Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Ich hatte fast vergessen, wie es sich anfühlt zu leben. Aber hier mit ihm begann ich mich langsam wieder daran zu erinnern.
Nach dem Tod ihres Vaters hält Jade nichts mehr in London. Sie nimmt einen Job als Englischlehrerin an einer Grundschule in Seoul an, um ihr altes Leben hinter sich zu lassen und sich das erste Mal seit langer Zeit wieder ihren eigenen Träumen zu widmen. Jade schwört sich, ihr Glück nie mehr von jemand anderem abhängig zu machen. Doch dieser Plan gerät gehörig ins Wanken, als sie gleich an einem der ersten Tage in Südkorea den attraktiven Hyun-Joon kennenlernt ...
"Die Geschichte von Jade und Hyun-Joon ist ein einzigartiges Kunstwerk. Es geht um die Grautöne, aber auch um die bunten Farben des Lebens. Darum, neue Hoffnung zu schöpfen, sich Hals über Kopf zu verlieben und zu entdecken, wie schön und vielfältig das Glück sein kann." MARIESLITERATUR
Band 1 des SEOUL-DUETTS von Kara Atkin
»Könntest du bitte mal kurz aufhören, so hektisch hin und her zu rennen und dich mit mir hinsetzen?«
»Dafür hab ich keine Zeit.« Ich würdigte meinen besten Freund keines Blickes, als ich aus dem Bad eilte, und steuerte zielstrebig auf einen der großen Müllbeutel zu, die überall in der kleinen Zweizimmerwohnung herumlagen, in der es nach Tapetenlöser und Desinfektionsmittel roch. »Mein Flieger geht heute Abend, und bis dahin muss die Wohnung leer sein.«
Ich hörte Chris' Schritte hinter mir, während er mir durch die enge Schneise folgte, die ich zwischen den alten Anziehsachen meines Vaters, der Kiste mit Aktenordnern voller Krankenhausberichte und einem Sack mit Mahnungen, Rechnungen und leeren Pillenpackungen freigeräumt hatte. »Ich weiß, aber die Beerdigung ist noch keine -«
»Chris, entweder du hältst den Mund und packst mit an, oder du hörst auf, mir im Weg zu stehen und verschwindest.« Schwungvoll pfefferte ich das schwarze Etuikleid, das ich in meinem Leben nie wieder ansehen, geschweige denn berühren wollte, in den Müllbeutel mit den fleckigen Laken. Ich fröstelte, selbst mein übergroßer, dicker Pullover konnte nicht wirklich was gegen diese betäubende Kälte des Londoner Februars ausrichten, die von jeder Faser meines Körpers Besitz ergriffen hatte. »Deine Entscheidung.«
Unbeholfen wechselte der junge Mann, den ich schon mein Leben lang kannte, von einem Fuß auf den anderen. Sein Blick huschte durch das Apartment, das ich die letzten paar Tage schon auf links gedreht hatte. Nichts erinnerte mehr an den Ort unserer gemeinsam verbrachten Kindheit. »Ich will doch nur helfen.«
»Es hilft mir aber nicht, über meinen toten Vater zu reden, Christopher.« Ich band mein langes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und zog ihn so fest, dass meine Kopfhaut spannte. »Es ändert nämlich nichts an der Tatsache, dass er jetzt in einer Holzkiste zwei Meter unter der Erde liegt, bald von Maden zerfressen sein wird und mit Mitte vierzig meinen Großeltern Gesellschaft leistet, anstatt jemals seine eigenen Enkelkinder kennenzulernen.« Ich stemmte die Hände in die Hüften, nicht in der Lage, auch nur eine weitere Träne zu vergießen, deren Quelle bis vor Kurzem noch so unerschöpflich wie die Themse gewesen war. Aber seit dem Tod meines Vaters waren sie versiegt, so als hätte mein Köper beschlossen, dass es nun reiche und meine Tanks endgültig leer waren. »Was mir allerdings sehr wohl helfen würde, wäre, wenn du mit mir das Sofa nach unten tragen könntest, damit die Müllabfuhr morgen den ganzen Plunder abholen kann. Ich kann es ja schlecht in meinen Koffer packen und nach Seoul mitnehmen, oder?«
