Schweitzer Fachinformationen
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Einige Tage lang sprach ich mit niemandem. Ich sah Karen zweimal vorbeifahren, einmal aus dem Küchenfenster und einmal, als ich nachmittags aus dem Schlafzimmerfenster schaute. Sie blickte nicht zum Cottage herüber. Sie sah ausdruckslos geradeaus, auf den Weg konzentriert, ihre schlanken Finger hielten das Lenkrad umfasst. Ich bin nicht sicher, ob sie wusste, dass das Cottage bewohnt war. Ich hätte es ihr nachgesehen, falls sie dachte, sein dunkles Inneres sei verlassen.
Eines Tages kam ein großer Umzugswagen angefahren und strich an den Ästen der Bäume vorbei, aber danach ließ sich niemand mehr blicken. Ich folgte meiner Routine in dem stillen Cottage; ich arbeitete, ich aß, ich schlief, doch immer nur kurz.
Am Montag darauf musste ich mich auf der Arbeit blicken lassen. Ich konnte es nicht länger hinauszögern. Die Fahrt an sich machte mir nichts aus, selbst bei schlechtem Wetter nicht. Ich musste acht Meilen mit dem Fahrrad bis zur nächsten Bahnstation nach Looe fahren; dort schloss ich das Rad an und fuhr mit dem Zug eine Stunde nach Plymouth. Ich mochte den Zug - gleichförmig und sicher folgte er seinem Gleis. Ich betrachtete die vorbeiziehende Landschaft. Es wäre eine angenehme Fahrt gewesen, wenn mir nicht so davor gegraut hätte, in die Firma zu müssen.
Als der Zug in Plymouth ankam, regnete es. Ich war bereits verschwitzt und nass vom Radfahren, und so legte ich die halbe Meile bis zum Büro, das sich in einem der neuen Backsteinklötze des Gewerbegebiets befand, im Laufschritt zurück.
Die Eingangstüren glitten bereitwillig auseinander, um mich aus dem Regen hereinzulassen. Im Eingangsbereich hielt ich inne und nahm meinen Rucksack ab, um meinen Firmenausweis herauszuholen. Ich sah, wie die Empfangsdame mich ansah, mich musterte, mich bemitleidete.
»Oje, regnet es? Wie scheußlich«, sagte sie, während sie über den Tresen spähte und die Brauen hob. In ihrer Stimme schwang höfliche Anteilnahme mit.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich sah zu ihr auf, verzog meine Lippen zu einem bemühten Lächeln und kramte weiter in meinem Rucksack.
»Suchen Sie Ihren Firmenausweis? Ist schon gut. Ich weiß, wer Sie sind. Gehen Sie einfach durch«, sagte sie und legte den Kopf schief. Sie lächelte; sie schien mit sich zufrieden, weil sie etwas für die arme Frau hatte tun können.
Ich nickte, um mich dankbar zu zeigen, und ging an der Rezeption vorbei in das Hauptbüro. Ruhig trat ich durch die Doppeltüren und ging den Mittelgang des Großraumbüros entlang. Ich zog den Kopf ein und hoffte, niemand würde Notiz von mir nehmen.
Mein Schreibtisch war lag am fernen Ende des grauen Areals, das durch blaue Raumteiler untergliedert war. Nur Peter, einer der anderen Programmierer, war an diesem Tag da. Er hatte den Mund voll Schokoladenkeks, als ich meinen Rucksack auf dem Schreibtisch neben ihm absetzte. Er blickte auf, hob die Hand zur Begrüßung und lächelte, Schokolade und dunkle Krümel zwischen den Zähnen.
»Morgen«, sagte ich. Ich mochte Peter. Er erwähnte den Unfall nie. Er hatte mich nie mit dieser unerträglichen Mitleidsmiene angeschaut. Er kaufte mir einfach Kekse, wenn er fand, ich sähe aus, als bräuchte ich sie.
»Deborah hat gefragt, ob du heute kämst«, sagte er beinahe entschuldigend.
Ich sah ihn an und nickte. Ich hatte gehofft, dass die neue Abteilungsleiterin an diesem Tag außer Haus wäre, irgendwo unterwegs. Ich hob den Blick über die Raumteiler und hielt nach Deborahs langem gebleichtem Haar Ausschau. Sie war am entgegengesetzten Ende des Büros und unterhielt sich angeregt mit dem Leiter der Produktentwicklung. Sie stand zu nahe bei ihm. Sie warf ihr Haar zurück, legte den Kopf schräg und blickte ihn mit Schlafzimmeraugen an.
Ich glaube, ich habe mich sichtlich geschüttelt.
»Möchtest du die Vier-Augen-Kontrolle gleich machen, damit das erledigt ist und du wieder gehen kannst?«, bot Peter an.
»Wenn es dir recht ist«, sagte ich erleichtert.
Ich packte meine Sachen aus und setzte mich hin, um die Qualitätskontrolle vorzubereiten, die meine Arbeit durchlaufen musste. Ich öffnete die Webseite auf dem großen Bildschirm auf meinem Schreibtisch und zum Vergleich auf dem Bildschirm daneben die neue Programmierung. Peter rollte seinen Stuhl neben meinen und überflog den neuen Code.
»Meine beiden liebsten Developer!«
Beim Klang von Deborahs Stimme hinter uns zuckte Peter zusammen. Ich hörte, wie das Klacken ihrer Absätze näher kam; ich rollte ein Stück von meinem Schreibtisch zurück und drehte mich um. Sie blieb stehen, fasste Peter bei den Schultern und beugte sich vor. »Hey, Leute. Wie geht's voran?«
Sie drückte ihren Schenkel einen Augenblick gegen Peter, während sie ihre Finger in seine Schultern grub. Peter wurde rot.
