Schweitzer Fachinformationen
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In der geräumigen Zelle des Klosters, in der sie ihre letzten Jahre verbrachte, war es fast immer etwas stickig - wie im Zimmer einer Großmutter. Das Surren des Sauerstoffgeräts in der Ecke wurde durch den gefliesten Boden verstärkt und war das einzige anhaltende Geräusch in diesem Raum. In den Bücherregalen und auf der Kommode neben ihrem Bett standen Heiligenstatuen, ein überdimensionales Jesuskind, Karten mit religiösen Motiven und Reliquien. Und dort lag in einem Krankenhausbett unter einem verblichenen Gemälde des verwundeten Erlösers, eine weiße Wollmütze auf dem Kopf, die mächtigste und einflussreichste Frau des Katholizismus: die unbeugsame Mutter Angelica.
Noch 2010, als sie bettlägerig und durch einen Schlaganfall geschwächt war, war der Elan der alten Nonne ungebrochen. Als ich eines Nachmittags in Mutter Angelicas Zelle kam, fand ich sie vor - verwickelt in den täglichen Kampf -, wie sie sich gerade das Bettlaken über ihren Mund hochzog.
»Mutter, Sie müssen essen, wenn Sie stark und gesund bleiben wollen«, sagte Schwester Gabriel, die kleine vietnamesische Nonne, mit Nachdruck und streckte einen Löffel Kartoffelbrei in Richtung von Mutter Angelicas Gesicht. Mutter Angelica wollte nichts mehr essen und wandte ihren Blick zur Tür.
»Versucht sie es schon wieder mit Zwangsernährung?«, fragte ich scherzend, als ich eintrat.
Mutter Angelica lächelte breit, neigte ihr Gesicht in Richtung des Löffels von Schwester Gabriel und senkte das Bettlaken. Dann, gerade als das Essen sich ihrem Mund näherte, zog sie das Laken erneut hoch und versperrte dem Kartoffelbrei den Zugang.
»Ach, Mutter«, sagte Schwester Gabriel frustriert. Mutter Angelica amüsierte sich über das Durcheinander und ließ in meine Richtung ein keuchendes Gekicher hören. Sie zwinkerte mir zu und öffnete dann, nachdem sie ihren Spaß gehabt hatte, schnell ihren Mund, um den ersten Happen des Mittagessens aufzunehmen.
»Sie macht es mir immer schwer mit dem Mittagessen. Stimmt's, Mutter Angelica?«, sagte Schwester Gabriel und bot einen zweiten Löffel Kartoffelbrei an. Mutter Angelica schürzte die Lippen und schüttelte langsam den Kopf. Das Mittagessen war beendet.
Das war für mich ein typischer Mutter-Angelica-Moment: Der stählerne Wille, der leicht subversive Humor und die Freude, die Millionen Menschen auf der ganzen Welt lieben gelernt hatten, waren für jeden, der den etwas stickigen Raum betrat, deutlich zu erkennen. Ich war mitschuldig an der Aufführung. Schwester Catherine, die frühere Priorin des Klosters Unserer Lieben Frau von den Engeln, behauptete, dass Mutter Angelica »eine Show abziehen« würde, wenn ich auftauchte. Es war, als ob sie sich an die vergnüglichen Stunden erinnerte, die wir in der Vergangenheit miteinander verbracht hatten, und mir zeigen wollte, dass sie immer noch zu allem bereit war - von wegen behindert!
Meine regelmäßigen Besuche bei Mutter Mary Angelica haben eigentlich nie aufgehört. Die Häufigkeit unserer persönlichen Begegnungen wurde durch ihren Schlaganfall und durch den Umstand, dass sie ihre Zelle nicht mehr verlassen konnte, erschwert, aber sie wurden, wenn auch in ganz anderer Form, bis zu ihrem Tod fortgesetzt.
Mutter Angelica stellte mich 1996 als Nachrichtendirektor bei EWTN ein und sie wurde für mich mit der Zeit viel mehr als nur eine Arbeitgeberin. Ich war einige Jahre lang Co-Moderator ihrer Sendung Mother Angelica Live, und wir hatten oft lange persönliche Gespräche am Ende des Arbeitstages oder nach den Live-Sendungen am Dienstag- und Mittwochabend. Während ich von 1999 bis 2001 an ihrer Biografie arbeitete, begegneten wir uns jeden Samstag im Sprechzimmer ihres Klosters und blickten uns durch das schmiedeeiserne Gitter, das die Welt von der Klausur trennt, an. Während dieser intensiven Gespräche konnte sie explosiv, urkomisch, verschwörerisch und heilig sein - manchmal alles auf einmal. Mit italienischem Temperament erzählte sie, wie ein hartnäckiger Glaube das Leben eines verwundeten Mädchens aus Canton, Ohio, umgestaltete und die Welt veränderte.
In dem glanzlosen Vorort von Birmingham, Alabama, gründete diese gesundheitlich angeschlagene Nonne, die kaum die High School abgeschlossen hatte, 1981 in der Garage ihres Klosters einen Fernsehsender. Zwei Jahrzehnte lang kümmerte sie sich um das inzwischen flügge gewordene Unternehmen, legte sich mit abtrünnigen Bischöfen an, schlug Übernahmeversuche zurück und kämpfte mit ihrer eigenen Gebrechlichkeit, um EWTN zum größten religiösen Medienunternehmen der Welt zu machen. Es war ihre Persönlichkeit - ihre besondere Fähigkeit, eine Verbindung mit den Zuschauern herzustellen und sie in Momenten der Not spirituell zu trösten -, die den Erfolg des Ganzen vorantrieb. Die Menschen konnten ihren Glauben spüren und wurden von ihm erfüllt. Abseits der Kameras war es Mutter Angelicas mystische Vertrautheit mit Schmerz und Leid, die das Wachstum von EWTN beförderte und sie zu einer der beliebtesten spirituellen Persönlichkeiten der Welt machte.
