Die Frauen der galanten Zeit
Inhaltsverzeichnis Die Königin der Eleganz
Ein Land reinster Schönheit von bezauberndstem Glanz steht vor uns, wenn wir an die Zeit des Rokoko denken. Ein sehnsuchtsvolles Gefühl bemächtigt sich unser, die wir in einer Zeit des Hastens, des Mechanismus und der Technik leben, nach jener glücklichen liebenswürdigen Epoche, die nur dem reinsten Lebensgenuß und der Grazie geweiht zu sein schien. Reizende tändelnde Frauen, elegante ritterliche Männer leben in diesem Paradiese ohne Sorgen, ohne Qualen, nur allein mit sich und ihren Herzens- oder Liebesangelegenheiten beschäftigt. Sie sind glücklich, wunschlos glücklich. Das Leben hat ihnen alles, was der Mensch begehrt, in den Schoß geworfen. Es ist wie in einem Märchenland! Wer die Kunst und Literaturerzeugnisse dieses Zeitalters betrachtet, muß unbedingt annehmen, daß das ersehnte Wunderland der Liebe der Alten, jene Insel, wo die Menschen nur der Liebe und dem Genüsse lebten, wirklich vorhanden gewesen ist. Nicht in unerreichbarer Ferne, sondern ganz nahe.
Die Menschen des 18. Jahrhunderts scheinen das Paradies auf die Erde verlegt zu haben. Jene galanten höflichen Kavaliere in ihren mit Diamanten, Federn, Samt, Seide und Gold geschmückten Kleidern, jene ätherischen liebeheischenden und liebeverheißenden Damen in mythologischen Kostümen, reizenden verführerischen Negligés und pikanten Deshabillés scheinen nur zur Liebe, zur Freude und Wollust geschaffen zu sein. Das Leben ist keine Last, keine Plage, keine Sorge. Es besteht nur aus graziösen Schäferspielen, anmutigen Tänzen, ländlichen Lustbarkeiten, glänzenden Bällen und galanten Abenteuern. Die Rokokomenschen wohnen in prächtigen Palästen mit koketten Boudoirs, sie ruhen in weichen seidenen Betten, wandeln auf blumigen sonnigen Wiesen oder auf schattigen, geheimnisvollen Wegen herrlicher Parke, kurz, sie haben nur eine Beschäftigung: zu lieben, zu genießen, zu leben und leben zu lassen!
Das Bad.
Farbstich von Jean Massard nach P. A. Baudouin
So wenigstens erscheint uns das Leben im 18. Jahrhundert, wie es uns Kunst und Literatur übermitteln. Die Zeit ist versunken. Das Leid, das der bittere Ernst des wirklichen Lebens auch den damals lebenden Menschen nicht ersparte, ist vergessen. Nur die Erinnerung an das Schöne, Ideale, an das Typische jener galanten Zeit ist geblieben. Ein sehnsuchtsvoller Traum von Liebe, Glück, Grazie und Eleganz.
Ihrem tiefsten Wesen nach ist jene Zeit ein einziger Lobgesang von überwältigender Schönheit auf die Frau, eine Verherrlichung der Sinnenlust und des Liebesrausches, alles Galanten und zum Genüsse Reizenden, ausgehend von den leichtlebigen Sitten der französischen Könige und ihrer Höfe. Die typischste Vertreterin der eleganten und galanten Frau jener Epoche ist Madame de Pompadour. Ihr Name und das Rokoko sind zwei unzertrennliche Begriffe. Die lange Herrschaft dieser überaus klugen Kurtisane ist das goldene Zeitalter der Eleganz, der Mode, der Frivolität, der Leichtlebigkeit, aber schließlich auch der schönen Künste. Wie keine andere königliche Mätresse, ja wie nur wenige ihres Geschlechts, besaß die Pompadour einen wahrhaft feinen schöpferischen Geschmack, der mit einer überaus fruchtbaren Phantasie und einem mehr als mittelmäßigen Talent Hand in Hand ging. Ihre ganze Persönlichkeit trug den Stempel des Zierlichen der Zeit. Sie war das geborene Luxusgeschöpf, das keine Beschränkung der Mittel kannte. Und als sie die Geliebte des genußsüchtigen Königs wurde, als sie mit vollen Händen aus dem Staatsschatz und der Privatschatulle Ludwigs XV. schöpfen konnte, da legte sie ihrer größten Leidenschaft, der Verschwendung, keinerlei Schranken auf. Aber der Geist dieser eleganten Kurtisane war so schöpferisch, daß ihr Name sich für immer mit der Zeit verknüpfte.
Wer den literarischen Nachlaß des 18. Jahrhunderts durchblättert, ist erstaunt, immer wieder den Namen Pompadour im Zusammenhang mit irgendeinem Kunstwerk, irgendeinem Erzeugnis der Zeit zu finden. Heute noch bezeichnet man ein kleines Täschchen der Damen mit dem Namen der Favoritin Ludwigs XV. Sicher war an dieser Verhimmelung nicht zum kleinsten Teil jener unglaubliche Byzantinismus schuld, der sich darin gefiel, allem einen gewissen Glanz und größere Anziehungskraft durch den Namen der offiziellen Mätresse des Königs zu verleihen. Sicher sind auch die Pariser mehr geneigt als alle anderen Großstädter, alles was neu und Mode ist, zu ihrem Idol zu machen. Das konnte auch Casanova bei seinem ersten Pariser Aufenthalt beobachten, als er sich einem Freunde gegenüber wunderte, weshalb man einen Tabakladen förmlich belagerte und alle Leute ihren Tabak nur eben da kaufen wollten. Nicht etwa, weil dort der Tabak besser gewesen wäre als anderswo, sondern weil eine elegante Frau, die Herzogin von Chartres, diesen Laden in Mode gebracht hatte. Sie hatte ihren Wagen ein paarmal vor dem Laden halten lassen, um ihre Tabaksdose zu füllen. Das allein genügte, um alle Schnupf er mobil zu machen; und die Tabakhändlerin erwarb dadurch ein Vermögen. Aber die Idolatrie war nicht nur der Grund, daß alles, was die Pompadour erfand, in Mode kam. Diese Frau besaß die Gabe, die wir nicht nur bei hochstehenden oder besonders feingebildeten Damen finden, sondern oft gerade bei Mädchen und Frauen aus sehr einfachem Stande: nämlich ihre eigene Person mit ganz besonders gutem Geschmack zu kleiden und zu umgeben. Aus einem Nichts entsteht in ihren Händen ein Kunstwerk. Ein wenig Stoff, ein Band genügen, um daraus die entzückendste Schleife zu binden, die wiederum gerade da angebracht wird, wo sie am reizendsten wirkt. Man war bezaubert von dieser Zauberin des Geschmacks. Im Handumdrehen hatte jeder einzelne Gegenstand, den die Marquise erfand, den Namen »à la Pompadour«.
