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Als Napoleon zum Ersten Konsul ernannt worden war, wollte er, dass Letizia einen der Mutter des Staatsoberhauptes würdigen Haushalt führe. Er bot ihr die Tuilerien zum Aufenthalt an. Dieses große, weite Königsschloss aber flößte der einfachen Frau, die bisher nicht in Überfluss und Prunk gelebt hatte, Furcht und Grauen ein. Sie zog es daher vor, noch eine Zeitlang bei Joseph zu wohnen, bis Napoleon ihr das Palais Montfermeil in der Rue du Mont-Blanc einrichtete. Hier lebte Letizia, wie sie es gewöhnt war, einfach und ohne Luxus. Aber gerade von seiner Mutter hätte Napoleon gern gesehen, dass sie ihr Einkommen, 120.000 Franken jährlich, reichlich verausgabte. Er hatte damit kein Glück bei ihr. Das Geldausgeben machte ihr nicht die geringste Freude. Sogar die Reparaturen in ihrem Haus ließ sie von ihrem Sohne Napoleon bezahlen. Später noch, als sie als Kaisermutter ein Jahrgeld von einer Million bezog, beschränkte sie ihre Hofhaltung auf das Nötigste. Auf Napoleons Einwände pflegte sie gewöhnlich zu erwidern: »Wenn Sie doch wieder einmal zu Unglück kommen sollten, so werden Sie mir Dank wissen, dass ich so sparsam gewesen bin.«
Es ist jedoch weniger anzunehmen, dass diese Voraussetzungen Letizias Scharfblick entsprangen, weil sie dem so schnell aufgebauten Glücksgebäude wenig traute. Ihr Mutterherz hatte ganz einfach die Zeiten nicht vergessen, da es ihr und ihren Kindern an allem gebrach. Sie wusste aus Erfahrung, dass Schicksalsschläge über Nacht kommen konnten. So blieb sie lieber bei ihren bescheidenen Gewohnheiten, selbst auf die Gefahr hin, unter all den glänzenden Frauengestalten, die ihren Sohn und seinen Hof umgaben, in ihrer einfachen ernsten Kleidung wunderlich zu erscheinen.
Letizia brauchte übrigens weder Luxus noch Pracht, um schön und anziehend zu wirken. Ihre ganze Erscheinung war vornehm, edel und königlich. Sie sprach wenig, einesteils weil sie in der neuen Gesellschaft dazu gezwungen war, denn sie beherrschte die Sprache nicht und besaß kein Wissen, andernteils schwieg sie aus Stolz. Ihre Manieren hatten, obgleich sie sich in Gesellschaft unbequem fühlte, eine angeborene Würde und Hoheit, die jedermann Achtung gebot. Selbst die Streitigkeiten unter ihren Kindern verstummten, sobald sie zugegen war. Ihre Anwesenheit genügte, um allen eine gewisse Zurückhaltung aufzuerlegen. Sie erteilte ihnen immer die weisesten Ratschläge und ermahnte sie zum Guten. Immer und immer wieder erinnerte sie ihre Söhne und Töchter, die sich oft gegen den Willen Napoleons auflehnten, daran, was sie ihm schuldig waren und dass er es gewesen war, der sie zu Ansehen gebracht hatte. Umso weher tat es ihr, den unversöhnlichen Zwist zwischen Napoleon und Lucien mit ansehen zu müssen, ohne dass sie durch ihren Einfluss etwas zu erreichen vermochte. Das einzige, was Letizia tun konnte, war, Lucien in seinem Unglück nicht zu verlassen. Sie schlug ihm vor, er solle sie nach Italien begleiten, wo sie ihrer Gesundheit wegen im Jahre 1804 einige Zeit verbringen wollte. Vielleicht diente ihr diese Reise aber auch nur als Vorwand. Sie wollte gewiss nicht Zeuge des Triumphes ihrer Schwiegertochter sein, deren Krönung bevorstand.
