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Wenn der letzte Hoffnungsschimmer verschwindet . Lauf!Ein mitreißender dystopischer Roman um Ambers Kampf für eine bessere Zukunft!
Nach neunzehn Jahren im Schutze der Mauern gelingt es Amber erstmals, die Sicherheit ihrer fortschrittlichen Sternstadt hinter sich zu lassen und die faszinierende Welt des "Außenbezirks" zu erkunden. Mit dieser Expedition erhofft sie sich, ihren verschollenen Bruder wiederzufinden und den Ursprung der mörderischen Pandemie zu ergründen, die ihre Welt seit nunmehr 300 Jahren in Atem hält.
Als sich die Tore zur Freiheit endlich öffnen, ahnt sie noch nicht, dass sie bald alles verlieren wird, was ihr jemals etwas bedeutet hat. Dass die klaren Konturen ihrer Zukunft und Vergangenheit mit jedem weiteren Schritt unaufhaltsam zu verschwimmen drohen. Und dass jene Menschen, deren Schatten so viel finsterer erscheinen als die allgegenwärtige Nacht, ihr Licht im Dunkeln sein werden .
Es war ein Bild. Eine Zeichnung, nichts weiter. Sie war mit einem stumpfen Stück Grafit angefertigt worden, oft waren mit dem Finger unabsichtlich Konturen verwischt und schließlich mit wesentlich mehr Druck nachgezogen worden. Das Papier, auf dem der Zeichner sie verewigt hatte, war mittlerweile alt, rissig; dennoch, er war zeitlebens achtsam damit umgegangen. Er hatte es wie seinen Schatz behandelt.
Das Bild zeigte ein kleines Haus in einer idyllischen Wiesenlandschaft, es war umschlossen von einem schneeweißen Holzzaun. Die Wände des Hauses strahlten ebenfalls hell im Sonnenlicht, wenn auch nicht weiß; es war ein wärmerer Ton, der den waldgrünen Efeu dazu veranlasste, sich daran hinaufzuwinden. Er kletterte bis über die Simse der oberen Fenster, schlängelte sich von dort aus hinüber zu einer alten, doch säuberlich gepflegten silbernen Dachrinne, um sich über sie einen Weg zu dem dunklen Ziegeldach zu verschaffen. Es hatte den Anschein, als würde er das gesamte Haus umarmen wollen.
Vögel saßen auf den Ästen, sicher befand sich ein kleines Waldstück ganz in der Nähe. Blaue Traubenhyazinthen sprossen zwischen den saftigen Grashalmen, die das Haus im Garten umrahmten. Ein Apfelbaum stand in voller Pracht, die Bienen schienen um die Blüten zu summen, die sanft im Wind gewiegt wurden. Man konnte sich vorstellen, wie sie ihren Duft über die Wiese und durch die offenen Fenster hinein ins Haus trugen, sodass die Spitzengardinen mit jedem Zug leicht flatterten, als würde das Haus die wohltuende Brise einatmen. Es war Frühling dort. In diesem fernen Bild.
In Wahrheit enthielt die Zeichnung nicht einen einzigen Farbtupfer, im Gegenteil. Sie war grau, abgegriffen, ihr Geruch erinnerte nicht im Geringsten an einen Duft. Jedenfalls hatte ich noch nie von einer Apfelblüte gehört, der ein Aroma von Blut anhaftete.
Aber das war es nicht. Es war nicht das Bild an sich, das mich den Vogelsang hören ließ, sobald ich die Augen schloss, oder das weiche Gras spüren ließ, während meine trockenen Fingerkuppen über das raue Papier strichen. Nein, die Farben, die Klänge, jene unbeschreiblich schöne Essenz und der laue Windhauch in meinem Haar - all das fühlte ich allein durch die Emotionen, welche der Schöpfer des Gemäldes in seinem Werk verewigt hatte.
Ich sah ihn vor mir, wie er auf der Wiese gesessen hatte, im Schneidersitz, die Ellenbogen auf seine Knie gestützt. Er hatte tief eingeatmet, nur kurz die Augen geschlossen und den Moment in sich aufgenommen, ehe er die Mine auf das Papier gesetzt und seine Empfindung in jede Linie gelegt hatte, um sie mit einer Präzision darin zu verschließen, wie es ein feiner Schlüssel mit der schwersten aller Türen vermochte.
