Schweitzer Fachinformationen
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Mit Schwung warf Susan die Eiscreme an Michael Cartwrights Kopf. Dies war die erste Begegnung zwischen den beiden - zumindest behauptete das Michaels Trauzeuge, als Susan und Michael einundzwanzig Jahre später heirateten.
Seinerzeit waren Susan und Michael drei Jahre alt, und als Michael in Tränen ausbrach, eilte Susans Mutter herbei, um nachzusehen, was los sei. Susan gab zu dem Vorfall nicht mehr als eine kurze Erklärung von sich, die sie mehrmals wiederholte: »Das hat er doch so gewollt.« Woraufhin Susan eine Tracht Prügel bekam. Nicht gerade der ideale Beginn einer Liebesgeschichte.
Die nächste überlieferte Begegnung fand, laut Aussage des Trauzeugen, mit ihrem Eintritt in die Grundschule statt. Dort erklärte Susan, Michael sei eine Heulsuse und dazu noch eine Petze. Und Michael sagte zu den anderen Jungs, dass er seine Cracker mit jedem teilen würde, der bereit wäre, Susan Illingworth am Pferdeschwanz zu ziehen. Nur wenige Jungen versuchten das ein zweites Mal.
Gegen Ende des ersten Schuljahres wurden Susan und Michael gemeinsam zu den Klassenbesten gekürt. Ihre Lehrerin hielt das für die beste Lösung, um einem weiteren Eiscremevorfall vorzubeugen. Susan erzählte ihren Freundinnen, dass Michaels Mutter seine Hausaufgaben für ihn machen würde, was Michael dahin gehend kommentierte, dass sie wenigstens in seiner eigenen Handschrift verfasst seien.
Ihre Feindschaft bestand ungebrochen die gesamte Schulzeit über, bis sie auf verschiedene Universitäten gingen, Michael an die Connecticut State und Susan nach Georgetown. In den nächsten vier Jahren taten beide alles, um einander nicht zu begegnen. Ihre Wege kreuzten sich ironischerweise erst wieder in Susans Elternhaus, wo die Illingworths für ihre Tochter eine Überraschungsabschlussparty veranstalteten. Die größte Überraschung war, dass Michael die Einladung nicht nur annahm, sondern sogar auf der Party erschien.
Susan erkannte ihren alten Widersacher nicht gleich wieder, unter anderem, weil er zehn Zentimeter gewachsen und somit zum ersten Mal größer war als sie. Erst als sie ihm ein Glas Wein anbot und Michael erwiderte: »Wenigstens hast du diesmal nicht alles über mich geschüttet«, wurde ihr klar, wer der große, gut aussehende Mann war.
»Mein Gott, ich hab mich wirklich grässlich aufgeführt«, sagte Susan in der Erwartung, dass er es abstritt.
»Allerdings«, meinte er. »Aber vermutlich hab ich's verdient.«
»Allerdings«, gab sie zurück und biss sich auf die Unterlippe.
Sie plauderten wie alte Freunde, und Susan wunderte sich, wie enttäuscht sie war, als sich eine Kommilitonin aus Georgetown zu ihnen gesellte und mit Michael flirtete. An diesem Abend sprachen sie nicht mehr miteinander.
Am nächsten Tag rief Michael an und lud sie ins Kino ein: Ehekrieg mit Spencer Tracy und Katharine Hepburn. Susan kannte den Film bereits, hörte sich aber zusagen und konnte kaum glauben, wie viel Zeit sie damit zubrachte, verschiedene Kleider anzuprobieren, bevor Michael zu ihrer ersten Verabredung eintraf.
Susan gefiel der Film auch noch beim zweiten Mal. Sie fragte sich, ob Michael den Arm um ihre Schultern legen würde, wenn Spencer Tracy Katharine Hepburn küsste. Er tat es nicht. Doch als sie das Kino verließen, nahm er sie beim Überqueren der Straße an der Hand und ließ sie erst los, als sie das Café erreichten. Das war auch der Moment, in dem sie ihren ersten Streit hatten. Nun ja, ihre erste Meinungsverschiedenheit. Michael erklärte, dass er im November für Thomas Dewey stimmen würde, woraufhin Susan klarstellte, dass sie sich weiterhin Harry Truman im Weißen Haus wünschte. Der Kellner stellte eine Eiscreme vor Susan ab. Sie starrte das Eis an.
»Denk nicht mal dran«, warnte Michael.
Susan war nicht überrascht, als er sie am nächsten Tag anrief, obwohl sie über eine Stunde neben dem Telefon gesessen und so getan hatte, als würde sie lesen.
Michael hatte seiner Mutter beim Frühstück gestanden, dass es Liebe auf den ersten Blick sei.
»Du kennst Susan doch schon seit Jahren«, meinte seine Mutter.
»Stimmt nicht, Mom«, erwiderte er. »Ich habe sie gestern zum ersten Mal kennengelernt.«
Beide Elternpaare waren entzückt und kein bisschen überrascht, als sich Susan und Michael ein Jahr später verlobten, nachdem sie sich seit Susans Abschlussfeier so gut wie jeden Tag gesehen hatten. Beide hatten innerhalb weniger Tage nach ihrem Abschluss am College eine Anstellung gefunden, Michael als Trainee bei der Hartford-Lebensversicherungsgesellschaft und Susan als Geschichtslehrerin an der Jefferson High School. Sie beschlossen, in den Sommerferien zu heiraten.
Es war allerdings nicht geplant, dass Susan schon in den Flitterwochen schwanger wurde. Michael konnte seine Freude angesichts der Vorstellung, Vater zu werden, nicht verhehlen, und als ihnen Dr. Greenwood im sechsten Monat mitteilte, dass es Zwillinge würden, war er doppelt begeistert.
