Schweitzer Fachinformationen
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Aus dem Tagebuch eines Unbekannten: Ich liebe deinen Stil. Ich mag, wie du dich bewegst. Ich hasse dich trotzdem! Ich werde dich lehren, wie man mit Menschen umgeht. Alles hat Konsequenzen. Auf wen hat es der Tagebuchschreiber abgesehen? Die Brixner Journalistin Marie Pichler rutscht nach ihrer Sensationsstory über die "Bombenjahre" in eine Krise. Während ihre Freunde Jakob Brenner und der frühere Star-Journalist Tom Bauer aus Sterzing ihr helfen, spitzt sich die Lage dramatisch zu. Maries neue Kollegin beim "Boten", Nadine Burgstaller, ist vor einem Stalker von Innsbruck nach Brixen geflohen. Aber auch dort findet sie keine Ruhe. Die Angst nagt an ihr. Hat er sie wieder gefunden? So rinnt der Sand nun durch die Sanduhr. Wenn oben nichts mehr ist, dann ist es zu spät. Beeil dich. Viel ist nicht mehr da. Wer ist das Opfer? Wer der Täter? Ausgeliefert - ein spannender Südtirol-Thriller. Was zwischen Brenner und Bozen passiert, kann auch dich treffen. Immer und überall.
Ein frischer Wind wehte durch die Innenstadt von Sterzing. Wie fast immer vom Brennerpass herunter, als würde eine Düse ihn verstärken. Der Herbst hielt allmählich Einzug. Die drückende Schwüle des Sommers war im Wipptal schneller vergessen als anderswo in Südtirol. Marie Pichler eilte im Slalom durch die Neustadt. Obwohl die Ferien in Italien und Deutschland schon vorbei waren, liefen immer noch viele Urlauber durch die Stadt. Ältere Wanderer mit klappernden Stöcken. Paare ohne Kinder. Paare mit eislutschenden Kleinkindern. Großeltern mit Enkeln im Kindergartenalter.
Die Bezeichnung Neustadt war so eine Sache für sich. In den Augen Deutscher war die ganze Sterzinger Einkaufsmeile eine einzige Altstadt. Aber die Gasse, die so hieß, endete am Zwölferturm mit dem Stadtplatz. Dahinter, vom Beginn der Wind-Düse aus Richtung Seilbahn kommend, lag die Neustadt mit ihren auch schon bejahrten Fassaden. So war der Turm für Marie immer so etwas wie ein Orientierungspunkt, wenn umherirrende Urlauber auf der Suche nach einer Hotel- oder Restaurantadresse nach dem Weg fragten. Mal antwortete Marie mit hinter, mal mit vor dem Turm. Der eigenen Logik folgend lag ihr Ziel hinter dem Turm - die Vinothek von Herbert Gasser, einem alten Freund ihrer Eltern und mittlerweile auch ihrer. Wann immer Marie in der Nähe war, schaute sie kurz bei ihm vorbei. Diesmal sogar geplant, sie hatte sich dort verabredet.
»Hoi, Herbert«, begrüßte sie den Wirt, der ihr ein freundliches Lächeln zuwarf, obwohl sie erst einen halben Schritt über die Türschwelle getan hatte. »Ich weiß, Macchiato mit Haferzeugschaum.«
»Normale Milch, bitte«, schnitt sie ihm die drohende Tirade über den Unsinn von milchähnlichen Produkten aus Pflanzen in köstlichen Kaffeespezialitäten ab.
Herbert hielt inne und zog die linke Augenbraue hoch. Das hatte er sich erst vor Kurzem angewöhnt, aber bestens perfektioniert. »Geht es dir gut?«
»Klaro.« Sie sah sich um. »Ist unser Reporterfreund noch gar nicht da?«
Gemeint war Tom Bauer. Früher mal eine große Nummer im Journalismus in Deutschland. Ein Star war er gewesen, nun aber war er im vorzeitigen Ruhestand und den verbrachte er in Sterzing. Der Wirt wies in eine Ecke im hinteren Teil des Gastraums. Da saß Bauer, halb versteckt hinter einer Zeitung. Die langen Beine ausgestreckt unter dem kleinen runden Tisch. Er sah aus wie immer - in seinem blauen Hemd, der verwaschenen Jeans und den nicht mehr so schwarzen Chelsea-Boots. Neu war die Lesebrille. Die ergrauten Haare etwas zu lang, fand Marie.
