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Der bislang unbekannte Briefwechsel zweier der bedeutendsten Autoren des 20. Jahrhunderts
Eine junge Lyrikerin, die 1952 erstmals bei der Gruppe 47 auftritt, und ein um neun Jahre älterer, als Autor bereits etablierter Kollege. In ihren Briefen sprechen Ingeborg Bachmann und Heinrich Böll über Politik und Literatur, Religion und Reisen und immer wieder auch über die materiellen Voraussetzungen des Schreibens: Geld und eine angemessene Behausung. Über viele Jahre hinweg lesen sie die Werke des anderen - »Bitte schick mir, was Du schreibst, gegen die Trennung und das Abgetrenntsein.« Trotz unterschiedlicher Lebensentwürfe gibt es viele Gemeinsamkeiten. Beide wünschen sich Konstanz und Geborgenheit, beide reizt zugleich eine Existenz außerhalb des eigenen Sprachraums und der Herkunftskultur: Böll zieht es nach Irland, Bachmann nach Italien. Und beide haben mit inneren Dämonen zu kämpfen. Erschöpfung, Sucht und Depression begleiten den Erfolg.
Ingeborg Bachmanns und Heinrich Bölls zwei Jahrzehnte andauernder Briefwechsel bietet faszinierende Perspektiven auf das literarische Leben der ersten Nachkriegsjahrzehnte und profunde Einblicke in die künstlerische und persönliche Entwicklung zweier bedeutender Stimmen der Zeit. Vor allem aber wird deutlich: Bachmann und Böll standen einander näher, als bisher bekannt war.
Das Buch ist Teil der Salzburger Bachmann Edition und wird mit zwei Schutzumschlägen ausgeliefert.
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151. Ingeborg Bachmann an Heinrich Böll, Wien, 12. Dezember 1952
Ingeborg Bachmann
Wien III. Gottfried Kellergasse 13
Wien, den 12. Dezember 1952.
Lieber Heinrich,
Ihr Brief hat mir soviel Freude gemacht, und jetzt kam aus Frankfurt »Nicht nur zur Weihnachtszeit« als Nichtnur-Weihnachtsgeschenk. Vielen, vielen Dank!
Herr Ribbeck hat die Tendenz, einem nicht aus dem Kopf zu gehen, und woher wissen Sie überhaupt, dass es den Club nicht gibt? Die Leute wollen sich eben an etwas festhalten können. Wir ja auch, aber es ist eben wenig da, nur das bisschen Freundlichkeit zwischen Köln und Wien und dem Havelland. Und das müssen wir pflegen.
Lesenswertes gibt es - ausgenommen Wort und Wahrheit - in Österreich wirklich nichts. Nun weiss ich nicht, ob Sie diese Zeitschrift in Deutschland bekommen. Ich will sie Ihnen gerne schicken, wenn sie Sie interessiert.
Ich glaube, Sie sollten es nicht zu schwer nehmen, dass Sie jetzt für Geld schreiben müssen. Ich werde mich nur an Ihren Roman halten. Und kommen Sie doch nach Wien! Aber nicht zu spät, denn Ilse und ich haben die Absicht, im Frühling nach Deutschland zu übersiedeln; es wird immer schwieriger, hier zu leben. Eigentlich hätten wir jeden Tag ein Heublumenbad nötig. Ich schreibe, vor Nervosität und Müdigkeit, fast überhaupt nichts mehr.
Im Augenblick bin ich auch literaturmüde, sehr sogar, aber es kann sein, dass ich Sie trotzdem eines Tags bitte, mir etwas zu schicken.
16Es ist gut zu wissen, dass es Sie gibt.
Ihre
HAStK 1326/A4015/97 / Ts., 1 Bl., Format 26,5??×??20,3 cm / hs. korr. u. erg.
Gottfried Kellergasse 13] Bachmann wohnte seit März 1949 als Untermieterin bei ihrer Freundin und Förderin Elisabeth »Bobbie« Liebl, vorm. Löcker, geb. Euler (1906-1961), im 3. Wiener Gemeindebezirk (vgl. McVeigh 2016, S. 63; IB/IA, S. 154).
Ihr Brief . Freude gemacht] Mit derselben Formulierung beginnt auch Bachmanns erster Briefentwurf an den Komponisten Hans Werner Henze: »Ihr Brief hat mir soviel Freude gemacht!« (1953, IB/HWH, S. 13) Bölls erster Brief ist nicht überliefert.
»Nicht nur zur Weihnachtszeit«] Die Satire las Böll auf Schloss Berlepsch beim Herbsttreffen der Gruppe 47, an dem auch Bachmann teilnahm (31. Oktober bis 2. November 1952). Noch im selben Jahr erschien der Text in der von Alfred Andersch herausgegebenen Buchreihe >studio frankfurt< in der Frankfurter Verlagsanstalt (vgl. KA 6, S. 695). Ein Rezensionsexemplar ließ Böll an Bachmann »für [den Sender] Rot-Weiss-Rot« schicken (Heinrich Böll an Walter M. Guggenheimer, 1. Dezember 1952, HAStK). Möglicherweise handelt es sich um das Exemplar in Bachmanns Nachlassbibliothek.
