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Marlenes Verständnis hielt sich in Grenzen, um es diplomatisch auszudrücken.
Aber der Reihe nach.
Ich hatte, wie schon erwähnt, vor, mit meiner langjährigen Partnerin zusammenzuziehen. Vorausgegangen waren längere Diskussionen und Gespräche. Würde das Zusammenleben funktionieren? Würden die unterschiedlichen Charaktere in vier Wänden harmonieren? So war halt unsere Beziehung, es ging immer rauf und runter, man konnte scherzhaft auch von einem Jojo-Verhältnis sprechen. Die einzige Konstante war unsere Liebe, die alle Schwankungen, Krisen und Turbulenzen überlebt hatte. Jetzt hatten wir wieder eine Sonnenschein-Ära, die mit dem Umzug in eine gemeinsame Wohnung belohnt werden sollte. Wir hatten schon eine in Aussicht, vier Zimmer mit zwei Balkonen, kleiner Garten on top. In wenigen Tagen sollte der Mietvertrag unterschrieben werden, und das hatte Marlene zum Anlass genommen, mit mir eine neue Küche auszusuchen. So fanden wir uns in einem Küchenstudio wieder.
Gemeinsam mit Marlene und Bonny schritt ich die unterschiedlichen Küchenwelten ab, während der freundliche Verkäufer, ein kahlköpfiges Männlein mit Fistelstimme, uns beriet.
»Welcher Stil darf es denn sein? Modern, vintage, nordisch oder vielleicht rustikal?«
Ich nickte abwesend, weil ich mit meinen Gedanken woanders weilte. Wie sollte ich Marlene nur erklären, dass sich mein Umzug verzögern würde? Dazu muss man wissen, dass ich in den letzten Monaten öfter den Umzugstermin verschoben hatte. Mal war beruflich etwas dazwischengekommen, mal war ich nicht hundertprozentig von der neuen Wohnung überzeugt gewesen. Zunächst hatte Marlene Verständnis gezeigt, aber letzten Endes nahm sie mir den Willen zum Zusammenziehen nicht ab. Noch ahnte sie nichts von Max' Auftauchen, weil ich nicht am Telefon mit ihr darüber hatte reden wollen. Solche wichtigen Dinge mussten von Angesicht zu Angesicht geregelt werden.
»Wenn es nach mir geht, befürworte ich etwas Modernes«, meinte sie gerade, und ich sah ihr an, dass sie sich auf die neue Küche freute. »Was denkst du, Schatz?«
»Auf keinen Fall rustikal. Modern passt«, gab ich zur Antwort und überlegte fieberhaft, wie ich ihr am besten unsere neue Situation erklären könnte.
»Das ist gut. Die modernen Fronten könnten auch schnell geliefert werden, während es bei den rustikalen momentan zu Lieferengpässen kommt«, erklärte der Küchenberater.
Ich stutzte. Was hatte er da gesagt? Lieferengpässe? Sofort kam mir eine Idee, um das Problem elegant zu umschiffen.
»Was heißt Lieferengpässe?«
»Och, da kann man schon von vier, fünf Monaten ausgehen. Aber die modernen Fronten könnten in zwei, drei Wochen geliefert werden.«
»Das ist perfekt, weil wir unsere Wohnung spätestens in vier Wochen beziehen werden. Das hört sich doch gut an, nicht wahr?«, wandte sich Marlene zu mir und gab mir einen Kuss.
»Auf jeden Fall . Andererseits bin ich mir nicht sicher, ob diese schnörkellosen Fronten nicht zu langweilig sind. Es wird Zeit für Abwechslung.«
»Wie meinst du das?«
»Dieses rustikale Design hat was. Es bringt etwas Gemütliches in die Küche, man fühlt sich wohl, es ist sozusagen familiär«, fabulierte ich.
Marlene sah mich irritiert an.
»Das meinst du doch nicht im Ernst?«
»Im Grunde mag ich es nostalgisch«, log ich, was das Zeug hielt. Natürlich fand ich das rustikale Design grauenhaft. Für mich war es der Inbegriff der Spießigkeit. Und das wusste auch Marlene.
»Du machst Witze. Wir haben kein einziges Möbelstück, das rustikal ist.«
»Umso mehr gefällt mir der Kontrast. Wir sollten nicht alles verteufeln, was auf den ersten Blick etwas altmodisch aussieht. Es geht um Gemütlichkeit.«
Ich spielte diese neue Rolle derart überzeugend, dass Marlene sie mir abnahm. Obwohl sie anderer Ansicht war, wollte sie keine Diskussion mit mir. Sie wollte, dass wir uns für eine gemeinsame Küche entschieden.
»Also gut, bitte, wenn es dir gefällt, dann bestellen wir sie eben.«
Ich wandte mich an den Küchenverkäufer: »Und die Lieferzeiten?«
»Mit vier, fünf Monaten müssten Sie wie gesagt schon rechnen«, antwortete er mit Blick auf seine Unterlagen.
»Kein Problem. So lange können wir warten«, antwortete ich schnell. Offenbar etwas zu schnell, denn Marlene wurde plötzlich misstrauisch.
»Ich sehe mich mit meinem Partner ein wenig um, dann kommen wir zu Ihnen«, sagte sie zu dem Mann, und ohne seine Antwort abzuwarten, zog sie mich außer seiner Hörweite.
»Ist was?«, fragte ich scheinheilig.
»Wenn erst in fünf Monaten geliefert wird, dann würden wir in unserer neuen Wohnung vier Monate ohne Küche leben, ist dir das klar?«
»Natürlich. Deswegen müssten wir leider unseren Umzug etwas verschieben und eine andere Wohnung suchen«, erklärte ich bedauernd.