»Alto Adige«, begrüßte ihn Marie, während sie sich auf den Stuhl gegenüber fallen ließ. Geräuschvoller, als es andere Menschen taten. Sie tippte gegen die Zeitung. »Verfeinerst du jetzt dein Italienisch?«
Bauer sah überrascht auf. »Nein, aber die deutsche Zeitung ist eben auf dem Tresen Opfer eines Cappuccinos geworden, den eine Holländerin verschüttet hat.« Er nickte zum ersten Tisch am Eingang, den er als seinen Stammplatz betrachtete. Dort saß ein Paar mit einem pummeligen Kind. »Also schau ich mir die Bilder an und versuche, etwas Text dazuzudichten.« Er faltete die Zeitung umständlich zusammen. »Du hast neuerdings eine Haferintoleranz?« Er tippte Maries Macchiatoglas mit dem Zeigefinger an.
»Und du hattest einen Clown zum Frühstück?« Marie grinste.
»Man muss nicht immer alles so eng sehen. Außerdem schmeckt's mit Milch besser.« Sie pochte kurz auf die Titelseite der Zeitung. »Wie kann man bloß jeden Tag so viele Zeilen über die Landespolitik schreiben? SVP hier, Landeshauptmann da, Südtiroler Freiheit dort, Team K, blablabla. Wie hast du das früher nur ausgehalten?«
»Jetzt klingst du nicht wie eine Journalistin.«
»Storys, die Menschen wollen Storys.« Das war Maries Maxime, auch wenn sie zu ihrem Leidwesen die meiste Zeit der Arbeitswoche für die Online-Ausgabe des »Boten« mit überschaubaren PR-Artikeln zubrachte, die weniger Storys enthielten als Tramezzini Nährstoffe. Ab und zu aber war auch ihr schon eine Story geglückt. Sogar ins Fernsehen hatte sie es geschafft. Zusammen mit Tom war sie im Frühjahr in eine riesen Geschichte praktisch hineingezogen worden. »Vielleicht sollte ich ins Politikressort wechseln, dann bin ich wenigstens meine Händeschütteltermine los.« Sie klopfte mit dem Fingerknöchel weiter auf der Zeitung herum. Dabei machte sie ein wenig wertschätzendes Geräusch.
»Ach, Marie.« Tom atmete hörbar aus. »Hattest doch schon deine Story für dieses Jahr, deine Bombenjahre, die nächste kommt bestimmt.«
Marie nickte. »Ich wollte nur ein bisschen rumjammern.«
Diese Story, die Tom Bauer meinte, war eine ganz große gewesen. Zu groß. Denn erst nach und nach waren ihr die Gefahren bewusst geworden, in denen sie damals geschwebt hatte. Nicht nur sie, auch ihre Freunde. Vor lauter Arbeit, angestachelt von der ganzen Dynamik, hatte sie das lange nicht wahrhaben wollen. Alles hatte harmlos angefangen. Marie hatte ein Buch schreiben wollen über die Helfer und Helfershelfer während der Bombenjahre, als Freiheitskämpfer in den 1960er-Jahren in Südtirol Anschläge verübt hatten. Tom hatte ihr bei der Recherche geholfen. Aber auf einmal steckten sie in einem Verwirrspiel fest, das sogar tödlich hätte enden können.
»Krakeelen wolltest du, nicht bloß rumjammern«, korrigierte Tom. »Du solltest endlich das Buch über die Bombenjahre schreiben.«
Was Bauer nicht wusste: Marie hatte ihren Traum vom eigenen Buch beerdigt. Zumindest vorerst. Dafür hätte sie zwangsläufig ihren Job aufgeben oder zumindest hintanstellen müssen, was sie sich finanziell nicht lange hätte leisten können. Schnell wechselte sie das Thema. Eine ihrer leichtesten Übungen.
