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Wieder einmal eine ausgesprochene Pechsträhne. Es war wie verhext. So lange Alexander auf ›Rouge‹ setzte, landete die Kugel auf ›Noir‹. Warf er den Chip auf ›Noir‹, schlug die Serie sofort um und der flinke geometrische Körper kullerte entgegen allen Erwartungen im letzten Moment auf ein rotes Feld. Spielte er ›Pair‹, wurde das kleine, weiße, runde Schicksal scheinbar magnetisch von ungeraden Zahlen angezogen und umgekehrt. Auch bei Reihen, Quartetten und einzelnen Feldern war ihm kein Glück beschieden. Letztlich hatte er im Kasino weit mehr verloren, als er riskieren wollte.
Und die Pechsträhne nahm kein Ende. Schon auf dem Weg von Bad Dürkheim zurück nach Mannheim hatte er sich mit dem Gedanken angefreundet, dass er sich zu Hause mit ein paar Flaschen Bier über den Verlust hinwegtrösten könnte. Aber auch sein Kühlschrank hielt ihn zum Narren. Alexander war sich sicher, ihn aufgefüllt zu haben. Die leeren Fächer, die er ungläubig anstarrte, schienen ihn geradezu zu verhöhnen. Er wollte sich schon auf den Weg machen, um an irgendeiner Bar seinen Ärger hinunterzuspülen, da klingelte das Telefon. Auch das kein gutes Omen.
Sein V-Mann-Führer wünschte ihn dringend zu sprechen. Und seine Stimme klang nicht so, als ob er ihn für seine Arbeit belobigen wollte. Er schlug den Heiligenberg bei Heidelberg vor. Treffpunkt auf dem Parkplatz vor der Thingstätte.
Alexander verzichtete auf den ersehnten Schlaftrunk. Stattdessen recherchierte er im Internet. Er hatte im Hinterkopf, dort einmal eingekehrt zu sein, in einer Gaststätte, konnte sich aber nur noch dunkel erinnern. Möglicherweise hatte sie längst den Besitzer gewechselt. Google meldete ›Waldschenke‹ und führte ihn auf die Webseite des Lokals. Ein Blick auf die Speisekarte verriet ihm, dass man in ihn nicht mehr sehr viel investieren wollte. Kein Gericht über zwanzig Euro. Die meisten unter zehn. Auch die Getränke äußerst preiswert und daher wahrscheinlich nicht vom Besten.
Ärgerlich fing Alexander an, sich zu entkleiden, und verkroch sich unter der Bettdecke. Vielleicht, dass ein angenehmer Traum wenigstens im Schlaf seine Stimmung erhellte. Aber er träumte nur wirres Zeug. Jemand hatte ihn aus seiner Wohnung vertrieben. Er wollte zurückkehren, fand jedoch die Tür verschlossen. Zum Glück kam er in einem Wohnmobil unter, mit dem er durch die Landschaft gondeln konnte. Auch darin blieb er von Unruhe getrieben. Jemand schien ihn zu verfolgen.
Am nächsten Tag machte sich Alexander auf den Weg, fuhr mit seinem alten Ford Kombi hinüber nach Heidelberg, über die Theodor-Heuss-Brücke nach Neuenheim, Handschuhsheim und durch das Sieben-Mühlen-Tal eine mit Teerflicken übersäte, gewundene Straße hinauf zur Kuppe des Heiligenbergs. Als er an einem kleinen Turm vorbeikam, überlegte er kurz, ob er anhalten und einen Blick hinunter auf die Stadt und auf das gegenüberliegende Schloss werfen sollte. Aber im Rückspiegel erblickte er bereits den dicken BMW von Herrn Doktor Michael Krause. Also drückte er den Fuß auf das Gaspedal und bretterte das restliche kurze Stück auf der unebenen Straße zum Parkplatz vor der Gaststätte. Sein Vorgesetzter so dicht hinter ihm, als wolle er ihm zeigen, dass Alexander ihm nicht mehr entwischen konnte.
Über Nacht hatte der gestern noch blanke Himmel Wolken übergezogen, als müsse er sich gegen die merklich kühlere Luft schützen. Bei solchem Wetter trieb es Ausflügler wohl eher in Museen oder zu anderen Sehenswürdigkeiten in geschlossenen Räumen. Jedenfalls hatte sich außer ihren beiden Autos kein anderes eingefunden. »Machen wir einen Spaziergang«, rief Herr Krause, noch während er ausstieg. »Einmal um die Kuppe. Genau die richtige Strecke für das, was wir zu besprechen haben.« Alexander hätte sich am liebsten wieder auf den Sitz seines Ford Kombi zurückfallen lassen. Er hatte zumindest mit einem späten Mittagessen gerechnet. Auch wenn er die Hoffnung auf etwas Feineres aufgegeben hatte. Mit einer deftigen Mahlzeit hätte er sich abgefunden. In Erwartung dessen hatte er sein Frühstück ausfallen lassen. Dementsprechend knurrte ihm der Magen. Er wollte mit Kalorien versorgt werden. Wie sollte Alexander seinem Energiehaushalt gerecht werden? Allein schon bei dem Gedanken, jetzt eine längere Strecke gehen zu müssen, wurde ihm kurz schwarz vor Augen. Er musste sich zusammenreißen. Sich bloß nichts anmerken lassen. Wieder einmal benötigte er Geld und er wollte Herrn Krause fragen, ob er ihm nicht einen Vorschuss gewähren könne und, diese Hemmschwelle war zu überwinden, ob nicht auch eine Erhöhung seiner Bezüge in Betracht käme. Sein jetziges Einkommen reiche nicht zum Leben und nicht zum Sterben.
