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Ein Vorgeschmack auf das, was kommt
König Joost hört Geschichten über Magie schon sein Leben lang. Sein Vater spann sie bereits auf ihren Jagdausflügen in den Pinelands, fügte mit jeder Garndrehung neue Fäden hinzu. Er sprach von magischen Elixieren und klugen Hexen, doch die Geschichten über die Fyrebirds mochte Joost am liebsten. Sie beherrschten die Elemente, hatte sein Vater geraunt. Sie beschworen Stürme herauf, machten Wälder dem Erdboden gleich. Diese Frauen zwangen ganze Armeen in die Knie. Stets schien es, als würden Joost die Geschichten wärmen. Gebannt hatte er sich diesem Feuer entgegengelehnt.
Und dann, im Alter von dreizehn Jahren, begleitete er seinen Vater nach Simta. Die Reise war erfüllt von endlosen Audienzen in unbequemer, formeller Kleidung, dem Händeschütteln mit Leuten, von denen er wusste, dass sein Vater sie viel lieber unterwerfen würde. Eines Nachts schlichen sie sich an ihren Leibwachen vorbei und machten sich auf die Suche nach Magie. Den ersten Geschmack wird Joost niemals vergessen. Das schimmernde Getränk war süß und verzögerte die Zeit, ließ sie langsam tropfen wie das Harz der Kreidekiefer. Ein Gefühl, das er auch eine Dekade später noch spüren und schmecken kann.
Joost nippt an seinem Wein und lehnt sich in die Felle, die über dem Thron seines Vaters drapiert sind. Ein Thron, der nun ihm gehört. Der Wein kommt aus den Stonefields, ist stark und vollmundig, aber das genügt ihm nicht. Seit der berauschenden Nächte in Simta vermag kein Getränk mehr sein Verlangen zu stillen. Joosts Waldreich Trellan verfügt über zahlreiche Schätze - Marmor, Holz, Silber -, aber nicht über Magie. Eudea ist seit jeher das einzige Land, in dem diese Art von Macht Früchte trägt. Die Trellaner haben magische Pflanzen von dort zu sich in die Farlands geschmuggelt, doch sie sind alle verdorrt. Sie scheinen nur in der Erde Eudeas zu gedeihen.
Nun kommen jedoch die Nightbirds ins Spiel. Sie könnten sich als widerstandsfähiger herausstellen. Joost kann noch immer nicht glauben, dass diese Frauen tatsächlich existieren. Es heißt, dass die Hexen in Eudea wiederauferstanden seien und ihre Magie durch einen Kuss weitergeben könnten. Ein verlockendes Versprechen. Als die Neuigkeiten erstmals zu ihm durchsickerten, klangen sie zu verheißungsvoll, um wahr zu sein - bis Joosts Botschafter ihre magischen Fähigkeiten mit eigenen Augen sah. Er berichtete Joost in einem Brief von Flügeln aus Feuer, Stürmen im Inneren eines Gebäudes und Wellen, die Kriegsschiffe aus dem Meer hoben. Das klang nach den Fyrebirds aus den Geschichten seines Vaters. Wie sehr er sich danach sehnt, diesen Frauen selbst zu begegnen.
Er hebt zwei Finger und macht eine Geste zu einer seiner Galgren. Mit gesenktem Blick tritt sie von der Wand vor, an der auf einem prächtigen Gobelin der trellanische Wald dargestellt ist. Ihr Kleid aus Zobel und Samt hat dieselbe Farbe wie das Fell der Hirschkälber, die er und sein Vater einst jagten. Trellan verfügt über verschiedene Arten von Sklaven und Sklavinnen, aber seine Galgren gehören zu den schönsten. Als sie seinen Weinbecher nachfüllt, fällt sein Blick auf ihre pershain, die alle Galgren tragen. Die silberne Kette liegt eng um ihren Hals, ihr Verschluss ist geformt wie der Kopf eines Berglöwen. Das Ende fällt ihr wie eine schmale Linie über den Rücken. Die Kettenglieder sind sehr zart und dennoch stark, unzerstörbar. Aber sie würde auch nicht auf den Gedanken kommen, sie abzulegen. Seine Schönheiten in Ketten sind so lieblich wie knospende Blüten und genauso unterwürfig. Er könnte der Galgren die Kette abnehmen und sie würde ihm dennoch überallhin folgen.
