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«Der Redakteur in Paris meinte, dass die Witwe noch immer unter dieser Adresse wohnt.» Odin Hjelm hielt einen Zettel in der Hand. «Ich musste versprechen, sie niemandem außer Ihnen zu geben. Die Frau glaubt anscheinend, dass die Mörder ihres Mannes es auch auf sie abgesehen haben.»
«Ich werde den Zettel aufessen, wenn ich die Adresse gelesen habe. Aber erwarten Sie nicht, dass ich etwas schreibe, auch wenn ich nach Deutschland fahre», sagte Even.
«Ja, ja.» Hjelm lächelte und schob den Zettel über den Tisch. «Schon in Ordnung - Hauptsache, es gibt irgendein Buch. Dann schreiben Sie erst über Leibniz.»
«Ich will nur wissen, ob die Witwe von LaTour Informationen über Newtons Beziehung zur Bruderschaft der Unsichtbaren hat. Ich bin neugierig, das ist alles», betonte Even.
«Eine gesunde Portion Neugier ist gut», bemerkte der Eigentümer des Phönix-Verlags und blickte zur Tür. Eine Sekretärin steckte den Kopf ins Zimmer: Der japanische Übersetzer warte in Konferenzraum 2.
Hjelm nickte und stand auf. «Dann haben wir ja so etwas wie eine halbe Abmachung. Sie überlegen sich, ob Sie etwas über Newtons Feinde schreiben wollen . nein . sagen wir lieber: über Newtons Feindbilder. Das trifft die Sache wahrscheinlich besser. Ein solches Feindbild-Kapitel würde gut zu Mai-Brits Teil über Newtons verborgene Seiten passen.» Er blickte zufrieden. «Das wird ein wunderbares Buch.»
Even räusperte sich.
«Ja, wenn es denn eins gibt», fügte Hjelm schnell hinzu und lächelte. «Aber fangen Sie erst mal mit Leibniz an.»
«Warum?»
«Ich habe mich immer gefragt, in welcher Beziehung Newton zu Leibniz stand - ja, und umgekehrt natürlich. Zwei Genies, die zur selben Zeit dieselbe Sache entdecken und sich gegenseitig des Plagiats bezichtigen - das ist fast zu schön, um wahr zu sein. Schreiben Sie erst etwas über Leibniz.»
Als Even Vik die Pilestredet entlang in Richtung Zentrum ging, den Kopf zum Schutz vor dem kalten Wind leicht gesenkt, musste er sich eingestehen, dass er Odin Hjelm zu mögen begann. Nicht unbedingt ein gutes Zeichen, denn Even war sich schmerzlich bewusst, was für ein schlechter Menschenkenner er war.
Alle Menschen sind erst einmal dumme Schweine, bis das Gegenteil bewiesen ist.
Mit dieser Lebensweisheit war er aufgewachsen, sie war ihm von seinem Polizistenvater und dessen Freund Molvik eingehämmert worden, bis er sie tief verinnerlicht hatte. Wer ihm nahekommen wollte, musste erst einen Panzer aus Misstrauen und Skepsis durchdringen. Natürlich war nichts vollkommen, auch keine Lebensweisheiten, und so hatten seine Verteidigungsmechanismen vor zwei Jahren komplett versagt. Er hatte sein Herz spontan in die Hände von Kitty Bang gelegt und erst im letzten Moment bemerkt, dass sie im Begriff war, es zu zerteilen.
Bei Odin Hjelm war das anders. Er war ein Verleger, ein potenzieller geschäftlicher Kontakt, mehr nicht. Kein Freund, sondern ein Bekannter. Jemand, der mit Even Vik Geld verdienen wollte. Aber er war ein netter Kerl. Und genau das war das Problem.
Ich reise nur nach Deutschland, weil ich neugierig bin, dachte Even. Ich habe Odin Hjelm nichts versprochen, habe nie zugesagt, dieses Buch für ihn zu schreiben. «Aber nein gesagt habe ich auch nicht», murmelte er vor sich hin.
«Ich fahre ein paar Tage ins Ausland», erklärte Even, als er eine Stunde später Finn-Erik und die Kinder besuchte.
«Kann ich mitkommen?» Stig blickte von dem Legoflugzeug auf, das er gerade baute.
«Dieses Mal nicht, vielleicht ein andermal, wenn Papa es dir erlaubt.»
«Papa! Papa!»
Finn-Erik kam mit einer halbgeschälten Kartoffel in der Hand ins Zimmer. «Mein Gott, was ist denn los? Stig, warum schreist du so?»
«Kann ich beim nächsten Mal mit Onkel Even ins Ausland fahren, Papa?»
«Ins Ausland?» Finn-Erik blickte verwirrt zu Even.
«Ich muss ein paar Tage weg, die Witwe von Simon LaTour besuchen, diesem Autor, du weißt schon . Stig will mitkommen, aber ich habe gesagt, dass wir das auf ein anderes Mal verschieben müssen.»
«Ach so.» Finn-Erik starrte die Kartoffel an, als habe sie ihm eine todtraurige Geschichte erzählt, deren Tragweite er immer noch nicht fassen konnte. So reagierte er jedes Mal, wenn das Laken, das er über Mai-Brits Tod gedeckt hatte, auch nur ein wenig gelüftet wurde.
Er vermisst seine Frau genauso wie ich, dachte Even und erklärte Finn-Erik, dass er mit dieser Reise Material für das Newton-Buch sammeln wolle. Dann nahm er Stig und die kleine Line in die Arme, schlug den Jackenkragen hoch und verließ das Haus in Richtung Bushaltestelle.
