Schweitzer Fachinformationen
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Ehe wir in Satans klaffendem Maul verschwinden, will Bex etwas klären.
Sie sitzt neben mir in einem sehr kleinen Wagen und sagt: »Dein neues Buch handelt also vom Übernatürlichen. Woran du nicht glaubst. Nicht im Mindesten.«
»Das ärgert die Leute jetzt schon«, erwidere ich. »Hast du den Kladderadatsch gestern mitbekommen?«
Zerknirscht sieht sie mich an. »Wieso kannst du nicht akzeptieren, dass ich mich nicht für die sozialen Medien interessiere?«
»Weil ich dir das nicht abkaufe.«
»Als ich mich das letzte Mal damit befasst habe, das war so ungefähr 2009, boten die sozialen Medien eine Plattform für Leute, die einander nicht zuhörten und stattdessen herumschrien: >Mein Leben ist super!< Ich bezweifle, dass sich das geändert hat.«
»Wieso hast du dann noch immer Profile auf den Plattformen?«[1]
Bex stößt einen frustrierten, abschätzigen Laut aus, wie man ihn sonst nur bei kurzen, chaotischen Katzenkämpfen hört. »Ich habe diese Profile noch, Jack, damit alte Freunde mich kontaktieren können, aber ich lese keine Posts auf den Seiten. Die sozialen Medien bewirken nur, dass die Menschheit in meinem Ansehen sinkt. Mir wäre es lieber, wenn ich ihre selbstbesessene Scheiße nicht mitbekäme.«
»Wie egoistisch von dir.«
»Dein Buch fällt bestimmt ziemlich kurz aus, oder? Nur eine große, aufwendige Atheisten-Reise um die Welt, bei der du sehr oft >Bullshit< sagst.«
Ich runzele die Stirn, weil sie mein Konzept stark unterschätzt. »Ich werde das Thema ganz sicher rational behandeln. Trotzdem bleibe ich völlig unvoreingenommen. In den sozialen Medien tummeln sich viele Leute, die Geister für echt halten, also gebe ich ihnen die Chance, mich in die richtige Richtung zu lenken. Ich führe eine laufende Liste mit Hypothesen über paranormale Phänomene. Ich nenne sie die SPUK-Liste. Die Abkürzung steht für .«
»Ich kann damit leben, es nicht zu erfahren.«
»Und wenn das Buch fertig ist, kann ich den ganzen Verrückten wenigstens sagen: >Ihr hattet eure Chance, mich zu überzeugen, und habt sie vermasselt.<«
»Wie edelmütig von dir.«
Meine hoffnungslose Liebe für Bex wächst, wenn sie gehoben klingende Wörter in sarkastischem Kontext benutzt. Meine Stammleser kennen sie noch als Fitnesstrainerin Ende zwanzig, mit der ich schon zu lange zusammenwohne, als dass zwischen uns etwas laufen könnte. Zudem wissen sie, dass ich es schwierig finde, dabei zuzuhören, wie Bex im Nachbarzimmer Männer vögelt. Möglicherweise ist das der Grund, warum ich für meine Bücher immer reisen muss. (Übrigens vögelt sie nicht viele Männer. So eine ist sie nicht. Sie war mit einem Kerl namens Lawrence sechs Monate zusammen, obwohl er ein schmieriger, kinnloser Verlierer ist. Und das ist er wirklich.)
Ich kann hier meine Liebe für sie öffentlich gestehen, denn Bex liest meine Bücher nicht. »Jack, ich wohne mit dir zusammen«, sagte sie einmal, als wir auf unserem großen gelben Sofa saßen, EastEnders schauten und vorrangig chinesisches Essen aßen. »Ich muss diese Bücher nicht lesen. Wieso sollte ich noch einmal durchleben, wie du dir auf der Toilette eine Überdosis Kokain reinziehst?«
Abgesehen von dem Fehler, meine Bücher nicht zu lesen, ist Bex die vernünftigste Person, die ich kenne. Um die Wahrheit zu sagen, hole ich mir bei ihr immer die Bestätigung für meine Buchideen. Darum will ich sie auch vom aktuellen überzeugen.
Unser kleiner Wagen fängt an zu rattern und zu brummen. Mit einem Knarren setzen wir uns in Bewegung.
»Also«, sagt sie, »wie war Griechenland?«
»Italien«, korrigiere ich sie, während die Leute hinter uns schon mal kreischen. »Dort gab es mächtig Ärger. Ich hab was Schlimmes getan, und dann hat mich ein Exorzist angebrüllt.«
»An Halloween. Perfekt.«
»Anschließend hab ich ein seltsames YouTube-Video gesehen.«
Bex verarbeitet die ganzen Informationen. Als unser Wagen Fahrt aufnimmt, hat sie entschieden, welche Frage sie stellen will. »Welches Video?«
»Erzähl ich dir später.«
Dann verschwinden wir im Maul.
Etwa vierundzwanzig Stunden zuvor bin ich also in der tiefsten Provinz Italiens. Die erste Etappe meiner epischen Reise in die Welt des Übernatürlichen, bei der ich eine Kampfmagierin in Hongkong treffen werde, einen ??? in ??? und ein ??? in ???, ganz zu schweigen von einer ??? in ??? (Eleanor: Ich entferne die Platzhalter, sobald ich weiß, wen ich genau treffe und wohin es geht. Falls ich das vergesse, gebührt dir die Ehre.)
Ich betrete gleich eine Kirche.
