Schweitzer Fachinformationen
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Der Kaffee hier war immer gut. Für ein Krankenhaus war das ungewöhnlich. Sam Jackman legte beide Hände um den Pappbecher mit der dunklen Flüssigkeit und genoss die Wärme, während er darauf wartete, dass der Arzt zum verabredeten Termin erschien. Draußen war es bitterkalt, und wenn es sich aufwärmte, dann nur so weit, dass man mit Schnee rechnen musste.
Sam hatte Kälte nie gemocht, aber er war daran gewöhnt. In seiner Kindheit galt Heizen als Luxus, und die Heizung wurde nur aufgedreht, wenn die Temperaturen unter null fielen. Seine Mum und sein Dad hätten sich nie als »arm« bezeichnet. Wir sind mit einem Dach über dem Kopf, Essen im Magen und Gottes Liebe gesegnet. Aber nach den Maßstäben der meisten Menschen waren sie es.
Sie hatten ein Secondhandleben geführt. Secondhandschulbücher, Gebrauchtwagen und selbst genähte Kleidung, für die ihn seine Kumpels förmlich in Stücke gerissen hatten. Seine kleine Schwester Tionne hatte das allerdings viel schwerer getroffen. Wie konnte sie mit ihren Freundinnen mithalten - die Pink verehrten und in der Mall einkauften -, wenn sie wie eine abgeerntete Zuckerrohrstange aussah? Mittlerweile war das vorbei. Dafür sorgte er. Ihr Insta-Account war der beste Beweis. Früher hatte man sie wegen ihrer Kleidung verspottet, nun war Tionne Influencerin. Sam war mächtig stolz auf sie.
Er nahm den Becher in eine Hand und zog am Kragen seines Wollmantels. Es war ein Designerstück, für das er über tausend Dollar hingeblättert hatte. Ihm war klar, dass er seinen Eltern niemals erzählen durfte, wie viel Geld er für ein Kleidungsstück ausgegeben hatte. Er musste selbst zugeben, dass er vor dem Kauf gezögert und schnell zum Ständer mit den Sonderangeboten hinübergeschaut hatte: Vielleicht war Nylon die neue Wolle, wenn man auf diese Weise billiger davonkam . Offenbar konnte man einen Menschen aus Winton Hills herausholen, Winton Hills aber nicht aus einem Menschen. Er musste sich immer noch an die Tatsache gewöhnen, dass er mittlerweile ein reicher Mann war. Und wie würde es erst werden, wenn er zur besten Football-Mannschaft der Vereinigten Staaten wechselte, den Dallas Diggers? Der Deal war fast besiegelt und würde ihn zum bestverdienenden Spieler aller Zeiten machen - so hieß es jedenfalls. Die Details des Vertrags überließ er seiner Managerin, Frankie, aber er wusste, dass Tionne, seine Eltern und er selbst nie wieder Geldsorgen haben müssten. Es sei denn, dieser Termin jetzt hatte einen anderen Zweck, als ihm mitzuteilen, dass alle Untersuchungen in Ordnung waren. Doch vielleicht waren sie das gar nicht. Vielleicht war das vor ein paar Wochen doch keine Gehirnerschütterung gewesen. Der Zusammenstoß hatte ihn ein paar Tage außer Gefecht gesetzt, mit Kopfschmerzen und Übelkeit, wie zu erwarten, selbst Advil hatte dieses Mal nichts bewirkt. Sein bester Freund bei den Bisons, Chad, war mindestens zweimal am Tag vorbeigekommen. Und wenn Sam nicht an sein Telefon gegangen war, hatte Chad ihm den Lieferservice nach Hause geschickt, um sicherzugehen, dass er auch wirklich etwas aß.
Sam betrachtete die Wände des Büros von Dr. Monroe. Zwischen den Informationsplakaten zu Cholesterin und Diabetes hingen gerahmte Zertifikate, die mit Lamettagirlanden geschmückt waren. Die Auszeichnungen zeugten von einem Profi, der hart studiert und unermüdlich geschuftet hatte, um sein Examen mit Bestnote abzuschließen. Sam hatte andere um solche Leistungen immer beneidet, weil sie eine solide Grundlage hatten. Ihn selbst bezahlten die Leute dafür, dass er mit einem Ball in der Hand rennen konnte und keinen Schaden nahm, wenn man ihn zu Boden warf. Aber in Wahrheit würde er bald einen Haufen mehr verdienen als ein Arzt, der Kranke heilte und Leben rettete. Der Gedanke an sein Glück hatte einen faden Beigeschmack .
Die Tür zum Büro öffnete sich. Zusammen mit einem eiskalten Luftstoß drangen Fetzen von Weihnachtsliedern herein; sie kamen aus den Lautsprechern auf dem Empfangstresen, an dem Sam vorbeigekommen war. Vielleicht hatte sich die Anschaffung des Mantels doch gelohnt. Und da war er nun, Dr. Monroe, drei Stifte in der Brusttasche, eine Fliege mit Zuckerstangenmuster um den Hals, die Augenbrauen wie immer gerunzelt. Vielleicht bereute er die langen Stunden am College und seine Auszeichnungen. Vielleicht wünschte er sich, er würde seinen Lebensunterhalt auch damit verdienen, einen Ball zu werfen.
»Sam«, sagte Dr. Monroe und streckte die Hand aus, als Sam sich zur Begrüßung erhob. Dann zog er die Hand wieder zurück. »Gibt man sich heutzutage noch die Hand? Oder schlägt man nur noch die Fäuste aneinander?«
Sam ballte die Hand zur Faust. »Ich könnte Ihnen den Gruß der Bisons beibringen, wenn Sie es damit versuchen wollen.«
»Belassen wir es lieber beim Händeschütteln«, erwiderte Dr. Monroe und streckte ihm wieder die Hand hin.
