Schweitzer Fachinformationen
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KAPITEL 1
RORY
Das Blut dröhnt in meinen Ohren, als ich in meinem ersten Match für Vancouver Storm aufs gegnerische Tor zulaufe. Es steht unentschieden in der Verlängerung, und die Anfeuerungsrufe der Zuschauer werden ohrenbetäubend laut, als ich umsetze und den Puck in Richtung Netz dresche.
Er prallt von der Querlatte ab, und die Vancouver-Fans stöhnen vor Enttäuschung auf.
Stars schießen Tore, hat mein Vater, die kanadische Eishockeylegende Rick Miller, über die Jahre zigmal gesagt, und das Gleiche sage ich mir selbst, als ich mir inmitten des Durcheinanders aus Spielern erneut die Scheibe schnappe und kurz rückwärts gleite, bis ich frei stehe.
Ein Pfiff, die Spieluhr wird angehalten, und ich sehe zu der hübschen Frau, die schon den ganzen Abend meine Aufmerksamkeit erregt.
Hazel Hartley, eine der Physiotherapeutinnen des Vereins - bildschön und scharfzüngig, mit langen dunklen Wimpern, perfekt vollen rosa Lippen und den unglaublichsten graublauen Augen, die ich je gesehen habe - sitzt neben ihrer Schwester Pippa in der Torkurve und guckt, als wäre sie am liebsten überall, nur nicht hier.
Hazel Hartley, die an der Highschool meine Mentorin war und einen Freund hatte. Die mich nicht leiden kann und die keine Spieler mehr datet. Auch wenn Pippa ein Storm-Trikot mit dem Namen ihres Verlobten, unserem Torhüter Jamie Streicher, auf dem Rücken trägt, und obwohl Hartley für die Mannschaft arbeitet, habe ich sie seit der Highschool kein Trikot mehr tragen sehen. Mein Blick verharrt auf ihren kastanienbraunen Haaren, die sie sich zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hat, und an ihrer pastelllila Steppjacke; ich könnte schwören, dass sie darunter die schwarzen Leggins trägt, in denen ihr Hintern immer unfassbar aussieht.
Ich zwinkere ihr zu; sie verdreht die Augen.
Ich grinse; sie tut so, als müsste sie gähnen.
Bei diesem Hin und Her strömt ein elektrisierendes Prickeln durch meine Adern, das regelrecht süchtig macht. So ist es zwischen uns seit jeher, schon seit der Highschool.
Die Spieler gehen für das Bully in Position, und ich konzentriere mich wieder auf das Spiel. Auf den Rängen werden die Fans nervös. Sie wollen unbedingt gewinnen. Der Anpfiff erfolgt, und ich schieße vorwärts und treibe den Puck erneut aufs gegnerische Tor zu.
»Los, Miller!«, ruft Coach Ward von der Bank.
Wilde Entschlossenheit feuert mich an. Tate Ward wollte den Top-Scorer der Liga, und jetzt muss ich ihm zeigen, wofür er bezahlt hat. Ich bewundere den Mann, seit er selbst Spieler war.
In dieser Saison für ihn spielen zu dürfen wird das, was in meinem Kopf derzeit in Schieflage geraten ist, wieder geraderücken. Es muss einfach so sein.
Hayden Owens, unser Verteidiger, steht allein und hätte freie Schussbahn, aber Stars schießen Tore, und ich bin nicht hier, um den Puck bloß weiterzuschieben.
Ich feuere ihn in Richtung Torhüter. Diesmal landet er im Netz, und das Stadion explodiert, weil ich das Siegtor geschossen habe. Die Sirene ertönt, die Scheinwerfer blitzen, und meine Mannschaftskollegen stürmen auf mich zu. Drüben auf der Spielerbank wird gejubelt. Sogar unser ruhiger, ernster Trainer applaudiert. Ich warte auf das überwältigende Gefühl, den Stolz, der meine Brust jetzt erfüllen müsste.
Aber - da ist nichts. Die Fans rütteln an den Schutzscheiben, und die Mannschaft umringt mich, aber in mir ist lediglich nichtssagende, stille Leere.
Scheiße.
Das war früher anders. Früher hab ich mich bei jedem Tor überglücklich gefühlt, als könnte mir nichts etwas anhaben. Doch irgendwie bin ich abgestumpft, als würde ich nur noch To-dos abhaken. Eishockeyprofi und der Beste in der Liga zu sein war immer mein Traum. Trotzdem fühlt es sich inzwischen nur noch nach einem Job an.
Nach Vancouver zu wechseln und für Ward zu spielen, zusammen mit meinem besten Freund, unserem Goalie Jamie Streicher - all das hätte daran etwas verändern sollen.
»Guck nicht so, Miller!« Owens packt mich bei den Schultern und versucht, mich in den Schwitzkasten zu nehmen. »Du hast den Sieg für uns geholt!«
Lachend schüttele ich ihn ab und schiebe die mulmigen Gedanken beiseite, als wir am Tor vorbei auf die Spielerbank zulaufen. Als wir an Hazel vorbeikommen, kriegt sie von mir dieses rotzfreche, großspurige Grinsen, das sie jedes Mal zur Weißglut bringt.
Die Fans sehen zu, wie ich mit dem Schläger gegen die Schutzscheibe klopfe, während sie bloß aufblickt und eine Augenbraue hochzieht, als wollte sie sagen: Was ist, Arschloch?
Willst du ein Autogramm?, hauche ich tonlos und fahre mit der Hand ein paar Linien durch die Luft.
