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Kapitel 1 - Dienstag, 02.08.
Koblenz-Moselweiß - 08:15 Uhr
Seufzend quälte er sich die Treppe in das Obergeschoss hinauf, die "Neue" im Schlepptau.
Ich muss wieder mehr Sport machen. Dieses Gefühl mangelnder Fitness ist scheiße ... vor allem, wenn du dann auch noch so ein junges Ding im Team hast.
Arnulf Auer musste unwillkürlich kurz auflachen, als ihm bewusst wurde, dass er wieder von dem im ganzen Polizeipräsidium als "Gurkentruppe" bezeichneten Personenkreis als "das Team" gedacht hatte. Das war halt die Bestrafung für sein loses Mundwerk, das er einfach nicht halten konnte, auch nicht gegenüber Vorgesetzten. Das Leitungspersonal im Polizeipräsidium Koblenz schien ganz besonders sensibel und humorlos zu sein und mit seinen lockeren Sprüchen nicht wirklich umgehen zu können. Da man ihn wegen seiner unbestreitbaren Ermittlungserfolge aber nicht so einfach aufs Abstellgleis schieben konnte, hatte man sich eine andere Art der Bestrafung für ihn ausgedacht: Man teilte seiner Mordkommission den vermeintlichen Müll des Präsidiums zu, also die Kollegen, die entweder unangenehm aufgefallen waren, die krank waren oder mit persönlichen Problemen, wie zum Beispiel Disziplinarverfahren, zu kämpfen hatten.
Auer war das egal. Die Erfahrung von über 20 Jahren im Polizeidienst hatte ihn gelehrt, dass jeder Kollege auch seine positiven Seiten hatte und sehr oft Fähigkeiten in ihm schlummerten, die von anderen nicht erkannt wurden.
Als er vor der Wohnungstür ankam, wurde seine Aufmerksamkeit von dem uniformierten Kollegen in Anspruch genommen, der sich gerade geräuschvoll auf den Fliesenboden des Treppenhauses übergab.
"Hallo, Kollege, weißt du nicht, wofür deine Mütze gedacht ist? Das nächste Mal kotzt du bitte da rein, anstatt uns den Tatort zu versauen, klar?"
Aber der junge Kollege tat ihm andererseits auch ein wenig leid. Er klopfte ihm leicht auf den gebeugten Rücken.
"Das wird schon wieder. Du hast wohl noch nicht viele Leichen gesehen, was?"
Der Junge würgte noch einmal kurz, schluckte den Rest hinunter und quälte sich ab, Auer eine Antwort zu geben: "Doch, eigentlich schon, aber so was ..." Er schüttelte immer wieder den Kopf. Dann traten ihm die Tränen in die Augen, und er begann erneut zu würgen.
"Oh, oh, geh mal besser raus an die frische Luft. Wir sind ja jetzt da, und du kannst auch draußen vor dem Haus aufpassen, dass uns keine Presse auf den Hals rückt."
Auer zog die OP-Überschuhe über seine Halbschuhe und reichte ein weiteres Paar nach hinten zu der ihm dicht auf den Fersen befindlichen Kollegin.
"Anziehen", raunte er kurz nach hinten, "und halt dich dicht hinter mir, pass auf, wo du hintrittst, und fass ja nichts an."
Wie heißt sie noch gleich? Katrin? Nein, Corinna. Corinna Crott, die neue Kommissaranwärterin, die keiner haben wollte, weshalb man sie ihm für die nächsten drei Monate zugeteilt hatte. Was für ein Einstieg! Gleich am ersten Tag eine Leiche, bei der man - Auer hatte noch keine Ahnung warum - davon ausging, dass es sich um einen Mord handelte.
Vorsichtig betrat er die Wohnung und musste feststellen, dass die Jungs und Mädels von der Spurensicherung in ihren weißen Maleranzügen bereits voll im Einsatz waren.
Früher hatte er sich mal eingebildet, dass er mit 1,80 ein eher großer Mann sei, aber die jüngere Generation überragte ihn in den meisten Fällen doch um einige Zentimeter. Mit seinen 42 Jahren kam er sich gegenüber den wesentlich jüngeren Leuten von der Spurensicherung wie ein alter Mann vor. Die Begleitung durch die blutjunge und nicht unattraktive Kommissaranwärterin machte es sogar noch schlimmer.
Da könnte ich ja auch mit meiner Tochter unterwegs sein.
Nicht, dass er eine Tochter gehabt hätte, aber zumindest vom Alter her hätte sie es ohne Weiteres sein können.
"Hi Arnulf", grüßte ihn einer der Erkennungsdienstbeamten. "Sie liegt im Schlafzimmer. Und bevor du fragst, ein Medizinmann war bereits da, hat den Tod festgestellt und dass Fremdeinwirkung vorliegt. Dann ist er wieder abgedampft, und jetzt wartet der Gerichtsmediziner in Mainz, bis wir mit der Tatortaufnahme fertig sind und die Leiche dorthin abtransportiert wird."
Der junge Kollege grinste anzüglich. "Nicht, dass es einen Mediziner dafür gebraucht hätte. Den Tod hätte ich auch alleine mit absoluter Sicherheit feststellen können und die Fremdeinwirkung genauso. Aber das wirst du ja gleich selbst sehen."