Ein kühler Wind fegte in Böen durch die noch jungen Blätter, die sich dabei aufrauschend in die abgewendete Seite kehrten.
Krause richtete einen besorgten Blick zum Himmel. Er öffnete die Heckklappe seines Wagens und holte einen Anorak aus dem Kofferraum.
»Für alle Fälle«, brummte er. Alexander wurde bewusst, dass er sich in keiner Weise auf die Witterung eingestellt hatte: keine Regenjacke, keinen Regenschirm. Warum auch. Er hatte mit einem Gespräch im Innern eines Restaurants gerechnet. Er wagte nicht, Krause zu fragen, ob er nicht zufällig mit etwas Regenschutzähnlichem auch für ihn aufwarten könne.
Krause stürmte sofort los. Anfangs deutete der Weg mit einer allerdings ziemlich ramponierten Asphaltschicht an, dass er auch wirtschaftlichen Zwecken dienen konnte, zum Beispiel als Zufahrt zur Thingstätte, um diese bei Großveranstaltungen mit Geräten auszustatten und um das Publikum mit Nahrungsmitteln und Getränken zu versorgen. Jetzt versperrte eine Schranke den Weg. Dahinter stieg er leicht an. Alexander konnte seinem Vorgesetzten nur mit Mühe folgen.
Krause hielt einen kleinen Vortrag über das Bauwerk, an dem sie vorbeistürmten. Es besitze die Form eines Amphitheaters. Die Heidelberger hätten es gebaut, weil Hitler hier eine Rede halten sollte. Der kam aber nicht. Heute diene es verschiedenen Gruppen und Organisationen zu genehmigten und nicht genehmigten Veranstaltungen. In der Nacht zum 1. Mai würden Scharen von Jugendlichen hier die Walpurgisnacht feiern, was die Stadtverwaltung immer in arge Bedrängnis bringe, weil solche informellen Veranstaltungen aus Haftungsgründen eigentlich verboten seien, es aber einer riesigen Polizeiaktion bedürfe, um sie zu unterbinden. Das halte man dann auch nicht für angemessen.
Der Weg überschritt seinen Scheitelpunkt, verwandelte sich in einen unasphaltierten Pfad und neigte sich. Alexander verstand nicht ganz, warum Krause ihm solche Storys erzählte. Was interessierte ihn Geschichte? Was interessierten ihn kommunale Probleme? Er brauchte möglichst schnell mehr Geld. Und Krause könnte ihm helfen. Vorsichtig schnitt er dieses Thema an. Er merkte sofort, wie sein V-Mann-Führer frostig wurde.
»Es fällt mir schwer, mit meiner Vergütung auszukommen«, stöhnte Alexander.
Da grinste Krause. Andere müssten auch haushalten. Er empfehle ihm, sich nach der Decke zu strecken, das heiße, sich einen anderen Lebensstil anzueignen. Oder, Krause schob eine lange Pause ein und fügte dann schnell an: Er müsse mehr liefern.
Und damit nicht genug. Wie um ihn zu demütigen, zog der V-Mann-Führer vom Leder. Was er, Alexander, bis jetzt abgegeben habe, habe sich als weitgehend unbrauchbar, die vermuteten Verdachtsmomente als unhaltbar erwiesen. Wenn er nur an die drei Chemielaboranten denke. Völlig harmlose Menschen.
Alexander erinnerte sich ungern. Er hatte drei türkische Muslime angezeigt, die als Chemielaboranten bei einem Ludwigshafener Unternehmen beschäftigt waren. Er hatte sie auf dem Fußballplatz des SV Waldhof kennengelernt. In der Halbzeitpause waren sie ins Gespräch gekommen. Sie hatten verabredet, sich in absehbarer Zeit einmal zu treffen. Zu diesem Zweck hatten sie ihre Adressen ausgetauscht. Natürlich hatte er völlig falsche Daten angegeben, sodass eine Kontaktaufnahme nicht möglich war, zumindest nicht mit ihm. Aber er hatte ihre Adressen an seinen V-Mann-Führer weitergegeben und den Verdacht geäußert, dass die drei ein Sprengstoffattentat planen könnten. Mehr nicht. Vermutlich wurden sie daraufhin von der Kripo observiert, möglicherweise sogar festgenommen. Ist es seine Schuld, dass man so hysterisch reagierte?
Ob er glaube, fuhr sein V-Mann-Führer fort, dass man ihn nicht durchschaut habe. Man habe doch stark den Eindruck, dass er die meisten Adressen, die er zur Anzeige gebracht hat, schlicht dem Internettelefonbuch entnommen habe. Offensichtlich habe er aufgrund der Namen angenommen, dass es sich bei den Personen um Muslime handele. Ein für alle Mal solle er sich merken: Erstens sei nicht jeder Muslim verdächtig. Zweitens sei nicht jede Person mit arabischem Namen Muslim. Und drittens habe er mit seinen Anzeigen unbescholtene Bürger einem unbegründeten Verdacht ausgesetzt. Das erfülle den...
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