Sie verzieht den Mund zu einem eisigen Lächeln. Träum weiter, gibt sie zurück und steht auf.
Ich bin zum Bersten voll mit aufgeregter Nervosität. So wie Hartley springt sonst niemand mit mir um. Das hab ich an ihr schon immer gemocht.
Und unsere Kabbeleien sind derzeit das Einzige, wobei ich überhaupt irgendetwas fühle.
Neben ihr winkt Pippa mir grinsend zu. »Schönes Tor, Rory!«, ruft sie über die Scheibe hinweg.
Owens donnert die Faust gegen das Glas, winkt ihr zu, und sie lacht. Dann leuchtet sie regelrecht auf, als Streicher, ihr Verlobter, mit einem verhaltenen Lächeln auf sie zuläuft.
Als Pippa ihm ein Küsschen zuwirft, verspüre ich ein leichtes Ziehen in der Brust. Hinter ihr ist Hartley bereits die halbe Treppe hochgelaufen, und bei jedem Schritt wippt ihr Pferdeschwanz.
Sie trägt die Leggins wirklich, und ihr Hintern sieht darin wirklich unfassbar aus.
»Ich glaub, Hartley mag mich«, rufe ich den Jungs über die Musik in der Halle hinweg zu, während ich ihr immer noch hinterhersehe.
Owens lacht, und sogar der mürrische Streicher schnaubt.
»Keine Chance, Kumpel«, wiehert Owens und verpasst mir einen Klaps auf den Rücken, als wir das Eis verlassen.
Prompt melden sich meine Wettkampfinstinkte, die ich über Jahre des Hockeyspielens und Trainierens verfeinert habe. Herausforderungen liegen mir, und ich hasse es zu scheitern.
Dass Hartley mich so komplett ignoriert, sitzt wie ein Stachel in meinem Fleisch; ich mag sie, aber ich hab keinen Schimmer, wie ich an sie rankommen soll, dabei glaub ich, dass sie mich tief im Innern ebenfalls mag.
Hockey ist alles, sagt mein Dad immer. Hockey kommt immer an erster Stelle.
Sich auf eine Frau einzulassen ist da nicht ganz ungefährlich - trotzdem kriege ich Hazel Hartley nicht mehr aus dem Kopf.
»Miller?«, ruft Coach Ward, als ich gerade durch den Tunnel in Richtung Umkleide gehe. »Komm nach den Interviews mal in mein Büro.«
Ich nicke und steuere die Duschen an. In meinem Kopf dreht sich immer noch alles um Hazel.
Nach meinem Treffen mit Ward kehre ich in die Umkleidekabine zurück. Mir schwirrt der Kopf. Streicher ist noch da und klaubt gerade seine Sachen zusammen.
»Gut gespielt.« Er nickt anerkennend.
Ich beiße mir in die Wange, damit die wirren Gedanken - die Leere in mir, dass Siege mir nichts mehr geben - nicht ungehemmt aus mir herausplatzen. Streicher und ich spielen seit unserem sechsten Lebensjahr zusammen Eishockey, und ihm vertraue ich mehr als jedem sonst, aber nach dem, was Ward gerade oben verkündet hat, ist klar, dass ich ab sofort besser den Mund halte.
»Triffst du dich noch mit Pippa?«, frage ich stattdessen, als wir unsere Taschen schultern und gehen.
Normalerweise wartet sie in der Privatloge bei den anderen Partnerinnen und Angehörigen. Vielleicht ist ihre Schwester ja ebenfalls dort.
»Sie ist schon nach Hause gefahren. Sie wollte nicht länger bleiben, weil morgen doch unsere Verlobungsfeier ist.«
»Stimmt.«
Sie feiern morgen Abend in einem Restaurant in Gastown in der Nähe ihrer Wohnung.
Wir durchqueren den Eingangsbereich und nicken dem Stadionpersonal zum Abschied zu.
»Was wollte Ward eigentlich noch?«
Schlagartig bin ich wieder nervös. »Er hat mir in Aussicht gestellt, Kapitän zu werden.«
Streicher sieht mich genauso überrascht an, wie ich mich gefühlt habe. »Ernsthaft?«
»Ward erkennt ein Talent, wenn er es vor sich sieht.« Ich bedenke ihn mit meinem eingebildetsten Siegerlächeln - trotzdem zieht sich meine Brust vor Verunsicherung zusammen.
Besinne dich in dieser Saison auf das Wesentliche und verdiene dir den Posten, Miller, hat Ward gesagt. Sei der Kapitän, den diese Mannschaft braucht.
Als ich im vergangenen Jahr noch für Calgary gespielt habe und bevor wir uns wieder zusammengerauft hatten, bin ich auf dem Eis heftig mit Streicher zusammengerauscht. Bei einem anderen Match hatten die Fans mich genervt, bis ich ihnen den Mittelfinger gezeigt habe - was uns einen Strafschuss und mir für den Rest der Woche Sendezeit in den Sportnachrichten eingehandelt hat. Und als heute die Torsirene ertönte und die Mannschaft mir gratulierte, war es mir egal.
Nichts von all dem macht einen guten Kapitän aus. Ich bin keine Führungsfigur. Ich bin das Arschloch. Der Superstar. Derjenige, den die Leute am liebsten hassen.
»Und machst du's?«, will er von mir wissen.
»Ich muss.« Ich habe einen Kloß im Hals. »Ich hab immerhin nur einen Jahresvertrag.«
Als Ward die Mannschaft im Jahr zuvor übernommen hatte, nahm er eine...
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