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»Es waren einmal die Gelben Kaiser in China .« - so könnte ein Märchen beginnen. Diese »Erhabenen« nämlich sollen die chinesische Kultur begründet haben, etwa ab 2800 vor unserer Zeitrechnung. Das besagen zumindest die Schriften der Bambuschronik aus dem 3. vorchristlichen Jahrhundert, die als eines der wichtigsten erhaltenen historischen Werke des chinesischen Altertums gelten.
Was haben diese alten Legenden mit Ingwer zu tun? Zum einen sind sie möglicherweise der Grund dafür, dass wir Europäer den Ingwer nach China verorten, obwohl man mittlerweile weiß, dass die Pflanze ursprünglich eher aus dem mittel- und südostasiatischen Raum stammt. Hinterindien, also die Indochinesische und Malaiische Halbinsel, ist wohl der wahrscheinlichste Ursprungsort - genauer kann man es nicht sagen, weil Ingwer in seiner Wildform nicht mehr vorkommt, aber überall angebaut wurde und wird, wo es tropischen Dschungel mit feuchtwarmem Klima gibt.
Zum anderen sind die alten chinesischen Legenden wichtig, weil sie Hinweise darauf liefern, welch wichtige Rolle Ingwer bereits in diesen antiken Zeiten spielte. So soll der erste der drei »Erhabenen«, der Gelbe Kaiser Shennong, die Chinesen nicht nur die Landwirtschaft gelehrt, sondern seinem Volk außerdem den Nutzen und Gebrauch von Heilkräutern nahegebracht haben. In den oben erwähnten Bambusannalen, wie die Chronik auch genannt wird, ist festgehalten, dass dabei Ingwer als pflanzliches Arzneimittel eine wichtige Rolle spielte.
Im 16. Jahrhundert stellte der Arzt und Gelehrte Li Shizhen (1518 - 1593) über den Zeitraum von dreißig Jahren das umfassende Werk Bencao Gangmu (»Das Buch der heilenden Kräuter«) zusammen, in dem die damals bekannten Medikamente aufgeführt sind, vor allem jedoch, gegen welche Krankheiten sie helfen und in welcher Dosierung sie anzuwenden sind. Knapp 1900 Substanzen sind in seinem Kompendium erwähnt, etwa 11 000 Rezepte hat der Autor gesammelt. Man weiß heute, dass China zwar als Seefahrernation in Asien eine wichtige Rolle innehatte, dass jedoch Reise- und Seekrankheit weitverbreitet waren. Das beste Heilmittel dagegen war - Ingwer, der im Chinesischen sheng chiang genannt wird. Das wusste auch Kung Fu Tse (Konfuzius, 551 - 479 v. Chr.), der ein Jahrtausend vor Li Shizhen lebte. Ein chinesisches Sprichwort sagt: »Ein scharfes Essen stillt dreifachen Hunger« - und danach hat der große chinesische Philosoph offenbar gelebt. Denn in den Gesprächen des Konfuzius, die, wie damals üblich, von seinen Schülern aufgezeichnet wurden, steht ausdrücklich: »Er hatte stets Ingwer beim Essen.«
In der TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) gilt Ingwer als »warm« - und hilft somit, Yin und Yang, also die ausgewogene Balance zwischen »kalter« und »heißer« Energie, perfekt auszugleichen und zudem alle Erkrankungen zu heilen, die mit Kälte zu tun haben: Husten ebenso wie Erkältungen, aber auch Rheuma. Bestimmte Arzneimischungen mit Ingwer gehen bis auf die Ming-Dynastie (1368 - 1644) zurück und wurden gegen Magengeschwüre, Angina Pectoris und Rückenschmerzen verordnet.
Das heiligste Wissen im Hinduismus, die Veden, wurde ursprünglich nur mündlich weitergegeben, in der altindischen Sprache Sanskrit. Die Veden entstanden zwar vor etwa 4000 Jahren, wurden aber wohl erst 500 n. Chr. zum ersten Mal niedergeschrieben. Die traditionelle indische Heilkunst Ayurveda (»Wissen vom Leben«) entstand etwa in derselben Zeitspanne wie die chinesische Medizin, und auch hier spielt Ingwer eine entscheidende Rolle - als »göttliches Feuer«. Die Knolle gilt als »anregend« und zwar für die Verdauung und die körperliche Entgiftung. Ingwer sorgt dafür, dass schädliche Stoffe aus unserem Organismus ausgeschieden werden. Er wirkt entzündungshemmend, verhindert Blutgerinnsel und lindert Arthritis.
Je nach Darreichungsform (ob als frische Wurzel oder getrocknet) setzt man ihn unterschiedlich ein. In sehr vielen Ayurveda-Rezepten ist Ingwer enthalten, weil er nicht nur bestimmte Beschwerden mildert und Krankheiten heilt, sondern auch dafür sorgt, dass das Zusammenspiel mit anderen Heilmitteln besser funktioniert.