Sam nahm sie. Nach der förmlichen Begrüßung ließ sich Dr. Monroe auf seinen Schreibtischstuhl plumpsen, als sei der Teil einer Schaumstoffwelt für Kinder. Dann schloss er die Augen und verstummte.
»Geht es Ihnen gut?«, erkundigte sich Sam. Vielleicht fragte nie jemand diesen Typen, der die Antworten auf sämtliche Gesundheitsprobleme kennen sollte, wie es ihm eigentlich ging.
»Na ja . Es fällt mir immer schwer, schlechte Nachrichten zu überbringen«, antwortete der Arzt.
Dann schlug er die Augen auf und sah Sam so direkt an, als habe der Kommentar etwas mit ihm zu tun. Schlechte Nachrichten? Nein, bei diesem Termin ging es darum, dass die medizinischen Untersuchungen abgeschlossen waren und er grünes Licht bekam.
»In der Tat«, fuhr Dr. Monroe fort, »das ist das Schlimmste an meinem Beruf.«
»Aha«, sagte Sam. Seine Kehle war jetzt trocken. »Reden Sie von mir?«
»Also«, sagte Dr. Monroe, setzte sich auf und begann, Papiere zusammenzulegen und gleichzeitig eine Akte aus einem Stapel zu ziehen. »Die Details werde ich erst darlegen, wenn Ihre Anwältin da ist. Wird sie noch lange brauchen?«
Sams Frage hatte der Arzt nicht beantwortet.
»Ich .« Sam war entsetzt. Er hatte Frankie gesagt, dass sie nicht kommen müsse. Dr. Monroes Sekretärin hatte ihn zwar gebeten, sie zu dem Termin dazuzubitten, aber Frankie arbeitete hart an den letzten Finessen des Vertrags. Da am Monatsende schon Weihnachten war, konnte er sich ausrechnen, wie beschäftigt sie war. Nicht wegen ihrer Pläne fürs Fest, da Frankie selbst mit Ebenezer Scrooge mithalten konnte, wenn es darum ging, sich keine Pause zu gönnen, sondern weil alle anderen dann die Arbeit einstellten. Sie musste sicherstellen, dass die Verträge unter Dach und Fach waren, bevor die Bürotüren zufielen. Sam hatte ja auch erwartet, zu einem Abschlussgespräch hier zu sein, nicht zu einer medizinischen Vorbesprechung.
»Frankie kann heute nicht«, sagte Sam. »Sie hat andere Verpflichtungen.«
»Oh«, sagte Dr. Monroe. »Verstehe.« Er knetete die Akte in seinen Händen. Hatte diese Akte mit Sam zu tun? War heutzutage nicht alles digitalisiert? Plötzlich wollte er nicht, dass die Mappe in Dr. Monroes Händen geöffnet wurde. Irgendetwas stimmte hier nicht. Er spürte, dass etwas in der Luft lag. Das ursprünglich so behagliche Ambiente mit all diesen geschmückten Zertifikaten hatte jetzt etwas Klaustrophobisches. Er musste etwas tun. Er musste das andere Team ins Spiel bringen.
»Dr. Monroe«, sagte Sam und richtete sich auf, »sagen Sie es einfach geradeheraus.« Er nickte. »Ist es wegen der Gehirnerschütterung? Das war ein harter Aufprall, ich weiß. Man muss sich nur den Helm ansehen. Ist es ein Blutgerinnsel oder so etwas? Wenn Sie mich hierbehalten oder mir Medikamente geben wollen, dann sollten Sie wissen, dass ich Ihnen vertraue. Damit kann ich leben.«
Der Arzt legte die Akte ab und zog eine Schreibtischschublade auf. Eine Flasche guten Whiskys kam zum Vorschein, gefolgt von zwei roten Plastikbechern. Es war schlimmer als ein Blutgerinnsel. Sam schluckte. Was könnte schlimmer sein als ein Blutgerinnsel?
Der Whisky wurde eingeschenkt, und Sam bekam über den Schreibtisch hinweg einen der roten Becher in die Hand gedrückt. Warum bot ihm der Doktor vor dem Mittagessen Alkohol an, wo doch eines der Plakate an der Wand eine beschädigte Leber zeigte? Dr. Monroe hatte seinen Becher bereits an die Lippen gesetzt. Sam wusste nicht, was er sagen sollte. Es fühlte sich an, als würde er wieder durch die Luft fliegen, auf seine Gehirnerschütterung zu, während das Publikum kollektiv den Atem anhielt.
Dr. Monroe stellte seinen Becher ab und griff wieder zu der Akte. »Sam, Sie wissen doch, dass die Dallas Diggers alle Arten von Untersuchungen angefordert haben, bevor der Vertrag endgültig unterzeichnet wird.«
»Klar«, sagte Sam. »Ich habe mich schon gefragt, ob die mir überhaupt noch einen Tropfen Blut lassen.« Er runzelte die Stirn. »Aber die Fitnesstests habe ich doch bestanden, oder?« Ihm war selbst nicht klar, warum er das fragte. Er wusste schließlich, wie fit er war. Er hatte sich immer um sein Wohlbefinden gekümmert, sich gesund ernährt und sein Training über alles gestellt. Fitness war alles für ihn. Seit der High School hatte er sein ganzes Leben dem Training geopfert, hatte hart gearbeitet, das Stipendium bekommen und das College absolviert, stets sein Ziel im Blick - die NFL.
»Mit den Fitnesstests hat das nichts zu tun«, teilte Dr. Monroe ihm mit. »Die haben Sie mit Bravour bestanden. So perfekt wie kaum jemand,...
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