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Die geheimen Begabungen der Tiere
Lassts mich vielleicht so anfangen: Wie ihr sicher wissts, haben Tiere teilweise eine ganz andere Wahrnehmung als wir Menschen, die haben ja quasi spezielle Antennen. Und da meine ich jetzt nicht, dass eine Katze in der Nacht gut sieht und eine Krähe sich dreitausend verschiedene Futterverstecke merken kann. Sondern da gibt es zum Beispiel wahre (!) Geschichten von Hunden, die nicht in den Familienurlaub mitfahren dürfen, aber schon im ersten Moment, wo der Nachbar nach ihnen schauen will, geben sie ihm einen Stesser, dass ihm der Pedigree-Sack aus der Hand fällt, und gasen in einem Fetzentempo davon. Dreihundert Kilometer weiter fährt die Familie gerade fröhlich auf der Autobahn gen Süden; auf einmal verreißt die Mama fast das Lenkradl: "Halt, ein Hund auf der Fahrbahn, sakradi - ja, schaut denn der nicht exakt aus wie unsere Fifi?" Ein bisschen verdattert, aber sicher bleiben sie am Pannenstreifen stehen. Glück gehabt. Auf einmal verdunkelt sich der Himmel, es pfeift und donnert, dann macht es vor ihnen einen gigantischen Tuscher. Ein Flugzeug ist auf die Fahrbahn gekracht und hat alles unter sich begraben. Wenn nicht die Mama akrat wegen dem Hund sich zusammengebremst hätte, hundertprozentig wären sie jetzt alle tot, zermalmt. Arg. Von ihrem Nachbarn erfahren sie später, dass die Fifi nach ihrem kurzen Ausflug (viel zu kurz, um dreihundert Kilometer zu rennen!) vier Tage lang durchgeschlafen hat. Ja, das kriegst du doch im Hirn nicht zusammen! Und solche mysteriösen Tiergeschichten gibt es aus der ganzen Welt. Auch ich habe eine erlebt .
Meine Geschichte spielt in einem unwirtlichen Landstrich im allerletzten Eck der Republik, sieben Autostunden vom zivilisierten Treiben der Hauptstadt entfernt, wo die Berge hoch, die Wälder finster und die Sprache der Menschen ungelenk und schwer verständlich ist. Und glaubt es oder glaubt es nicht: Ich habe schon vor der Abfahrt so eine Vorahnung gehabt! Ich meine, mir wird ja seit jeher jedes Mal leicht entrisch, wenn ich zu einem Auftritt nach Vorarlberg fahre - wem nicht! -, aber diesmal schrecke ich schon in der Nacht davor schwitzend aus dem Schlaf. War da ein Geräusch? Im Zimmer, das kann ich mir aber auch einbilden, ist ein ganz leichter Haselnussgeruch. Sicher, ich habe vor dem Einschlafen noch eine Tafel Haselnuss-Milka gehabert, das schon, aber täte man da nicht eher den Schokoladenanteil riechen und nicht die Haselnüsse? Einen Schokogeruch nehme ich aber nicht wahr. Unruhig schlafe ich wieder ein. Ein höchst notwendiger Schlaf, weil am nächsten Tag habe ich ja eine lange Fahrt vor mir.
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Diesmal bin ich zu einer Lesung in einem kleinen Ort im Bregenzerwald geladen, einer Gegend, in der schon mancher Wanderer verschollen ist und in die man nur über extrem steile Bergstraßen und enge Serpentinen gelangt. Was freilich die einheimischen Autofahrer nicht daran hindert, dass sie fahren wie die gesengten Säue. Das hat man ja oft in so einfachen Gesellschaften, dass die teilweise keine Angst haben vor dem Tod, weil der Tod noch viel mehr Teil ist von ihrer Kultur und von ihrem täglichen Leben. Aber wenn du selbst aus der Zivilisation kommst, dann stellt es dir bei so einem Fahrstil einfach die Haare auf.
Gegen Ende der langen und ermüdenden Fahrt durch das winterliche Österreich - unterbrochen nur von einer kurzen Pause in der Raststation Mondsee bei Berner Würsteln mit Pommes und Zwiebelsenf - fängt es auch noch an zu schneiben, und sei es wegen der Müdigkeit, sei es wegen dem blendenden Schnee, der die Augen anstrengt, auf jeden Fall habe ich das Gefühl, dass meine Sinne nicht ganz so perfekt funktionieren wie sonst. Ich könnte zum Beispiel nicht mehr mit Sicherheit sagen, ob ich jetzt bergauf, bergab oder geradeaus fahre und ob mir die Melissa-Naschenweng-Nummer, die gerade auf Antenne Vorarlberg rennt, nicht doch extrem taugt. Vielleicht erklärt sich dadurch auch die Beklemmung, die mich vor der Ankunft ergreift. Mit der linken Hand klopfe ich mir wild auf die Brust, mit der rechten schalte ich für die letzten steilen Meter in den Ersten.