Dem Ersten Konsul missfiel der Vorschlag seiner Mutter. Er warf ihr vor, dass sie Lucien mehr liebe als ihre andern Kinder. Darauf antwortete Letizia einfach: »Wenn Sie in seiner Lage wären, würde ich Sie in Schutz nehmen.« Ihre Zuneigung und Fürsorge gehörte immer dem nach ihrer Meinung unglücklichsten Kinde. So war ihr Grundsatz, und so hat sie ihr ganzes Leben lang gehandelt. Und hatte sie wirklich für Lucien eine Vorliebe, so geschah es, weil sie ihm ewig dankbar dafür war, dass er ihr im Jahre 1802 eine Rente von 24.000 Franken aussetzte, damit sie den Armen mehr zu Hilfe kommen konnte. Diese Feinsinnigkeit hat sie nie vergessen.
Ehe Lucien Paris verließ, verschaffte Letizia ihm einen Empfehlungsbrief des Ersten Konsuls an den Papst, damit Pius gestatte, dass ihr Sohn in Rom leben könne. Dann zog sie am 13. März 1804, kurz ehe das Kaiserreich seine Pforten öffnete, selbst nach der ewigen Stadt. Dort wurde ihr von Pius VII. ein Empfang bereitet, wie er nur gekrönten Häuptern zukam. In einer Audienz hielt sie der Papst so lange zurück, dass sie es selbst für passend fand, sich von dem Heiligen Vater zu verabschieden. Wenige Tage danach schrieb Pius an Napoleon einen Brief, in dem er sich sehr schmeichelhaft über Letizia aussprach und von ihr sagte: »Wir haben sie würdig gefunden, Ihre Mutter zu sein!«
Mit ihrem Sohn Napoleon lebte Letizia, abgesehen von der Meinungsverschiedenheit wegen der Angelegenheit Luciens, in bestem Einvernehmen und größter Vertraulichkeit. Sehr selten war sie, selbst als Kaisermutter, gezwungen, seiner hohen Stellung Rechnung zu tragen. Sie ließ sich nie ihre Würde als Oberhaupt der Familie nehmen. Er hingegen nannte sie nie du, nicht einmal im engsten Familienkreise. Aber er sprach mit ihr Italienisch, weil ihr diese Sprache geläufiger war. Die Briefe an sie schrieb er indes Französisch, ebenfalls sie die ihrigen an ihn, die sie ihrer Vorleserin Italienisch diktierte. Napoleon verdankte seiner Mutter vor allem seinen Sinn für Ordnung und gedachte noch in Sankt-Helena daran. »Ihr verdanke ich mein Vermögen und alles, was ich Gutes getan habe«, sagte er. Auch den Stolz hatte er von der Mutter. Mit großer Genugtuung wiederholte Letizia oft die Worte, die ihr Sohn ausgesprochen hatte, als er der Schwiegersohn des Kaisers von Österreich, Franz II., wurde, und dieser Nachforschungen über Napoleons Abstammung machen ließ: »Mein Adel datiert von Millesimo und Montenotte her!« hatte er da gesagt, und die Mutter hatte vor Stolz gestrahlt. Sie wusste auch ihm, trotzdem er Kaiser war, zu imponieren. Als er einmal in Gegenwart Maria Luises seiner Mutter die Hand zum Kusse darbot, stieß Letizia ihn mit einer entrüsteten Gebärde zurück und hielt dafür dem Sohn ihre eigene Hand hin, damit er sie küsse. Beschämt unterzog er sich dieser Pflicht. Marie Luise verstand das Benehmen ihrer Schwiegermutter in diesem Falle nicht und sagte, sie habe in Wien ihrem Vater, dem Kaiser von Österreich, zum Zeichen der Ehrerbietung vor dem Herrscher oft die Hand geküsst. »Ja«, erwiderte Letizia, »der Kaiser von Österreich ist Ihr Vater, der Kaiser der Franzosen aber ist mein Sohn!«
Übrigens brachten ihr alle ihre Kinder herzliche Liebe und Hochachtung entgegen, wie sie auch ihnen die größte Fürsorge und Zuneigung bewies. Beständig war sie um das Leben des Ersten Konsuls besorgt. Das Attentat der Höllenmaschine vom 24. Dezember 1800 versetzte sie in die größte Aufregung. Nur mit Josephine und Hortense stand sie auf gespanntem Fuße. Sie gehörten zur Gegenpartei. Nie fühlte Letizia sich von dem geselligen Leben in Malmaison angezogen, weil dort die Beauharnais eine Rolle spielten. Ebenso wenig liebte sie Mortefontaine; die Gesellschaft, die bei ihrem Sohne Joseph verkehrte, passte ihr nicht; sie war ihr zu gelehrt. Am liebsten war sie mit ihrem Bruder Fesch zusammen. Mit diesem konnte sie von Korsika, von alten Bekannten und Verwandten sprechen, alte Erinnerungen ausgraben, und das gefiel ihr.