«Vierzehn Grad, windstill und leicht bewölkt», gab der Kapitän vor der Landung durch.
Nach dem frostigen Schneetreiben beim Abflug in Norwegen klang das für Even genau richtig. Er nickte der Stewardess zu, als er das Flugzeug verließ, ging die Treppe hinunter und über den Platz zum Terminal. Er hatte nur den kleinen Rucksack als Handgepäck und ging an der Gepäckausgabe vorbei direkt durch den Zoll in die Ankunftshalle. Der nach deutschen Maßstäben kleine Flughafen wimmelte von Menschen. Even blieb stehen, um all die Geräusche, die fremden Sprachen, das Klappern der Trolleyräder und das Geschrei der Kinder auf sich wirken zu lassen. Aus irgendeinem Grund nahm er solche Dinge jetzt bewusster wahr. Jetzt, in seinem neuen Leben. Als hätte das Schwimmen in dem eiskalten Wasser vor fast zwei Jahren seine Sinne geschärft.
«Der Wagen steht auf dem Parkplatz. Dort entlang.» Der Hertz-Angestellte reichte Even den Schlüssel und zeigte in die entsprechende Richtung, gab ihm aber zur Sicherheit noch einen kleinen Flughafenplan mit.
Even fand den Leihwagen ohne Probleme und verglich das Nummernschild mit dem Kennzeichen auf dem Mietvertrag. Sie stimmten überein: DN-HC 5773.
5773 - die ersten Dezimalstellen des Tangens eines 30-Grad-Wink. Stopp! Du hast es geschworen .!
Ein BMW, Baujahr 2005, also zwei Jahre alt. Er hatte noch nie so ein neues Auto gefahren, einmal abgesehen von dem Fahrschulwagen, als er seinen Führerschein neu gemacht hatte. Das war mal etwas anderes als Finn-Eriks alter Datsun.
Er brauchte ein paar Minuten, um sich mit dem Navi vertraut zu machen, dann tippte er die Adresse von LaTour in Baden-Baden ein und verließ das Gelände des Flughafens Frankfurt-Hahn.
Die Fahrt nach Baden-Baden würde zwei Stunden und vierundzwanzig Minuten dauern, las er auf dem Display des Navi, das unten in der Mitte der Windschutzscheibe hing. Die Autobahn führte durch eine Landschaft aus Äckern, Wäldern, Kleinstädten und Industriegebieten. Ein paarmal legte er sich aus Spaß mit der Frau im Navigationssystem an, die ihm mit leicht blecherner Stimme vorschreiben wollte, welchen Weg er zu nehmen hätte. Wie ein kleines Kind ignorierte er ihre Anweisungen und amüsierte sich über die immer häufiger kommenden Ermahnungen, zu wenden und zurückzufahren. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn in ihrer Stimme Verzweiflung oder Ärger zu hören gewesen wären. Doch die Frau fuhr mit ihren Instruktionen und Kurskorrekturen fort, ohne genervt aufzuseufzen, zu schimpfen oder die Augen zu verdrehen - wobei er sich beim letzten Punkt nicht sicher sein konnte, er sah sie ja schließlich nicht. Even bereute es, Stig nicht mitgenommen zu haben, sie hätten bestimmt eine Menge Spaß gehabt, die Frau gemeinsam zu ärgern.
Als er von der E 52 abbog - 52 ist die Summe der Primzahlen 23 und . Verdammt! Halt's Maul! -, wies die Frau ihm geduldig den Weg ins Zentrum von Baden-Baden. Doch bevor er die City erreichte, knickte der Pfeil auf dem Bildschirm nach links ab und führte ihn über eine schmalere Straße in einen Wald. Hinter den Bäumen erkannte er einzelne Häuser. Dann knickte der Pfeil erneut ab, dieses Mal nach rechts, und die Frau verkündete, dass es noch hundertzwanzig Meter bis zum Ziel seien. Even folgte der Anweisung und bog in einen holperigen Kiesweg ein, der wie eine private Einfahrt wirkte.
Ein älterer Mann stand vor einem Haus und hackte Holz. Als Even vorbeifuhr, richtete er sich auf und hielt die Axt vor die Brust. Nach einer Kurve endete der Weg abrupt vor ein paar wuchernden Büschen. Eine schmale Öffnung dazwischen konnte mit viel gutem Willen als Parkplatz bezeichnet werden, und die Zweige kratzten über den Lack, als Even das Auto vorsichtig hineinmanövrierte. Hinter den Büschen war ein weißes Haus zu erkennen. Even musterte die Umgebung eine Weile, bevor er ausstieg und das Auto abschloss.
Das Grundstück wirkte wie ausgestorben, einmal abgesehen von den Vögeln, die in den Büschen zwitscherten. Die Vorhänge waren zugezogen, als wohnte dort niemand oder als wäre dieses Haus ganz bewusst der süddeutschen Wildnis überlassen worden. Trotz der kühlen Temperatur stieg kein Rauch aus dem Schornstein. Even folgte dem kaum sichtbaren Pfad, der um das Haus herumführte, und betrat eine Art Vorplatz.
Von dieser Seite wirkte das Haus deutlich bewohnter.
Es schien schon älter zu sein, mit Rissen im Putz und einem Schornstein, der jedem Schornsteinfeger die Sorgenfalten auf die Stirn getrieben hätte, doch sonst sah das Haus durchaus passabel aus. Nicht renoviert, aber jemand weigerte sich offenbar, es verfallen zu lassen.
Zur Linken befand...
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