Diverse Gewürzmischungen - die bekannteste ist Curry in allen Varianten - enthalten Ingwer. Etliche andere Mischungen sind in der Heilkunst wichtig: etwa die »Drei Gewürze« aus Ingwer, schwarzem Pfeffer und Stangenpfeffer, die man entweder einnimmt oder übers Essen streut. Die anregende Mischung begleitet die Einnahme anderer Arzneien und verstärkt deren Wirkung. In der Ayurveda-Heilkunde achtet man darauf, nicht nur den Körper zu behandeln, sondern gleichzeitig Geist und Seele. Gewürzmischungen mit Ingwer wirken beispielsweise nicht nur bei einer schwachen Verdauung, sondern ebenso bei »Stauungen des Gemüts«.
Woher stammt das Wort »Ingwer«?
Das indische Wort çringa-wêra - so schreiben es die Gebrüder Grimm in ihrem Deutschen Wörterbuch - bedeutet so viel wie »horngestaltet« und soll auf die Form der Wurzel hinweisen. Im Lauf der Zeit, als der Ingwer nach und nach über Arabien nach Europa kam, entwickelte sich die lateinisch-botanische Bezeichnung Zingiber und daraus letztendlich unser deutsches »Ingwer«. In anderen Sprachen klingt es ähnlich: Im angelsächsischen Sprachraum sagt man ginger, in Frankreich gingembre, in Italien zenzero, in den Niederlanden gember, in Rumänien ghimbir, in Spanien jengibre, in Polen imbir und in Schweden ingefära - in allen Sprachen lässt sich leicht die sprachliche Verwandtschaft mit dem ursprünglich lateinischen Zingiber erkennen.
Alexander der Große (356 - 323 v. Chr.) hat Ingwer - ebenso wie andere wertvolle Gewürze - nach Europa gebracht. Damit war Ingwer eines der ersten asiatischen Gewürze, das den Weg zu uns fand. Wie wertvoll zum Beispiel Pfeffer zu jener Zeit war, kann man daran erkennen, dass Alexander seine gewaltigen Heerzüge unter anderem über den Pfefferhandel finanzierte. Auf seinem Weg durch Ägypten lernte er jedoch auch Ingwer kennen und schätzen.
Den Soldaten des mazedonischen Königs ist es zu verdanken, dass Ingwer in der griechischen Küche heimisch wurde und die Ärzte seine Heilkräfte erkannten. Sie teilten ihr Wissen mit den Heilkundigen des Römischen Reichs. Im 1. Jahrhundert war Ingwer rund um das Mittelmeer, jedenfalls in der zivilisierten Welt, weitgehend bekannt. Die Römer brachten ihn bis Britannien, also hoch in den Norden des damals bekannten Europas.
Auch nach dem Niedergang des Römischen Reichs geriet er nicht in Vergessenheit: weder in England, das bis heute eine ganz besondere Beziehung zu Ingwer hat, noch bei den reichen Kaufleuten der mächtigen Stadt Venedig, die bei dem Handel mit Gewürzen über Jahrhunderte in Europa ein einzigartiges Monopol innehatten. Die Venezianer sorgten dafür, dass Ingwer mit den Heimkehrern der Kreuzzüge ab dem 11. Jahrhundert nicht ausschließlich als Heilmittel, sondern als wertvolle Gewürzbeigabe zu allen möglichen Speisen in Mittel- und Nordeuropa geschätzt wurde. Selbst wenn sich die einfache Bevölkerung Ingwer als Gewürz nicht leisten konnte - als Zutat zu manch heilender Arznei war er immer geschätzt.
Gewürze waren kostbar: Man konnte sie nicht - wie wir heute - einfach im Supermarkt kaufen. Der hohe Preis ergab sich durch die langen und schwierigen Transportwege: Aus dem Orient, dem fernen Ostasien und später Südamerika wurden Pfeffer und Nelken, Zimt und Ingwer, Muskatnuss und Safran von Karawanen und mit Schiffen nach Europa gebracht. So verwundert es nicht, dass es durchaus üblich war, so manches Gewürz - wie etwa Pfeffer oder Nelken - in Gold aufzuwiegen: Einst galt ein Mädchen als gute, ja, hervorragende Partie, wenn es als Mitgift beispielsweise mit einem Sack Gewürznelken oder Pfefferkörner aufwarten konnte. Im England des 13. und 14. Jahrhunderts entsprach der Wert eines Pfunds Ingwer dem eines Schafs.
Die Geschichte des Gewürzhandels von China und Indien in unsere Gefilde liest sich wie ein Abenteuerroman. Man kann sie gut 5000 Jahre zurückverfolgen. Blut und Tränen, Kriege und Kämpfe waren bis ins letzte Jahrhundert hinein an der Tagesordnung, wenn es darum ging, Handelswege zu finden und zu halten, auf denen all die feinen Aromen und Spezereien aus aller Herren Länder transportiert wurden. Gewürze waren nämlich nicht nur für die Verfeinerung von Speisen wichtig. Sie bedeuteten Macht und Einfluss, verliehen Reichtum und galten als Kostbarkeiten. Ob Pfeffer oder Muskatblüte, Zimt oder Nelken, Ingwer oder Safran: Der Gewürzhandel sorgte von der Antike bis in unsere Zeit hinein für den Reichtum ganzer Länder:
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