»Das löst zumindest ein Problem«, war Michaels erste Reaktion.
»Als da wäre?«, wollte Susan wissen.
»Einer kann Republikaner werden und der andere Demokrat.«
»Nicht, solange ich noch ein Wörtchen mitzureden habe«, erklärte Susan und rieb sich den Bauch.
Sie unterrichtete bis in den achten Monat, der zufällig mit den Osterferien zusammenfiel. Am achtundzwanzigsten Tag ihres neunten Monats ging sie mit einem kleinen Köfferchen ins Krankenhaus. Michael verließ vorzeitig seine Arbeit und stieß wenige Minuten später mit der guten Nachricht zu ihr, dass er zum Policen-Manager befördert worden war.
»Was bedeutet das?«, fragte Susan.
»Das ist ein hochtrabender Titel für einen Versicherungsvertreter«, erklärte Michael. »Aber es gibt eine kleine Gehaltserhöhung, und das kommt gerade recht, wo wir doch jetzt zwei Mäuler mehr zu stopfen haben.«
Sobald Susan auf ihrem Zimmer lag, schlug Dr. Greenwood Michael vor, während der Geburt draußen zu warten, da es bei Zwillingen leicht zu Komplikationen kommen könne.
Michael lief den langen Flur auf und ab. Vor dem Porträt von Josiah Preston, das an dessen anderem Ende hing, drehte er sich jedes Mal um und ging wieder zurück. Während der ersten Runden dieser Gewaltmärsche blieb Michael nicht stehen, um die ausführliche Biografie zu lesen, die unter dem Porträt des Krankenhausgründers angebracht war. Doch als der Arzt schließlich durch die Doppeltüren trat, kannte Michael Prestons gesamte Lebensgeschichte auswendig.
Die grün gekleidete Gestalt kam langsam auf ihn zu, bevor sie ihre Maske vom Gesicht nahm. Michael versuchte, den Gesichtsausdruck zu deuten. In seinem Beruf war es von Vorteil, wenn man Gesichtsausdrücke entschlüsseln und mögliche Vorbehalte erkennen konnte, denn beim Verkauf von Lebensversicherungen musste man sämtliche Ängste eines potenziellen Kunde voraussehen. Doch die Miene des Arztes verriet absolut nichts. Als sie einander gegenüberstanden, lächelte er plötzlich und sagte: »Ich gratuliere, Mr. Cartwright, Sie haben zwei gesunde Söhne.«
Susan war mit zwei Jungen niedergekommen - um 16.37 Uhr mit Nathaniel und um 16.43 Uhr mit Peter. In der folgenden Stunde herzten die Eltern ihre Söhne abwechselnd, bis Dr. Greenwood vorschlug, Mutter und Kinder sollten sich etwas ausruhen. »Zwei Kinder stillen zu müssen wird mehr als anstrengend für Sie. Ich gebe die beiden Kleinen über Nacht auf unsere Säuglingsstation«, fügte er hinzu. »Sie müssen sich keine Sorgen machen. Das tun wir bei Zwillingen immer.«
Michael begleitete seine Söhne auf die Säuglingsstation, wo man ihn erneut bat, auf dem Flur zu warten. Der stolze Vater presste die Nase gegen die Glasscheibe, die den Flur von den aufgereihten Kinderbettchen trennte. Er starrte die schlummernden Jungen an und wollte jedem, der vorüberging, zurufen: »Das sind meine zwei!« Er lächelte die Krankenschwester an, die neben den Bettchen der Neuankömmlinge stand und ein wachsames Auge auf sie hatte. Sie band Namensschilder um ihre winzigen Handgelenke.
Michael konnte sich nicht erinnern, wie lange er dort stand, bis er schließlich wieder an das Bett seiner Frau zurückkehrte. Als er die Türen öffnete, stellte er zu seiner großen Freude fest, dass Susan tief schlief. Er küsste sie sanft auf die Stirn. »Ich sehe dich dann morgen früh, mein Schatz, bevor ich zur Arbeit gehe«, flüsterte er, die Tatsache ignorierend, dass sie kein Wort hörte. Er verließ das Zimmer, marschierte den Flur entlang und trat in den Aufzug, wo er auf Dr. Greenwood traf, der seinen grünen OP-Kittel gegen eine Freizeitjacke und eine graue Flanellhosen getauscht hatte.
»Ich wünschte, es wäre immer so einfach«, sagte er zu dem stolzen Vater, als der Aufzug im Erdgeschoss hielt. »Trotzdem komme ich heute Abend noch einmal vorbei, Mr. Cartwright, um nach Ihrer Frau und Ihren Zwillingen zu schauen. Obwohl ich nicht mit Problemen rechne.«
»Danke, Doktor«, sagte Michael. »Vielen Dank.«
Dr. Greenwood lächelte. Er hätte das Krankenhaus verlassen, um nach Hause zu fahren, hätte er nicht in diesem Augenblick eine elegante Dame entdeckt, die durch die Schwingtüren trat. Rasch ging er zu Ruth Davenport hinüber.
Michael Cartwright sah sich noch einmal um. Der Arzt hielt gerade die Aufzugstüren für zwei Frauen auf, von denen eine hochschwanger war. Ein ängstlicher Gesichtsausdruck hatte das warme Lächeln von Dr. Greenwood abgelöst. Michael hoffte, dass der Neuzugang eine ebenso unkomplizierte Geburt haben würde, wie Susan sie zuwege gebracht hatte. Er schlenderte zu...
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