Sie war indes nicht die Sklavin der Mode, sondern ihre Königin. Die Kostüme und Kleidungsstücke dieser eleganten, extravaganten Frau waren nicht bloße Modelaunen. Sie besaßen wirklichen Kunstwert und waren Muster von wahrhafter Eleganz und feinem Geschmack. Jede Toilette, die sie trug, war ihre eigene Erfindung; sie überraschte nicht nur durch Pracht und Kostbarkeit, sondern vor allem durch die Art, wie sie sie zu tragen verstand und wie sie ihrer Individualität angepaßt war. Selten ließ sie sich von der Eitelkeit hinreißen, um jeden Preis durch ein Kleid wirken zu wollen, das zwar Mode war, aber sich nicht für ihre Person eignete. Immer war sie individuell, stets neu, stets erfinderisch. Sie zeigte sich dem König oder während ihrer berühmten Levers, zu denen alle Höflinge Zutritt hatten, in einem verführerischen Morgenanzug eigener Erfindung, der die Linien ihres reizenden Körpers vorteilhaft hervorhob, und die Welt besaß ein »Déshabillé à la Pompadour«. Diese Deshabillés gehörten im 18. Jahrhundert zu den beliebtesten Vermittlern der Erotik. Madame Pompadour und ihre eleganten Zeitgenossinnen legten darauf die größte Sorgfalt, denn sie wußten, daß eine Frau am verführerischsten im Negligé ist. Und wie raffiniert und pikant man diese Negligés zu gestalten verstand, geht aus den vielen Sittenschilderungen der Zeit über die Levers der vornehmen Frau, der Dame des Adels und der großen Kurtisanen hervor.
Die Toilette einer Frau des galanten Zeitalters nahm viele Stunden in Anspruch und verschlang einen guten Teil des Tages. Da man aber auch etwas von seinen Freunden haben wollte, lud man sie zum Lever ein, um in ihrer Gesellschaft diese langen Stunden vor dem Toilettentisch zu verkürzen. Außerdem hatte die elegante Frau dabei die beste Gelegenheit, alle ihre Reize ihren Bewunderern einzeln vorzuführen. Dieses Schauankleiden des 18. Jahrhunderts gehörte zum guten Ton sogar in dem viel prüderen England. Bei vielen einflußreichen Damen des Hofes und Mätressen, wie der Pompadour und mancher ihrer Vorgängerinnen, wurde während der Levers Politik gemacht. Es erschienen Minister, Staatsräte, hohe Diplomaten und die fremden Gesandten, oder man sprach über die neuesten Erscheinungen der Literatur und Kunst. Meist aber dienten die Stunden der Toilette dem galanten Liebesgetändel. Es entspannen sich pikante Flirts, und nicht immer wurde mit Blicken geflirtet. Koketterie und Leichtsinn, verliebte Laune und Sinnlichkeit verliehen, je nach Veranlagung der Frau oder ihrer Freunde, dem Lever einer Dame die gewünschte Note. Die Pompadour war eine der klügsten aber auch kokettesten Frauen ihrer Zeit. Sie verstand es nicht nur, während dieses Schauankleidens Ministern Ratschläge zu erteilen, hohe diplomatische Stellen zu vergeben, Lettres de cachets aus ihrem Boudoir zu senden, sondern ganz besonders verstand sie die Sinne des Königs und ihrer Bewunderer in diesen Augenblicken zu entflammen. Sie liebte es, ihre Levers recht lange auszudehnen, probierte dabei alle möglichen Negligés, Kleider, Galaroben, Schuhe, Pantöffelchen, Strümpfe und Strumpfbänder an. Jeder einzelne Reiz ihres Körpers mußte zur Geltung kommen. Sie war ein echtes Kind ihrer Zeit und liebte alles Schöne ihrer Person zur Schau zu stellen. Die Schultern, die Arme - sie hatte ganz wundervoll geformte Arme, die sogar Marie Leszczinska bemerkte - den Nacken, den entzückenden kleinen Fuß und die zartgebauten schlanken Beine. Der Puder verleiht ihrer Haut einen Marmorschimmer und nimmt ihr die warmen aufregenden Farben des Lebens. Sie sitzt wie ein ätherisches Wesen vor ihrer Frisiertoilette in eine Wolke von Duft und Spitzen gehüllt, um im nächsten Augenblick alles wieder von sich zu reißen und ihre Glieder in neue verführerische Stoffe zu hüllen, die zur Erhöhung ihrer Schönheit beitragen. Die Blicke der Männer ruhen bewundernd, die der wenigen anwesenden Damen neugierig auf dieser...