Und so tat ich es. Ich schloss die Augen, legte die Hände auf der Seite ab und malte das Bild mit den schönsten Farben. Ich ließ es leben, in mir leben. Es spross wie Klee mit vier Blättern, es zappelte und regte sich wie ein Schmetterling, der sich aus seinem Kokon befreit hatte. Ich lebte. Zwischen all der Kälte, den finsteren Gängen, den missgünstigen Blicken, den unendlich langen Tagen, Wochen, mittlerweile Jahren. Und obwohl mir bewusst war, wie sehr mich all das bereits erschöpft hatte, so war mir doch klar, dass, solange ich diese Gefühle immer wieder hervorrufen konnte, eine winzig kleine Flamme in mir weiterbrennen würde. Und sie wurde genährt von diesem kleinen grauen Bild, das auch nur Teil eines kleinen grauen Buches war. Das einst das Leben eines anderen Menschen aufgesaugt hatte. Und nun saugte ich es aus ihm. Einem Schatz, wertvoller als jeder Diamant der Welt.
»Weißt du was?«, sagte Maxim, ein charmantes Lächeln umspielte seine Lippen. »Wenn ich wieder bei dir bin, essen wir zusammen Eiscreme. Du kennst doch dieses schicke Café mitten im Zentrum von Sektor 50, direkt neben dem Turm, nicht wahr? Zwei Kugeln. Oder drei? Egal, so viele du willst.«
»Ja! Und wann kommst du zurück? Vielleicht noch diese Woche?«, fragte ich ebenso enthusiastisch, er hatte seine Fröhlichkeit blitzschnell auf mich übertragen. Sie wich nicht einmal, als er sanft den Kopf schüttelte.
»Nicht diese Woche. Aber bald.«
»Wie bald?«
»Ziemlich bald, ich kann es nicht genau sagen«, seufzte er kapitulierend. »Aber wenn du hier bleibst und auf mich wartest, wird die Zeit wie im Flug vergehen, Bambi.«
»Einverstanden«, antwortete ich.
Er knuffte mich in die Wange und rang mir das Versprechen ab, geduldig zu sein. Zu diesem Zeitpunkt war ich überzeugt gewesen von allem, was er sagte, denn es wirkte wie eine Offenbarung auf mich; ich hätte niemals an seinem Wort gezweifelt. Ebenso wenig, nachdem zwei Wochen verstrichen waren, selbst nach einem Monat erwartete ich Tag für Tag, dass er jeden Moment durch die Tore schreiten würde. Und obwohl meine Motivation mit der Zeit schwand, so hielt ich diese Erwartungshaltung fast zwei Jahre lang durch, besuchte oft mit Tyson das Café und hoffte jedes Mal, Maxim würde plötzlich neben uns auftauchen.
Erst nach meinem Schulabschluss, kurz vor Beginn meines Studiums, sah ich ein, dass all meine Geduld umsonst gewesen war. Ich konnte nicht sagen, ob Maxim mich absichtlich belogen hatte oder ob ihm außerhalb der Mauern tatsächlich etwas zugestoßen war. Sicher war nur, er hatte sein Versprechen nicht gehalten. Und so war es wohl nur eine Frage der Zeit gewesen, bis auch ich mit dem meinigen hatte brechen müssen.
Vollkommen gleich, wie viele Jahre ins Land gezogen waren, letztendlich blieben wir beide unverbesserliche Grenzgänger, auf deren Wort man sich nicht verlassen konnte. Wir waren wie törichte Ritter, ausgestattet mit einer Waffe, die uns nur ins Verderben treiben konnte, und dennoch preschten wir mutig voran. Und irgendwann würden wir einsehen müssen, dass unsere Lanze der Neugier an jener stählernen Mauer von Konventionen nur zerbrechen konnte. Irgendwann würde sie zersplittert am Boden liegen, unbrauchbar, und wir würden auf dem schnaubenden Pferd sitzen und die Undurchdringlichkeit jener Wand vor uns akzeptieren wie all die anderen. Irgendwann.
Heute.