Beim Aussteigen steigert sich meine Unruhe noch. Da stehen junge Männer auf den Gehsteigen, einzeln und in kleinen Gruppen. Als würden sie mir Spalier stehen oder als täten sie eine Nachtwache halten für einen Verstorbenen und dabei ein bedrohliches Rosenkranzgsatzl vor sich hin knurren. "Sonbrchmnit", meine ich zu verstehen und andere sinnlose Wortfetzen, die bei aller Unverständlichkeit eines gemein haben: Sie klingen zutiefst feindselig. "Sonwllmnit." Soll das vielleicht "So einen wollen wir nicht" heißen? So einen wie mich? Mir krampft sich alles zusammen. Eine alte Frau, die mit zwei Sutterlüty-Sackerln voller Einkäufe an mir vorbeigeht, raunt mir in ihrem altertümlichen Idiom zu: "Pass auf, Austrofred, nimm dich in Acht, das sind die Schwarzen!"
Bei einem wärmenden Kakao erzähle ich dann dem Guni, dem wettergegerbten Wirt und Veranstalter, von der Zusammenrottung draußen und von den weissagenden Worten der Frau. "Jaja", sagt er, "da hat sie schon recht, aber du brauchst deswegen keine Angst haben. Das sind nur die Burschen von der Jungen ÖVP, die passen heute auf." In der Vorwoche hat nämlich, erzählt er, die Wiener Rockgruppe Wanda nach einem Konzert im Nachbarort ihr Hotelzimmer verwüstet, was dem dortigen Veranstalter schwere Probleme mit dem Bürgermeister (und dem Pfarrer!) eingebracht hat. Solche Scherereien wollen sie bei mir vorsorglich verhindern. Die Anwesenheit der jungen Schwarzen soll mich daran erinnern, dass es als ortsunüblich gilt, wenn man einen HD-Screen aus dem Fenster schmeißt.
Nach meinem wie immer tadellosen Auftritt nehme ich die zahlreichen, akustisch nicht dechiffrierbaren Ehrbekundungen der zutraulichen Vorarlberger Fans mit dem mir eigenen gutmütigsympathischen Lächeln hin. Jede halbe Minute werfe ich ein universell verständliches "Prost!" in die Runde, und gut ists. Noch gschwind drei, vier Bier, Gage kassieren, fertig.
Am Heimweg in die Pension wieder die schwarzen Mahnwachen. Seit der Erklärung des Wirts und mit ein paar Bieren intus können sie mich aber nicht mehr beeindrucken. Trotzdem wälze ich mich dann unruhig im Bett, nehme ich wieder diesen ganz leichten Haselnussgeruch wahr. Ganz ohne Haselnussschokolade. Eigenartig.
Viel zu spät schlafe ich mithilfe von zwei Rosenheim-Cops-Wiederholungen ein und verschlafe prompt den Check-out, weswegen ich in der Früh von der Pensionswirtin ordentlich ausgeschimpft werde. Eine so eine faule Sau wie mich, behauptet sie, hat sie überhaupt noch nie in ihrer Pension gehabt. Na, mein Gott na, denke ich mir, zwölf Uhr! Die soll froh sein, dass ich nicht wandamäßig ihr scheiß Zimmerl verwüstet habe! Nachdem sie sich abgeregt hat, serviert sie mir aber immerhin noch einen Teller Aufschnitt zum Kaffee.
Wobei, eines ist komisch: Wie ich nämlich zum Bezahlen zu ihr in die Küche komme, schrickt sie kurz auf. Ganz unmerklich nur, aber ich erinnere mich im Rückblick deutlich daran, dass ich mir gedacht habe, öha. Dann holt sie ein kleines Marienbild aus ihrem Herrgottswinkel und legt es, während sie mir die Rechnung schreibt, zwischen uns, fast wie ein heimliches Schutzschild. Aber vielleicht bilde ich mir das auch ein. Das Kreuzzeichen, das sie macht, wie ich schon fast aus der Tür draußen bin, bilde ich mir ganz sicher nicht ein, aber ich deute es in dem Moment als Versöhnungszeichen, vielleicht auch als traditionellen wäldlerischen Abschiedsgruß. Trotzdem bin ich einigermaßen froh, wie ich draußen bin.
Am Weg zum Auto fällt mir ein, dass heute der kälteste Tag des Jahres in dieser hoch gelegenen und also eh schon von Haus aus saukalten Gegend sein soll, weswegen ich gleich einmal fünf Minuten das Standgas rennen lasse, damit der Wagen sich ein bisschen aufwärmt. Lenkradlheizung, Sitzheizung - schön langsam wirds.
Bei Tageslicht kann ich jetzt auch die wirklich schöne Landschaft viel gechillter genießen als gestern, die Luft, die Häuser. Um nämlich auch einmal etwas Positives über Vorarlberg zu bringen, muss man sagen, dass es schon das einzige österreichische Bundesland mit einer annehmbaren Architektur ist. In allen anderen Bundesländern schaut es ja aus, als würden die Neubauten von einem bösartigen Computerprogramm wahllos in die Gegend geschissen. Ins Land einischaun war der Titel einer ehemaligen ORF-Sendung, die der Schönheit der Republik gewidmet war. Ins Land einischeißen müsste sie heute heißen.
Eine sehr anheimelnde Sendung - wahrscheinlich meine Lieblingssendung überhaupt - rennt dagegen gerade im Autoradio: Ö1 gehört gewusst. Anheimelnd deswegen, weil bei diesem Quiz ausnahmsweise die tatsächlich gebildetsten Leute gewinnen, und nicht solche, die auf irgendwelchen Apps geübt haben, wann man am besten welchen "Joker" setzt. Also Leute, die zum Beispiel irgendwelche...
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