehr anstrengen. Auf eine Gehaltserhöhung hinarbeiten. So etwas in der Art.
Man sagt, dass auf jeden Topf ein Deckel passt, aber wir wissen doch alle, dass das totaler Mist ist, oder? Vielleicht sollten sich einige von uns darauf konzentrieren, das Leben allein zu genießen.
Nun blicke ich wieder auf den Vierzehnjährigen vor mir herab, der sich hart und heftig auf das junge Ding vor uns konzentriert.
Dann blickt er zu mir auf.
»Was starrst du so?«, plärrt er und wird rot.
»Solltest du dem Mädchen nicht mehr Platz lassen?«
»Halt die Schnauze, Fettwanst«, sagt er, ein wahrer Ausbund an Charme.
Offensichtlich hat er Vannas »Anna ist ein heißer Feger«-Rundschreiben noch nicht bekommen. Ich hebe meinen Fuß und trete ihm fest auf die Zehen.
»Autsch!«, brüllt er. Jeder in der Bahn dreht sich zu uns um. Auch das hübsche Mädchen.
»Er hat sich an dir gerieben«, erkläre ich.
Sie starrt ihn an. »Du mieser Perversling!«
»Habe ich nicht, die blöde Kuh hat sich das ausgedacht.«
»Wie kannst du! Diese Dame ist alt genug, um deine Mutter zu sein«, erwidert sie und nickt mir dankbar zu.
Die Bahn hält an, und ich steige aus. Draußen ist es wahnsinnig heiß, und als ich die U-Bahn-Station verlasse, kommt es mir vor, als käme ich von einem Brutofen in die nächste Sauna.
Wunderbar, denke ich. Ein perfekter Start in eine perfekte Woche.
»Tag«, begrüße ich Sharon und John, meine Kollegen - Drehbuchlektoren und Sklaven wie ich. Wir sitzen alle in Verschlägen eines Großraumbüros an der Westseite unseres Firmengebäudes, neben den Sekretärinnen und direkt vor Kitty Simpsons Büro. Genau genommen sind wir keine Assistenten wie die Sekretärinnen, sondern höherrangige Angestellte, wie Vanna sich einbildet, doch wir werden schlechter bezahlt, und man erwartet, dass wir tun, was sie uns sagen.
Sharon und John grüßen mich mit dem gleichen Mangel an Enthusiasmus zurück. Sharon ist eine knackige Zweiundzwanzigjährige, die diesen Job nur macht, um nicht kellnern zu müssen, während sie an ihrem Talent als Schauspielerin feilt. Sie glaubt, nur eifrig genug mit den männlichen Führungskräften flirten zu müssen, um eine Rolle (nicht auf der Besetzungscouch) in einem Film oder wenigstens den Kontakt zu einem Agenten zu bekommen. Sie hätte ein aufbauendes Gespräch über die Frage, wie man die Liebe seines Lebens am Arbeitsplatz findet, sicherlich nicht nötig. Sharon ist in dieser Hinsicht ein Profi. Ihre hellbraunen Locken umwippen keck ihren Kopf, und ihre cremeweiße Haut hat stets einen betörenden Glanz. Im Sommer trägt sie winzige Fummel mit passenden Strickjäckchen, die mit Blumenstickerei gesäumt sind, und im Winter bevorzugt sie hautenge Hosen und eng anliegende Jacketts. Über alle Jahreszeiten hinweg kann man an ihr Schuhe mit Pfennigabsätzen und Hängeohrringe bewundern.
John ist achtundzwanzig Jahre alt und betrachtet sich als totale Niete, doch im Gegensatz zu mir ist dies sein Lebenskonzept. Er ist der Ansicht, die wahre Zugehörigkeit zur Filmwelt läge darin, von Hollywood stets verkannt zu werden, und glaubt, als auteur dazu auserkoren zu sein, das Kino zu retten. Er würde liebend gern Regie fuhren. Was für eine Überraschung. Während er auf seine Chance wartet, scheint es ihm eine perverse Freude zu bereiten, haufenweise schlechte Drehbücher zu lesen und sie allesamt weiterzuempfehlen. Er trägt immerzu braune Cordhosen und ein bedrucktes Hemd, entweder in Orange oder in Pflaumenblau, weil er total auf die Siebziger abfährt (bis auf die richtig tollen Sachen, wie beispielsweise die Wombels). John mag Jazz, Literatur der Beat-Generation und französische Filme. Er scheint auch Kitty zu mögen, die ein echt...
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