Es klopfte. Ganz sanft, ich musste träumen. Vielleicht ein Specht im Wald? In der Nähe dieses Hauses auf der Wiese. Schließlich war Frühling. Er klopfte unablässig. Doch plötzlich spürte ich die Schläge seines Schnabels in meinem Rücken, als wäre ich selbst der Stamm. Ob Bäume wirklich derlei Schmerz dabei empfanden? Man konnte sie ja schlecht fragen, sie konnten die menschliche Stimme bestimmt nicht einmal hören. Aber ich konnte es; zunächst ganz undeutlich, doch dann immer klarer. Und mit einem scharfen Stich in die Wirbelsäule realisierte ich schreckhaft, dass meine Rinde nicht mit jener eines Baumes zu vergleichen war. Und beneidete den Baum gleichzeitig darum, keine Ohren zu besitzen.
»Wach endlich auf, dumme Kuh!«, fauchte mich eine Mädchenstimme an und versetzte mir durch die dünne Matratze des Doppelstockbettes mit einem Besenstock einen erneuten Hieb zwischen die Schulterblätter. »Du pennst doch schon ewig, wie lange willst du dieses verdammte Licht noch brennen lassen? Es ist mitten in der Nacht, wir wollen auch mal schlafen, ist das so schwer zu kapieren?!«
»Entschuldigung«, erwiderte ich etwas benommen und versuchte, meine noch müden Finger dazu zu animieren, nach dem Lichtschalter meiner Leselampe zu tasten. Sie ruhten auf der Seite des geöffneten Notizbuches mit dem Bild, von dem ich geträumt hatte. »Einen Moment .«
»Wird's bald?«, zischte es erneut giftig zu mir hinauf, also richtete ich mich auf, um einer weiteren Besenattacke zu entgehen. »Zwei Jahre hier und trotzdem noch die Lahmarschigkeit der Stadt in den Knochen! Wie nutzlos kann man eigentlich sein .«
»Halt die Klappe, Livia«, drang es von Gegenüber zu uns. »Das dämliche Licht stört weniger als dein Gezeter. Und du mach gefälligst, dass du den Schalter findest, Misola.«
»Jawohl«, entgegnete ich im Befehlston, wie ich es mir in diesem Lager zwangsläufig angeeignet hatte. Im Hauptquartier der Army Of Solace. Im Außenbezirk. Fernab meiner Heimat, der Sternstadt.
Endlich ertastete ich neben mir den Druckknopf der Lampe, die ich mir an das Holzgestell meines Hochbettes geklemmt hatte, und presste ihn fast panisch tief ein, bis der schmale Raum wieder in finsterstes Schwarz getaucht war.
»Na endlich .«, motzte Livia, die im Bett unter mir schlief.
Insgesamt wurde dieses Zimmer von vier Mädchen bewohnt, aber es war so klein, dass lediglich zwei eng nebeneinanderstehende Doppelstock-Bettgestelle und eine Kommode hineinpassten. Wir schliefen an den langen Wandseiten, die anderen beiden wurden von einer einfachen Holztür und gegenüberliegend von einem Spiegel ausgefüllt.
Wir. Das waren die drei Näherinnen, Livia, Margarete und Julie - und ich. Ihre Nachnamen kannte ich nicht; sie hatten sich mir nicht einmal vorgestellt, also benutzte ich die Bezeichnungen, mit denen sie einander riefen. Sie wiederum verzichteten darauf, mich beim Vornamen zu nennen. Mich, Misola. Eine unfähige Schmarotzerin aus der Sternstadt, die aufgrund wiederholten Ungehorsams gegenüber Ordnungsbeamten der Mauern verwiesen wurde und nun unter Aufsicht der Eskort-AOS ihre Strafe im Außenbezirk absitzen musste. So lautete jedenfalls die offizielle Version.
Ich wartete noch einige Sekunden ab, ehe ich mich wieder in mein Kopfkissen sinken ließ; Livia traute ich auch einen Überraschungsangriff aus dem Dunkeln heraus zu. Eigentlich hätte sie mir leidtun müssen, auch die anderen beiden. Sie mussten täglich unheimlich früh aufstehen und arbeiteten teilweise bis spät in die Nacht hinein an den zerschlissenen Uniformen und jenen ständig aufgerissenen Trainingsanzügen der...
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