Die steife weiße Kopfbedeckung ihres Habits konnte das ausdrucksstarke Gesicht der Nonne kaum verbergen, als sie während unserer gemeinsamen Zeit von den dramatischen Wendungen in ihrem Leben erzählte. Mit jedem Gespräch vertiefte sich mein Verständnis für sie und unsere Freundschaft. Manchmal fühlte sie sich so wohl, vor allem bei gemeinsamen Mahlzeiten, dass sie ihr Gewicht in dem gepolsterten Ledersessel verlagerte, eine lange, schlanke Hand auf ihr Gesicht legte und sich ganz öffnete. Sie erzählte von Sorgen und Ängsten, von Vertraulichkeiten und Geheimnissen, die nur wenigen ihrer Schwestern vorbehalten waren.
Im Juni 2001 drehte sich unser Gespräch um einige Bischöfe, die ihr in der Vergangenheit Kummer bereitet hatten, Männer, die sich nie wirklich für Mutter Angelicas geistlichen Anspruch oder ihren Stil erwärmen konnten: »Sie schenken mir keine Aufmerksamkeit. Sie warten nur darauf, dass ich sterbe. Aber das werde ich nicht! Haha!« Ihre Augen funkelten schelmisch, ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Dann atmete sie aus, und plötzlich änderte sich die Stimmung.»Ich habe kürzlich mit dem Herrn gesprochen«, vertraute sie mir leise an,»und ich habe gesagt, dass ich hierbleiben möchte, bis das Schlimmste überstanden ist - für die Kirche, für die Gemeinschaft.«
Der Herr ging auf ihren Wunsch ein. Aber ich bezweifle, dass selbst Mutter Angelica die Folgen ihrer Bitte voraussehen konnte.
Später im selben Jahr, an Heiligabend, hätte ein durch eine Hirnblutung ausgelöster Schlaganfall Mutter Angelica beinahe das Leben gekostet. Er beraubte sie der der Sprechfähigkeit, mit der sie ihr Rundfunk- und Fernsehimperium aufgebaut hatte. Im Jahr 2004 schrumpfte ihre Welt durch diese Beeinträchtigung zusammen, indem sie äußerlich auf ein Eckzimmer im Kloster Unserer Lieben Frau von den Engeln beschränkt wurde. Für Außenstehende und sogar für einige ihrer engsten Mitarbeiterinnen sah es so aus, als ob Mutter Angelicas Geschichte zu Ende wäre. Die alte Äbtissin wurde krank, war in ihrem Zimmer abgeschlossen und wartete darauf, dass Gott sie holen würde. Aber es gibt noch viel mehr zu erzählen in dieser Geschichte - einer Geschichte, die der Öffentlichkeit bis jetzt verborgen geblieben ist.
In ihrem mehr als ein Jahrzehnt anhaltenden langen Schweigen würde Mutter Angelica um ihre Seele ringen, für ihre Ordensgemeinschaft kämpfen, die Erfüllung ihrer letzten Mission erleben und das Leben von Menschen, die sie nie gekannt hatte, radikal verändern. Sie würde tatsächlich hierbleiben, bis das Schlimmste vorüber war.
Unsere Gesellschaft neigt dazu, den Wert gebrechlicher und kranker alter Menschen zu ignorieren oder zu schmälern. Ihr Leiden und ihre körperliche Entkräftung erinnern uns an unsere eigene Sterblichkeit und an den letzten Akt, der uns alle erwartet. Doch wie uns das Leben der heiligen Mutter Teresa und des heiligen Papstes Johannes Paul II.lehrt, kann das Ende der wirkmächtigste Teil eines Lebens sein. Es ist eine Zeit der Schwäche und der körperlichen Not, aber es kann auch eine Zeit der geistlichen Vereinigung mit Gott sein. Für diejenigen, die nach Heiligkeit streben, können die »letzten Dinge« übernatürliche Angriffe mit sich bringen - Versuchungen, nach einem Leben des Glaubens zu zweifeln. Mutter Angelica war da keine Ausnahme. Als ich mit den Schwestern sprach, die Mutter Angelica betreuten, erfuhr ich Einzelheiten über ihre letzten Jahre, die sich selbst diejenigen, die dem Kloster am nächsten standen, nicht hatten vorstellen können.
Auf diesen Seiten finden Sie Einzelheiten über Mutter Angelicas geheime Reise in den Fernen Osten im Jahr 2004, eine Reise, die sie teuer zu stehen kommen sollte; aus erster Hand stammende, tiefgehende Enthüllungen über ihre körperlichen Kämpfe und den unerschütterlichen Glauben, der sie aufrechterhielt, selbst während der Umwälzungen in ihrer eigenen religiösen Gemeinschaft; Berichte über die übernatürlichen Phänomene, die sie in ihren letzten Tagen umgaben, und über den geistlichen Kampf, den sie in ihrer Zelle führte, sowie sehr persönliche Geschichten aus ihren frühen Jahren, die noch nie zuvor in gedruckter Form erschienen sind.
Als ich erneut die Interviews durchging, die ich drei Jahre lang mit Mutter Angelica geführt hatte - ihre letzten Interviews -, stieß ich auf Dinge, von denen ich nicht wusste, dass es sie gab, oder die ich beim Schreiben der Biografie übersehen hatte. Mutter Angelicas unveröffentlichte...
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