»Jay-Jay«, begann Chris eindringlich und legte mir die Hand auf die Schulter, die ich entschlossen abschüttelte und stattdessen steif zum Sofa stakste, auf dem ich die letzten vier Jahre genächtigt hatte. »Irgendwann wirst du dich mit deiner Trauer auseinandersetzen müssen.«
»Irgendwann. Aber nicht jetzt.« Ich starrte auf das durchgesessene braune Leder mit seinen unzähligen Rissen und schluckte schwer, ehe ich in die Hocke ging. »Und jetzt hilf mir bitte, das Ding unten an die Straße zu stellen.«
»Weißt du«, Chris zerrte sich das schwarze Sakko von den Schultern und warf es achtlos in eine Ecke, löste dann seine Krawatte und ging auf der anderen Seite des Sofas in die Knie, »ich hab dir nicht von diesem Job erzählt, damit du vor dir selbst davonlaufen kannst.«
»Und ich hab nicht die letzten vier Jahre meines Lebens meinen kranken Vater gepflegt, nur damit er dann doch stirbt.« Ich ächzte, als wir gleichzeitig das Sofa anhoben, auf dem ich so oft wach gelegen und auf ein Wunder gehofft hatte. Gemeinsam manövrierten wir es durch die schmale Wohnungstür und trugen es die vier Stockwerke hinunter, bevor wir es zu den anderen Sachen an die Straße stellten.
»Manchmal kriegen wir halt nicht das, was wir uns wünschen«, stieß ich vollkommen außer Puste hervor.
»Sieht ganz so aus«, sagte Chris und wischte sich die Hände an der Anzughose ab. Seine Miene war verschlossen, als er mit der Hand über das edle Holz der Standuhr fuhr, die nach dem Tod meines Großvaters der ganze Stolz meines Dads gewesen war. »Ich würde mir nämlich wünschen, dass du hierbleibst.«
Ich wandte mich ab und ging schnell zurück ins Haus, um der Sonne zu entkommen, die auf dem Friedhof schon mit ihrem sanften, goldenen Licht dafür gesorgt hatte, dass sich mir der Magen umdrehte. »Du meintest doch, es wäre eine gute Idee.«
»Ich weiß.« Ich musste nicht über die Schulter sehen, um zu wissen, dass mein bester Freund mir folgte. Er hatte mich noch nie im Stich gelassen. Kein einziges Mal. »Aber ich hätte nicht damit gerechnet, dass du das wirklich durchziehst.«
»Du weißt, dass ich mit meinem Bachelor hier keinen Job bekomme, und ich kann es mir nicht leisten, einen Master zu machen.«
Wieder in der Wohnung griff ich mir den nächsten Müllbeutel, der in der gespenstischen Stille leise knisterte, und begann, die Anziehsachen meines Vaters hineinzustopfen, ohne der Sentimentalität in meiner Brust auch nur einen Millimeter Raum zu geben. Das meiste davon hatte er eh nicht mehr getragen, weil er von der Chemo so abgemagert gewesen war, dass ihm nichts mehr gepasst hatte. Die wenigen Sachen, die ich behalten wollte, wie zum Beispiel seinen marineblauen Lieblingsfleecepulli, hatte ich längst in meinen Koffer gepackt, der abflugbereit direkt neben der Wohnungstür auf mich wartete. »Und ich brauche das Geld. Dringend. Die Beerdigung war schweineteuer, und die Schulden fressen mich langsam auf.« Der Kredit für mein Studium, die Behandlungskosten für meinen Dad, die Medikamente und die Miete hatten mein Konto weit ins Minus getrieben. Ich konnte von Glück reden, dass die Bank sich darauf eingelassen hatte, dass ich meine Schulden, von denen ich auch einen beträchtlichen Batzen geerbt hatte, nach und nach abstotterte. Der Verkauf der Wohnung hatte da durchaus geholfen, ebenso wie der glückliche Zufall, dass mein Sachbearbeiter ausgerechnet ein ehemaliger Stammkunde von meinem Dad war, dem er mehr als einmal für kleines Geld seinen geliebten Jaguar repariert hatte. »Als Lehrerin in Seoul bekomme ich eine Wohnung von der Schule gestellt, und dann zahlen sie mir auch noch ein solides Gehalt. Davon kann ich zwar keine Luftsprünge machen, aber es reicht zum Leben und um den ganzen Kram abzubezahlen.«