»Wo ist eigentlich Luna?« Sie hatte sich gebückt, um die Beagle-Hündin zu streicheln. Aber die war diesmal nicht da.
»Irgendwie geht es ihr nicht gut. Weiß nicht. Vielleicht fahre ich mal mit ihr zum Tierarzt nach München.«
»München? Warum? Du bist Sterzinger! Geh hier zum Tierarzt. Schlimm genug, dass immer mehr nach Innsbruck fahren, um einzukaufen. Hier spielt die Musik.«
Tom hob entschuldigend beide Hände. So lokalpatriotische Aussagen war er nicht gewohnt aus Maries Mund. Hatten sie sich echt so lange nicht gesehen? Sechs Wochen vielleicht. In der Zeit konnte man sich doch nicht so ändern. »Alles okay mit dir?«
Marie sah in fragend an.
»Milchschaum, Lokalpatriotismus.« Sein Blick wanderte auf seine altmodische Armbanduhr und zurück zu ihr. »Pünktlich warst du auch. Außerdem mal keine Löcher in der Jeans.«
»Haha, deine ist nicht mehr weit von Löchern entfernt.«
Tom strich automatisch mit der rechten Hand über ein Hosenbein. Der Stoff fühlte sich wirklich nicht mehr so dick an.
Marie beobachtete das mit einem Schmunzeln. »Ich bin wie immer. Ein bisschen ruhiger vielleicht. Sagen wir, älter und reifer.«
Beide lachten. Bevor sie sich trennten, schrieb Marie auf einen Notizzettel die Adresse einer Tierärztin in Sterzing. Tom versprach, gleich nachher vorbeizugehen. Wie immer, wenn sich Marie mit ihm auf einen Caffè verabredete, wusste er später nicht mehr, warum überhaupt.
Maries Pünktlichkeitsoffensive war schon wenige Stunden später wieder ins Wanken geraten, weil sie auf der Rückfahrt nach Brixen auf der Staatsstraße hinter mehreren Traktoren wertvolle Zeit verlor. In den Wein- und Obstgärten lief die Ernte auf Hochtouren, was für Autofahrer auch mal Bummeltempo bedeutete. Also kam sie mit leichter Verspätung zur Redaktionskonferenz. Ihr Chef, Nicolaus Bernreuther, war gerade dabei, eine junge Frau vorzustellen, die Marie nie zuvor gesehen hatte.
». hat in Innsbruck studiert.« Er sah die junge Frau lächelnd an.
»Seid nett zu ihr.« Er sah auffällig in Maries Richtung.
»Wer ist das und warum glotzt der Alte jetzt mich an?«, flüsterte Marie ihrem Freund und Kollegen Jakob Brenner zu.
»Sag ich dir gleich.« Jakobs Antwort war so kurz und so leise, dass Marie sie fast nicht verstehen konnte. ». überleg mal.« Das Gemurmel dazwischen konnte Marie nicht verstehen.
Typisch Jakob. In der Schule hat er wahrscheinlich auch nie im Unterricht gestört, dachte sie.
Marie blieb nichts anderes übrig, als den Kollegen zuzuhören, die der Reihe nach aus ihren Ressorts berichteten. Die langweilige Montagsroutine in der Redaktion. Marie war schon gespannt, welche Aufträge für sie abfallen würden. Bis es so weit war, beschäftigte sie sich mit ihrem Smartphone. Kurz sah sie auf, weil Jakob berichtete, dass er aktuell an Infografiken zum Thema »Wölfe in Südtirol« bastelte. Ein Dauerthema. Tierschützer contra Bauern, Wölfe contra Weidevieh und Touristiker contra Negativschlagzeilen, die die Urlauber vertreiben könnten. Vor einigen Monaten hatte es das...
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