Herr Ribbeck . Club . Havelland] In der Kurzgeschichte Ein Pfirsichbaum im Garten stand, die auf ironische Weise die Wirkmöglichkeit von Literatur reflektiert, bezieht Böll sich auf Theodor Fontanes Ballade Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland (Fontane, Gedichte I, S. 229f.). Der Ich-Erzähler gehört dem fiktiven Bund der Ribbeckianer an, die Fontanes Gedicht an Obstbaumbesitzer verschicken, um diese zu mehr Freigebigkeit zu motivieren. Die Geschichte erschien erstmals am 27. Oktober 1952 in Frankfurt am Main (Ich bin Ribbeckianer. In: Die Neue Zeitung. Vgl. KA 6, S. 171-174, 659).
266 Köln] Seit 1946 wohnte Böll mit seiner Familie sowie Vater Viktor, Schwester Mechthild und Bruder Alois mit Frau Maria und deren sechs Kindern im Kölner Stadtteil Bayenthal, Schillerstraße 99. In seinen Notizen von einer Reise nach Ostberlin schreibt er 1952, »daß ich mit meiner Frau und drei Kindern auf zwei Zimmern hause, in einem Hause, wo die Wände in den Fluren noch nicht verputzt sind, die Fenster und Türen undicht, in einer zugigen Bude, die der Bundesrepublik gehört« (Besuch auf einer Insel, KA 6, S. 49). Zum Schreiben zog er sich in ein Mansardenzimmer zurück.
Wort und Wahrheit] Die österr. Zeitschrift für Religion und Kultur, so ihr Untertitel, wurde 1946 von den kath. Priestern Karl Strobl (1908-1984) und Otto Mauer (1907-1973) gegründet. Sie bot auch Autoren und Autorinnen, die der Kirche fernstanden, eine Publikationsmöglichkeit. Bachmann rezensierte für Wort und Wahrheit Bölls Erzählung Der Zug war pünktlich, seinen Roman Wo warst du, Adam? und seinen Erzählungsband Wanderer, kommst du nach Spa. (August 1952, S. 623f.; vgl. KS, S. 13-15). Das aktuelle Dezemberheft 1952 enthielt ihre Kritik der Romane Sackgassen von Thea Sternheim und Ein Schwert zwischen uns von Horst Lange (S. 944f.). Im Jännerheft 1953 erschienen ihre Gedichte Die große Fracht und Herbstmanöver sowie ihre Rezension des Lyrikbandes Der himmlische Zecher von Alfred Mombert (Kosmische Ekstasen, S. 61). Vermutlich kam es bald danach zu einem Zerwürfnis, da Bachmann nichts mehr in Wort und Wahrheit publizierte. Siehe Brief 5.
für Geld schreiben müssen] Siehe Nachwort, S. 228-230.
Ihren Roman] Bölls erster Roman, Wo warst du, Adam?, war 1951 im Verlag Middelhauve, Opladen, erschienen.
Ilse] Die österr. Schriftstellerin Ilse Aichinger (1921-2016), damals mit Bachmann eng befreundet, las 1951 erstmals vor der Gruppe 47 und erhielt auf der Tagung in Niendorf im Mai 1952 für die Spiegelgeschichte den Preis der Gruppe (vgl. IB/IA, S. 163).
nach Deutschland zu übersiedeln] Über »die Entfremdung zwischen mir und der Stadt« Wien und den Wunsch, »nicht mehr hier [zu] bleiben«, schrieb Bachmann schon im Juli 1952 an Paul Celan (IB/PC, S. 52). Aus dem Vorhaben mit der Freundin wurde nichts. Aichinger heiratete am 24. Juni 1953 den dt. Schriftsteller Günter Eich 267(1907-1972), den sie bei der Gruppe 47 kennengelernt hatte, und zog zu ihm ins bayr. Geisenhausen. Bachmann ließ sich 1954 in Italien nieder, siehe Stellenkommentar zu ISCHIA in Brief 8.
Heublumenbad] Bachmann könnte eine frühe Fassung der vermutlich erst im April 1953 vollendeten Erzählung Die Waage der Baleks gekannt haben, die erstmals am 17. Mai 1953 im SDR gesendet und am 13. Juni 1953 in der FAZ gedruckt werden wird. Böll fiktionalisiert in ihr Kindheitserinnerungen seiner im böhmischen Plzen (Pilsen) geborenen Frau Annemarie, geb. Cech (1910-2004), siehe auch Brief 113 und Nachwort, S. 251.
gut zu wissen, dass es Sie gibt] Eine ähnliche Formulierung wird Bachmann in ihrem ersten Brief an Max Frisch gebrauchen: »Ich bin froh, schon lange, daß es Sie gibt« (9. Juni 1958, IB/MF, S. 9).
2. Heinrich Böll an Ingeborg Bachmann, Köln, 28. Dezember 1952
Heinrich Böll
Köln-Bayenthal
Schillerstr. 99
den 28.??12.??52.
Liebe Inge,
ganz kurz nur meinen Dank für Ihren Brief - und einen kleinen Tip für Sie und Ilse: schicken Sie einmal etwas an Herrn Werner Honig NWDR Köln, Wallrafplatz - ich werde Anfang des Jahres diesen guten Herrn dann darauf vorbereiten - oder schicken Sie besser mir einige Gedichte (auch Ilse soll mir Abschriften ihrer Geschichten schicken). Leider hören wir von Paul Celan nichts - wir könnten vielleicht etwas für ihn tun.
Ich schufte wie ein Irrer, fühle mich immer mehr Zauberlehrling-like - dabei weiss ich, dass ich von Natur faul bin und der Musse sehr zugetan. Noch etwas: ein Freund von mir macht hier im Ruhrgebiet eine Kurzgeschichtenagentur auf. Wenn Sie etwas haben, schicken Sie es mir: für finanzielle Fairness garantiere ich: üblicher Satz: 30-40??% für...
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