»Was wäre denn, wenn du vielleicht nach -«
»Chris, von dieser Frau hat seit meiner Geburt niemand mehr was gehört. Sie wird nicht plötzlich wie die gute Fee in einem Disneyfilm auftauchen und sich für Dad oder mich interessieren, wenn sie sich die letzten dreiundzwanzig Jahre meines Lebens keinen Deut um uns geschert hat.«
»Okay, okay.« Er hob abwehrend die Hände und zog die dürren Schultern hoch. »Ich hab nur gehört, dass sie angeblich einen stinkreichen Typen geheiratet haben soll.«
»Das ist nur Hörensagen. Niemand weiß, wo sie ist.« Ich knirschte mit den Zähnen, als ich an die wilden Gerüchte dachte, die über den Verbleib meiner Mutter kursierten. Die Waschweiber im East End hatten halt nichts Besseres zu tun, als ihre Köpfe zusammenzustecken und über das Leben eines alleinerziehenden Vaters zu mutmaßen, der nie geheiratet hatte. Ich drückte Chris einen Müllbeutel in die Hand und deutete nachlässig auf den Stapel mit Dads alten Oldtimermagazinen, die ich ihm zum Schluss hatte vorlesen müssen, weil er zu schwach gewesen war, sie selbst zu halten. »Vergiss es einfach, okay?«
»In Ordnung.« Er schnalzte leise mit der Zunge, aber welchen Kommentar er auch immer hatte ablassen wollen, er schluckte ihn hinunter. »Weißt du schon, wie du heute Abend zum Flughafen kommst?«
»Mit der U-Bahn. Ich hab ja nicht so viel Zeug dabei. Die drei Kartons mit sperrigen Sachen hab ich gestern schon zur Post gebracht, damit sie verschifft werden.« Ich hatte zwar noch keine Ahnung, wo ich letztendlich landen würde, aber ich hatte Chris nicht aufbürden wollen, sich um meinen Kram zu kümmern. Also hatte ich bei der Organisation angerufen und ihnen meine Situation geschildert, was sie mit der üblichen Mischung aus Mitleid und Bedauern aufgenommen hatten, die mich schon seit Dads Diagnose verfolgte. Aber immerhin hatten sie mir erlaubt, meine Habseligkeiten an ihr Büro in Seoul zu senden - mit dem Versprechen, mir alles zuzuschicken, sobald die drei Kisten angekommen waren.
Missbilligend verzog Chris das Gesicht, und als sich seine Nase kräuselte, verstand ich sogar ein wenig, warum die meisten uns für Geschwister hielten, obwohl wir uns mit Ausnahme der blonden Haare, der blauen Augen und der eher zarten Nase kein bisschen ähnlich sahen.
Christoper war hochgewachsen und dürr, der Kampf mit der Waage ein ständiger Begleiter, obwohl er versuchte, zuzulegen, damit sein ovales Gesicht weniger eingefallen wirkte, während sein weißblondes Haar in Kombination mit seinem papierartigen Teint dazu führte, dass die Leute sich regelmäßig nach seiner Gesundheit erkundigten.
Ich hingegen schaffte es nicht über die Durchschnittsgröße britischer Frauen hinweg, und mein Haar war meist ein einziges Chaos aus dicken honigblonden Strähnen, die ich lieber geflochten als offen trug. Auch wenn meine Haut zwar ein paar Nuancen dunkler war als die von Christopher, hatte ich ab Mai immer mit der Sonne und damit auch mit Sommersprossen zu kämpfen, die meine Nase und meine Wangen überzogen und mir für ein paar Monate stets Probleme bei der Ausweiskontrolle einbrachten.
»Das dauert dann doch ewig, bis die da...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.