Die Thronbesteigung ihres Sohnes Napoleon erfuhr Letizia in Rom durch die Zeitungen. Dort lebte sie mit Lucien und Pauline unter dem Schutze des Papstes. Pius schätzte sie ganz besonders darum, weil er wusste, mit welcher Freude die strenge Katholikin das Konkordat begrüßt hatte, das Napoleon im Jahre 1801 mit Rom schloss. Letizia galt diese Handlung ihres Sohnes viel mehr als alle seine Siege, als all sein Ruhm. Aber zur Krönung des Kaisers erschien sie nicht. Der Platz, den ihr der Maler David auf seinem wundervollen Krönungsgemälde zuweist, blieb leer.
Zu jener Zeit hielt sie sich in den Bädern von Lucca auf, wo auch ihre Tochter Paulette weilte. Erst 17 Tage später, am 19. Dezember 1804, kehrte Frau Bonaparte nach Paris zurück und nahm in dem einst von Lucien bewohnten Hotel de Brienne Wohnung. Es ist offenbar, dass sie nicht Zeuge der Einsegnung des Kaiserreiches sein wollte, dessen Errichtung die noch von republikanischen Grundsätzen erfüllte Korsin nicht billigen konnte. Auch war sie tief in ihrem Mutterstolze verletzt, dass Napoleon sie nicht durch einen besonderen Boten von seiner Thronbesteigung in Kenntnis gesetzt hatte. Dies geht aus einem Brief des Onkels Fesch, vom 9. Juli 1804, klar hervor. Er schreibt an Napoleon: »Ihre Mutter ist nach den Bädern von Lucca abgereist. Ihre Gesundheit ist weit mehr durch seelische als durch körperliche Leiden untergraben ... Sie war untröstlich, als sie durch die Zeitungen die Thronbesteigung Eurer Majestät erfuhr. Es hat sie schmerzlich berührt, dass sie während ihres dreimonatigen Aufenthaltes keinen außerordentlichen Kurier von Ihnen erhalten hat. Sie meint, Eure Majestät ziehe ihr alle andern Mitglieder der Familie vor ...«
Durch derartige Vernachlässigungen fühlte sich Letizia immer tief gekränkt. Und so traf sie absichtlich erst später, als alles vorüber war, in Paris ein. Der nunmehrige Kaiser empfing seine Mutter mit einfacher Herzlichkeit. Frau Letizia ergriff von neuem die Gelegenheit, ihn mit Lucien auszusöhnen. Aber es blieb beim Alten.
Jetzt galt es, der Mutter des Herrschers von Frankreich die gebührende Rolle zuzuweisen. Welchen Rang sollte Letizia einnehmen? Welche Würde sollte ihr zukommen? Nach den alten römischen Annalen stand immer die Mutter der Cäsaren, hieß sie nun Agrippina oder Poppeia, an erster Stelle. Und so wollte es auch Napoleon.
Letizia empfing diese Auszeichnung ohne große Erregung, ohne Eitelkeit. Sie ließ sich nicht blenden von all dem Glanze, den man um sie...
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