Das alte Gebäude steht einsam und verlassen auf einem Hügel, dessen hinteres Ende eine steile Felswand bildet. Wirft man von hier oben einen Stein hinab, verschwindet er auf halber Strecke in den verwundenen, arthritischen Fingern kahler Bäume. Die Kirche, dieser steinerne Wächter, überblickt das dichte Waldgebiet und die am Horizont zusammengescharrten Hügel. Ihr Inneres ist funktional, vergleichsweise minimalistisch. Es gibt zwar noch einige der typischen, einschüchternden Statuen und ein paar glitzernde Symbole, die von Überfluss und Macht zeugen, dennoch ist das kunstvollste Merkmal das Bleiglasfenster an der Rückwand, durch das die Wintersonne scheint.
Ich finde, die Schönheit von Buntglasfenstern ist in einer Kirche vergeudet.
Alles ist so still und ernst, man würde nicht glauben, dass wir in neunzig Minuten einen Krankenwagen brauchen.
Es ist 13.30 Uhr, als ich - eine halbe Stunde zu spät - mit interessanter Sturmfrisur hineineile. Der achtzig Jahre alte Pater Primo Di Stefano begrüßt mich mit einem steifen Lächeln und entsprechendem Händedruck. Er trägt einen weiten schwarzen Talar und wird von zwei frostigen Gehilfen flankiert. Die beiden sind klein und gedrungen, tragen schwarze Hemden und graue Hosen. Äußerlich unterscheiden sie sich nur dadurch, dass der eine Haare im Gesicht hat; also lasst sie uns Bart und Bartlos nennen. Ich habe einen praktischen italienischen Dolmetscher namens Tony im Schlepptau. Dolmetscher-Tony. Trotz der behaarten Werwolfhände, der Monobraue über den lebhaften braunen Augen und der Zahnlücken, durch die eine Kawasaki passen würde, ist Tony der einzige halbwegs sympathische Kerl hier. Wir haben uns draußen bei einer Zigarette angefreundet, weil er mein Messing-Zippo bewundert hat. Ein altes angelaufenes Ding, aber es funktioniert.
Di Stefano steht der hiesigen Kirche nicht vor. Im Grunde ist der Priester hier genau wie ich zu Gast. Als einer der vertrauenswürdigsten Fußsoldaten des Papstes ist er in Rom stationiert und viele Meilen gereist, um die Kirche auf seiner Gnadenmission in Beschlag zu nehmen. Genauer gesagt, ist er hier, um einem dreizehnjährigen Mädchen den Teufel auszutreiben, nur mit der Macht von Worten, Gesten und jeder Menge Sturm und Drang. Dieser Mann behauptet, über zweihundert Exorzismen durchgeführt zu haben. Rein zufällig hatte das den lukrativen Nebeneffekt, dass er dabei genug Material für eine Buchreihe sammeln konnte, die seine Kreuzzüge detailliert schildert. Die Werke tragen Titel wie Im Krieg gegen den Teufel, Mein lebenslanger Kampf gegen den Antichrist und natürlich Satan & Ich. Letzterer ist mein Lieblingstitel - er klingt nach einer schrulligen Sitcom. »In der heutigen Folge von Satan & Ich will Pater Di Stefano eine Hausparty für seine Freunde schmeißen, doch sein schadenfroher Mitbewohner Satan schlachtet alle ab und lästert auch noch Gott!«
Bitterkalte Luft weht durch den Hauptgang, als Pater Di Stefano, Dolmetscher-Tony und ich uns eine Bank zum Plaudern zurechtrücken. Wir müssen Zeit totschlagen, bis die Empfängerin des priesterlichen Rituals eintrifft.
Exorzismen lassen sich durch die Jahrtausende zurückverfolgen, bis zum Ursprung der Zivilisation. Von Anfang an schob man eifrig alle Krankheiten - ob körperliche oder geistige - bösen Geistern zu. Und all diese Leute, angefangen mit den alten babylonischen Priestern, haben sich nur zu gern als Exorzisten bezeichnet. Als Retter. Der berühmteste von allen war vorgeblich Jesus Christus, der von der Rolle gar nicht genug bekam.
Di Stefano hält den Exorzismus im Onlinezeitalter für wichtiger denn je. »Das Internet«, lässt er mir durch Tony ausrichten, »hat den Informationsaustausch erleichtert, aber nicht immer sind die Informationen gut. Die Menschen experimentieren mit Ouija-Brettern und bringen sich in Schwierigkeiten. Und dann sollen wir ihnen helfen.«
Der Mann hat das faltige Gesicht und das Betragen einer Dogge. Nicht der winzigste Funke Humor flackert in seinen dunklen Augen. Er toleriert mich gerade so. Seine Gehilfen stehen in Hörweite, was mich bei Interviews stets irritiert. Ich bitte sie, sich ein Stück zu entfernen, doch sie ignorieren mich. Bald stelle ich fest, dass auch Di Stefanos Gehör immer dann versagt, wenn er es will - wenn ich ihm eine heikle Frage stelle, zum Beispiel. Sage ich hingegen etwas, das er scharf kritisieren möchte, ist sein Hörvermögen wieder voll da.
Di Stefano hat im Laufe der Jahre nur wenige Interviews gegeben - meistens, wenn eins seiner Bücher auf den Markt kam -, doch soweit ich weiß, durfte ihm bislang kein Journalist bei einem Exorzismus zusehen. Der heutige Tag scheint ein Zugeständnis an die modernen Medien zu sein, eine pfiffige PR-Maßnahme: Wenn die Leute sehen, dass die Kirche ihnen hilft, bleibt sie in den Augen der Welt relevant. Und wenn es eines gibt, um das sich Religion heutzutage sorgen...
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