Noch immer grinsend zog er sich zurück und widmete sich anderen Aufgaben. Vorsichtig und immer wieder auf den Boden vor sich schauend, näherte Auer sich der offen stehenden Schlafzimmertür und erhaschte bereits vor Betreten des Raumes einen ersten Blick auf die nackte Frau, die auf der roten Tagesdecke des Bettes lag. Schon von Weitem fielen ihm die roten Striemen um Hand- und Fußgelenke sowie um den Hals des Opfers auf. Erst als er vorsichtig näher an das Bett herantrat, erkannte er, wie sehr er sich geirrt hatte und was der Kollege von der Spurensicherung gemeint hatte.
Es handelte sich nicht um eine rote Tagesdecke, sondern um ein blutdurchtränktes Tuch unbekannter Farbe. Und es handelte sich auch nicht um rote Striemen an den Gelenken oder am Hals, sondern um ... um was eigentlich? Da die Spurensicherung den Raum für ihn freigegeben hatte, war er sich sicher, dass er die Leiche nun gefahrlos anfassen konnte, ohne Spuren zu verwischen. Also fasste er die rechte Hand der Leiche an ... und musste feststellen, dass sie keinerlei Verbindung mehr zum Arm hatte. Sie war sauber abgetrennt und anschließend wieder so an den Armstumpf gelegt worden, dass der Eindruck entstehen konnte, beide Teile wären noch verbunden.
Auer ließ die Hand einfach fallen und tippte der jungen und offensichtlich sehr toten Frau leicht gegen die Schläfe. Der Erfolg war durchschlagend, denn der Kopf rollte zur Seite und offenbarte die grausige Wahrheit: Was für die Gelenke galt, traf auch auf den Kopf zu. Sauber abgetrennt.
Er spürte dicht hinter sich die Anwesenheit der jungen Kollegin. Was ihn allerdings verwunderte, war die Abwesenheit jeglicher Geräusche. Er hätte wenigstens ein Würgen, einen erschrockenen Aufschrei oder heftiges Atmen erwartet. Vorsichtig drehte er sich halb um und beäugte das Mädchen. Zu seiner Überraschung war alles, was er in ihrem Gesicht sehen konnte ... interessierte Neugierde.
Sie betrachtete aufmerksam die Leiche, und auch der weggerollte und nun neben dem Hals liegende Kopf schien sie nicht im Geringsten aus der Ruhe bringen zu können.
Alle Achtung, dachte er anerkennend. Das hätte ich nun nicht vermutet. Offensichtlich musste er sich doch ein wenig schlauer über sie und ihre Vorgeschichte machen.
Noch während er sich über die Abgebrühtheit der jungen Kollegin wunderte, betrat ein Kollege der Spurensicherung den Raum.
"Was ich dir noch sagen wollte, Arnulf, wir haben in der Küche eine Katze gefunden. Der Kratzbaum, eine Katzentoilette und die Futterschüssel legen den Schluss nahe, dass es sich um die Katze unseres Opfers handelt."
"Und? Ist sie auch zerstückelt?"
"Wie ... zerstückelt?" Der Kollege blickte ihn verständnislos an. "Ach so, jetzt versteh ich. Nein, nein, mein Fehler", lachte er kurz auf. "Nein, die Katze ist nicht zerstückelt, sonst würde sie kaum noch leben. Wir haben allerdings Blut an ihr gefunden, und ich schätze mal, der Täter hat sie mit blutverschmierten Händen gestreichelt, bevor er sie in der Küche eingeschlossen hat."
"Aha", bemerkte Auer trocken, "dann haben wir ja schon den ersten Täterhinweis. Es handelt sich ganz offensichtlich um einen Katzenliebhaber. Gut zu wissen."
Er ignorierte die verblüfften Blicke des Kollegen und des Mädchens.
"Hat der Doc was zum mutmaßlichen Todeszeitpunkt gesagt? Das Blut wirkt ja schon ziemlich angetrocknet."
Statt eine Antwort zu geben, sah der Spurensicherer an Auer vorbei auf die Leiche und wollte sich mit einem Aufschrei der Entrüstung an ihm vorbeidrängen. "Ey, Mädchen, was machst du denn da? Du kannst doch nicht einfach am Tatort die Leiche anfassen. Hast du sie noch alle?"
"Langsam, langsam", bremste Auer ihn und hielt ihn gleichzeitig davon ab, sich auf die junge Kollegin zu stürzen, die gerade dabei war, einen Arm anzuheben und im Schultergelenk kreisen zu lassen.
Völlig unbeeindruckt fasste sie nun den Kopf an, hob ihn hoch und bewegte langsam den Unterkiefer hin und her.
"Da das bereits sehr angetrocknete Blut den Schluss nahelegt, dass sie nicht erst vor einer oder zwei Stunden getötet wurde, gehe ich von einem Todeszeitpunkt von mehr als 24 Stunden aus, da die Totenstarre gerade dabei ist, wieder abzuklingen."
Auer vermutete, dass er gerade selbst keinen wesentlich intelligenteren Gesichtsausdruck zu bieten hatte als der Kollege von der Spurensicherung. Beide starrten sie die junge Frau mit offenem Mund an.
"Was?", fragte sie überrascht. "Hat der Doktor etwas anderes gesagt?"
"Äh ... nee ... ich meine ...", stotterte der Beamte, dessen Name Auer ums Verrecken nicht einfallen wollte, "also ... äh ... der hat genau das Gleiche gesagt." An Auer gewandt, der inzwischen seinen Ärmel losgelassen hatte, fragte er: "Wer ist das denn?"
"Ach so, ja, ich habe euch noch nicht bekannt gemacht. Das ist Corinna Crott, die neue Kommissaranwärterin in meinem Team."
Er verkniff es sich, den Kollegen vorzustellen, da er seinen Namen ja momentan nicht wusste.
"Angenehm, Schmitt ... Mike." Er...
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