Ihr Blick verfinsterte sich.
»Es geht dir gar nicht um diese dämliche Küche. Du willst einen Rückzieher machen und nicht mit mir zusammenziehen«, sagte sie mit scharfer Stimme.
»Wie kommst du denn darauf?«
»Du bist ein schlechter Schauspieler. Als ob du das rustikale Design mögen würdest. Nein, ich kenne dich. Du hast es dir wieder anders überlegt.«
»Du irrst dich! Natürlich freue ich mich auf die Wohnung. Aber sollten wir nicht eine optimale Küche haben?«
»Schluss mit dieser dämlichen Landhausküche. Du sagst mir sofort, was los ist. Willst du mit mir zusammenziehen oder nicht?«
Marlene befand sich jetzt im Verhör-Modus. Sie war nicht mehr meine Freundin, sondern die Anwältin vor Gericht. Es gab für mich kein Entrinnen.
»Natürlich will ich das, aber . na ja«, druckste ich.
»Erzähl mir nichts. Du willst dich davor drücken, ich kenne dich doch. Deswegen hast du dir eine Küche ausgesucht, die eine möglichst lange Lieferzeit hat.«
Sie hatte mich durchschaut. Im Grunde mochte ich sie wegen ihres Scharfsinns, und da ich eigentlich auch ein Freund der Wahrheit bin, gab ich klein bei.
»Okay, Schatz, du hast recht, wie so oft. Ich hätte es dir gleich sagen sollen«, meinte ich schuldbewusst, und dann schenkte ich ihr reinen Wein ein. Ich erzählte ihr vom Einzug meines Sohnes und dass er die nächsten drei Monate bei mir wohnen würde, was unseren geplanten Umzug verzögern würde.
»Warum hast du das denn nicht gleich gesagt?«, fragte sie erstaunt.
»Weil ich die Befürchtung hatte, dass du davon nicht begeistert sein würdest.«
»Deine Befürchtung ist absolut richtig. Wenn wir noch länger warten, ist die Wohnung vergeben. Und ich frage mich, ob wir je wieder eine so schöne finden werden.«
»Ich weiß, ich weiß«, versuchte ich abzuwiegeln.
»Nichts weißt du«, unterbrach sie mich. »Dein Sohn kann doch in den nächsten drei Monaten woanders unterkommen. Ich kann ihm genug Agenturen nennen, die Wohnen auf Zeit vermitteln.«
»Aber er ist Student und will sparen«, versuchte ich ihr zu erklären, was jedoch nicht fruchtete.
»Dann zahl du ihm die Miete«, forderte sie mich auf.
»Also, das sehe ich auch nicht ein, außerdem will er nicht allein wohnen, jedenfalls nicht während der Probezeit.«
»Benno, Max ist angehender Anwalt und vierundzwanzig Jahre alt.«
»Fünfundzwanzig«, berichtigte ich sie und fügte hinzu: »Aber er ist mein Sohn, und daher lasse ich ihn nicht im Stich.«
»Deswegen hast du ihn die letzten Monate auch kaum zu Gesicht bekommen .«
»Weil er in Hamburg war.«
Das Gespräch war meinerseits beendet. Sie musste doch verstehen, dass ich meinen Sohn nicht hinauswerfen würde. Aber Marlene hakte nach.
»Warum kümmert sich deine Ex eigentlich nicht um ihn?«
»Weil sie in München lebt«, antwortete ich trotzig, schaltete aber sogleich in den Versöhnungsmodus um. »Schatz, auf die kleine Verzögerung kommt es doch nicht an, oder? Außerdem, was würdest du denn in meiner Situation tun, wenn Becky bei dir einziehen würde?« Marlenes Tochter war ebenfalls fünfundzwanzig und studierte in Paris.
»Becky würde nie auf so eine Idee kommen. Hotel Mama ist für sie ein No-Go. Und das ist auch gut so. Ich habe meine Tochter zur Selbstständigkeit erzogen«, machte sie klar.
Ich musste ihr recht geben. Jedenfalls beschränkte sich ihr Kontakt zu Becky auf wenige Telefonate, soweit ich es beurteilen konnte. Trotzdem wollte ich Marlenes Vorwurf nicht auf mir sitzen lassen.
»Willst du damit sagen, dass mein Sohn unselbstständig ist?«
»Na ja, du hast ihn schon ganz schön verzogen. Becky würde nie an meinem Rockzipfel hängen.«
Das hörte ich überhaupt nicht gern, denn wer lässt sich schon schlechten Erziehungsstil nachsagen? »Nimm das sofort zurück.«
Das tat Marlene nicht, im Gegenteil, sie kritisierte meine pädagogischen Methoden. »Du hast ihn verwöhnt, mein Gott, ist doch kein Drama.«
»Habe ich nicht.«
Mir war überhaupt nicht nach einem Streit, und wahrscheinlich hatte auch Marlene keine Lust darauf, aber wir konnten beide nicht über unseren Schatten springen und dem Ganzen ein Ende setzen.
»Ich bin mir sicher, dass du eigentlich alleine wohnen willst«, resümierte sie schließlich. »Es hat Monate gedauert, bis du deinen Widerstand aufgegeben hast. Du liebst mich gar nicht.«
»Das ist nicht wahr.«
»Wenn du mich lieben würdest, hättest du mich gefragt, ob ich einverstanden wäre, dass er bei dir einzieht.«
»Wenn wir zusammengewohnt hätten, hätte ich dich natürlich gefragt . Außerdem habe ich gedacht, dass du so denkst wie ich.«
»Deswegen die Ablenkung mit der dämlichen Landhausküche?...
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