»Lucy, schön, dich zur Abwechslung mal im Büro zu sehen.«
Sie ließ mir keine Gelegenheit zu antworten.
»Hast du schon das neue Admin-Tool gesehen, das Peter fertiggestellt hat?«, fuhr sie fort. »Einfach brillant. Du hast nur halb so lange gebraucht, wie du gedacht hast, Peter, stimmt's?« Deborah lächelte auf ihn herab. Er murmelte etwas, während seine Miene einige Gefühlsregungen durchlief.
»Ich hab's gesehen - ja«, erwiderte ich. »Es ist sehr gut.« Ich schlug die Beine übereinander und versuchte einen entspannten Eindruck zu machen.
»Ich möchte nur noch die eine oder andere Optimierung«, fuhr sie fort und lächelte weiter auf Peter herab. »Ich bin sicher, dass du es schaffst, sie bis Ende der Woche umzusetzen.«
Peter sagte nichts. Er nickte und wurde wieder rot.
»Hat einer der Entwickler das Ausmaß der verbleibenden Arbeit eingeschätzt?« Ich fragte, was Peter hätte fragen sollen.
»Nein, aber ich bin sicher, für Peter ist das nur Kinderkram«, sagte sie, und damit war das Thema erledigt.
Sie schaute auf den großen Bildschirm auf meinem Schreibtisch und runzelte die Stirn. »Ist das das neue Bestellformular?« Jetzt wurde sie geschäftsmäßig. Sie ließ Peter los und zog sich einen Stuhl heran. Peter entschuldigte sich leise, nahm seine Kaffeetasse und verschwand in Richtung Küche.
Ich verschränkte die Arme und sah zu, wie Deborah konzentriert auf den Bildschirm starrte, die Augen flitzten über meine Arbeit.
»Das Logo ist winzig«, sagte sie und wies auf den Bildschirm. Sie drückte den Finger auf das Firmenlogo des Kunden und hinterließ einen verschmierten Fingerabdruck.
Ich zuckte die Achseln. »Ich brauchte den Platz, damit das ganze Formular auf die Seite passt.«
»Wir können doch sicher einige der Felder kleiner machen, um ein bisschen Platz zu gewinnen. Dann kann unser Logo auch etwas größer werden.« Sie zeigte mir lächelnd die Zähne; ihre Augen lächelten nicht.
Ich schüttelte den Kopf. »Die Felder sind so schon arg klein.«
»Unsinn, und guck dir das hier mal an.« Wieder berührte sie den Bildschirm.
Wieder zuckte ich die Achseln. »Ich habe den Kunden gefragt; ich habe darauf hingewiesen, dass der Header auf allen Seiten des Webauftritts gleich sein sollte, aber er hat klar gesagt, dass er es so haben möchte.«
»Ich verstehe mehr davon, Lucy«, sagte Deborah entschieden. »Design ist mein ureigenes Gebiet.«
Ihre Beharrlichkeit irritierte mich. »Aber der Kunde möchte es so haben«, wiederholte ich.
»Ändere die Größe der Logos«, sagte sie laut.
Uns beiden wurde die Stille im übrigen Büro bewusst. Niemand sprach. Das Tappen der Finger auf den Tastaturen war verstummt. Deborah lachte gekünstelt und warf den Kopf in den Nacken.
»Ich werde dir das durchgehen lassen«, sagte sie laut und gab sich gnädig. »Mach von da aus weiter. Bis auf eines ...« Sie hielt inne und rollte auf ihrem Stuhl näher zu mir. Sie legte mir die Hand aufs Knie und beugte sich vor, so dass ihre Brüste sich ein wenig aus der Bluse drückten. »Ich möchte, dass du es hier ein bisschen optimierst«, sagte sie, beugte sich noch näher zu mir und wies auf den Bildschirm.
Ich wandte mich ihr zu und sah sie ungläubig an, den Mund leicht geöffnet. Ich war sprachlos angesichts ihres unangemessenen Verhaltens. Glaubte sie, ich ließe mich von ihrer Anmache so verunsichern wie die männlichen Programmierer? Hatte sie vergessen, dass ich eine Frau war? Ich brachte kein Wort heraus und starrte sie bloß irritiert an.
Sie blinzelte und senkte leicht das Kinn; dann zog sie ihre Hand fort und schob ihren Stuhl zurück. Sie wurde weder rot noch verlor sie ein Wort darüber, was sie getan hatte. »Okay«, meinte sie leise. »Wir lassen es genau so, wie du es gemacht hast.« Und damit stand sie auf und ging.
Ich blickte mich um; ich wollte sehen, wer von den anderen ihr Verhalten mitbekommen hatte, aber niemand schaute zu mir herüber, und die Geräuschkulisse im Hintergrund des Büros hatte wieder eingesetzt.
Ich hatte mein Review mit Peter mittags abgeschlossen und erwischte den Zug am frühen Nachmittag zurück nach Looe. Die Rückfahrt konnte ich besser genießen als die Hinfahrt; ich war entspannt, denn ich wusste, dass ich die nächsten vierzehn Tage niemanden von der Arbeit sehen würde.
Es war noch weit vor Sonnenuntergang, als ich nach Pennance zurückradelte. Gewöhnlich mied ich das Dorf, wenn ich zur Arbeit und zurück fuhr, aber an diesem Tag war ich zu müde, um außen herum zu fahren, und entschied mich für den Weg hügelab durchs Dorf.
Es war komisch, diese Route zu nehmen, obwohl ich sie schon mehrere Male seit dem Unfall gefahren war. Mir war...
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