Auf der erwähnten Reise nach Simta hatte sich der widerwärtige Sohn des Konsuls über die pershain lustig gemacht. Wie mir scheint, müsst ihr Trellaner das Brautwerben gar nicht erst erlernen. Ihr zieht eure Frauen lieber an einer Leine hinter euch her. Interessant, dass ausgerechnet über Dennan Hain gemunkelt wird, er hielte eine der Hexen abgeschottet in seinem Flügelpalast fest. Vielleicht versteht er das Prinzip der pershain jetzt besser. Einige sind dazu bestimmt, zu herrschen, andere, zu dienen.
An der Tür ertönen Geräusche. Vermutlich weitere Bauern, die gekommen sind, um die Ernteausfälle in diesem Jahr zu beklagen. Joost ist nicht in der Stimmung, sie anzuhören. Seit er den Thron bestiegen hat, scheint das Reich zu verkümmern. Die Klagen seiner Untertanen langweilen ihn zusehends und der urteilende Geist seines Vaters ist ihm längst überdrüssig. Doch nein: Die Wachen lassen seinen Botschafter aus Eudea herein, der mit einer jungen, in Ketten gelegten Frau auf ihn zukommt. Sie muss um die sechzehn Jahre alt sein, ihre großen Augen wirken wachsam.
Fasziniert stellt Joost seinen Weinbecher ab. »Was bringst du mir da, Lleyn?«
»Ein Geschenk, mein König«, antwortet der Botschafter. »Ich habe es in Simta gekauft. Der kleine Vogel war teuer, aber er ist seinen Preis wert, da werdet Ihr mir gewiss zustimmen.«
Der kleine Vogel. Joost mustert das Mädchen mit frischem Blick, sein Herz rast.
»Wie heißt du?«, fragt er.
Sie schaut weg, ohne zu antworten. Lleyn reißt an ihren Ketten, bis sie zu sprechen beginnt.
»Phryne.«
»Phryne.« Er spricht Simtas Sprache nicht fließend, aber es wird reichen. »Ich bin König Joosten Tharda. Willkommen im Königreich Trellan.«
Sie verbeugt sich nicht, wie es sich vor ihm gehört. Doch er ist zu neugierig, um sie dafür zu bestrafen.
»Kein Grund, Angst zu haben«, sagt er in einem samtweichen Tonfall. »Du bist hier Gast.«
»Wieso stehe ich dann in Ketten vor Euch?« Ihre Stimme zittert.
Er bedeutet Lleyn, die Eisenschellen zu öffnen. Sie reibt sich über die Handgelenke, ihr Blick huscht zu den Wachen mit den steinernen Mienen und zu den jungen Frauen mit den pershains. Sie sieht aus, als wollte sie weglaufen, scheint sich dann aber eines Besseren zu besinnen.
»Bei uns in Trellan gibt es einen Brauch«, sagt Joost. »Wer uns besucht, küsst zur Begrüßung den König. Mich dünkt, dass dein Kuss mehr . Magie verspricht als die meisten anderen.«
Sie beißt die Zähne aufeinander. »Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht.«
»Lüg nicht. Sonst muss ich davon ausgehen, dass wir Feinde sind. Doch mir wäre es lieber, Freundschaft zu schließen. Ich bin gut zu meinen Freunden und zu denen, die mir gehorchen.«
Er streckt den Arm aus und winkt sie sanft zu sich. Erst nach einigem Zögern tritt sie näher und legt ihre Hand in seine. Joosts Blick fällt auf ihren Hals. Mit der pershain wird sie wunderschön aussehen.
»Nun sag mir, Phryne, welche Magie beherrschst du?«
Wieder zögert sie. Wieder versichert er ihr, dass diejenigen, die sich ihm anschließen, gut behandelt würden. Schließlich verrät sie ihm so leise, dass es kaum mehr als ein Flüstern ist, welche Art von Magie sie in sich trägt. Es ist eine Macht, die ihn schaudern lässt. Er unterdrückt den Drang, sich über die Lippen zu lecken.
»Wenn du mir eine Kostprobe gibst, sorge ich dafür, dass du hier glücklich bist. Du kannst alles haben, was du dir wünschst.«
Sie schluckt. »Ich möchte nach Hause.«
»Alles, nur das nicht«, erwidert er.
Nach einer Weile nickt sie. Er zieht sie näher. Langsam und nur widerwillig drückt sie ihre Lippen auf seine. Er spürt ein Kribbeln auf der Zunge, einen Geschmack, der dem des Cocktails damals in Simta ähnelt. Doch ihr Kuss schmeckt noch süßer, gemischt mit einem Hauch von Blut oder Metall. Ein berauschender Vorgeschmack auf das, was kommt.
Nachdem sie sich von ihm gelöst hat, spannt...
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