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Kapitel 1
Jamie
Der linke Flügel skatet auf das Tor zu und feuert den Puck mit Wucht in meine Richtung. Als er mit einem satten Klatschen in meinem Fanghandschuh landet, pulsieren Wettkampfgeist, Ehrgeiz und Genugtuung gleichzeitig durch meine Adern.
»Shutout-Streicher!«, ruft mir mein neuer Teamkollege im Vorbeilaufen zu, und ich werfe den Puck mit einem kurzen Nicken zurück aufs Eis. Ein Spitzname, den mir die Fans in New York verliehen haben. Als ich letztes Jahr die Vezina Trophy, die Auszeichnung für den besten Torhüter der NHL, gewonnen habe, wurde in der Rede über meine Leistungen darauf Bezug genommen, da ich außergewöhnlich viele Spiele ohne ein einziges Gegentor absolviert hatte.
Die Coaches stehen in der Nähe der Ersatzbank, beobachten das Spiel, machen sich Notizen und tauschen sich über die Leistung der Mannschaft aus. Als der nächste Puck an mir vorbeigeht, zieht sich mein Magen zusammen. Der Blick des Cheftrainers zuckt zu mir, doch sein Gesichtsausdruck ist nicht zu deuten.
Vor zwei Wochen habe ich als Free Agent - als vereinsloser Spieler - unterschrieben, unter meinem eigentlichen Wert, damit ich für Vancouver Storm spielen kann. Nach der Panikattacke, die zu ihrem Autounfall geführt hat, hat Mom beteuert, dass es ihr gut gehe, aber die Tatsache, dass sie die Attacken vor mir geheim gehalten hat, reicht aus, um mir sicher zu sein, dass es eher schlimmer als besser wird. Weil mich das Team für kleines Geld unter Vertrag genommen hat, stelle ich für sie eine attraktive Vermögensanlage dar. Man könnte mich für eine sehr viel höhere Summe verkaufen, ohne dass ich dabei ein Mitspracherecht hätte. Ich bin wie eine Immobilie, bei der sie einen guten Deal gemacht haben, und die, sollten sie was Besseres finden, einfach verschachert werden kann.
Sorge durchströmt mich. Meine Mutter leidet seit Jahren an Depressionen und Angstzuständen, nachdem mein Dad bei einem selbst verschuldeten Autounfall unter Alkoholeinfluss ums Leben gekommen ist, als ich noch ein Baby war. Doch in meiner Abwesenheit hat es sich in etwas sehr viel Schlimmeres gewandelt.
Aus Vancouver wegzuziehen, ist keine Option, und ich werde den Sport, den ich liebe, auf keinen Fall aufgeben, deswegen muss diese Saison gut laufen. Ich muss mein Bestes geben und meinen Topspieler-Status erhalten, damit sie mich nicht verkaufen. Dieses Jahr muss ich mich einzig und allein darauf konzentrieren.
Während das Training weitergeht und ich meine Teamkollegen bei ihren Übungen beobachte, rufe ich mir in Erinnerung, was ich aus früheren Spielen über die Mannschaft weiß. Ich habe schon gegen Vancouver Storm gespielt und erkenne einige Gesichter wieder, aber diese Typen sind mir nicht so vertraut wie mein altes Team. Für New York habe ich sieben Jahre lang gespielt, seit ich neunzehn war. Die Trainer hier sind mir genauso fremd wie die Stadt, die sich alles andere als nach einem Zuhause anfühlt, seit ich sie verlassen habe, um in die Junior League einzusteigen. Aber Vancouver ist nun mal der Ort, an dem ich gerade sein muss.
Es fühlt sich an, als würde ein schweres Gewicht auf meine Brust drücken. Heute ist Trainingsauftakt der neuen Saison, und ich stand noch nie unter einem derartigen Leistungsdruck.
Als der Pfiff ertönt, skate ich mit den anderen Spielern zur Bank.
»Sieht schon mal gut aus, Jungs«, sagt der Trainer, nachdem wir uns um ihn versammelt haben.
Zum Abschluss der vergangenen Saison - eine der schlechtesten in der Geschichte der Storms - hat Tate Ward für Schlagzeilen gesorgt, als er als neuer Cheftrainer angekündigt wurde. Der Mann ist Ende dreißig und damit nicht viel älter als einige meiner Mannschaftskollegen; er hatte eine vielversprechende Karriere als Stürmer in der Liga, bis eine Knieverletzung dieser ein abruptes Ende setzte. Bis letztes Jahr hat er College-Teams trainiert, und nach allem, was ich gelesen habe, sind die Fans skeptisch. Head Coaches sind in der Regel älter und haben mehr Erfahrung als Trainer auf Profi-Ebene.
Als Ward zu mir sieht, spanne ich unter meiner Maske den Kiefer an.
»In den nächsten Saisons steht uns viel Arbeit bevor«, sagt er und schaut dabei von einem zum anderen. »Die letzte haben wir in der Nähe des Tabellenkellers beendet.«
Auf einmal fühlt es sich an, als wäre die Luft dicker geworden. Die Jungs wackeln nervös auf ihren Schlittschuhen. Jetzt kommt der Teil, in dem die meisten Trainer ihre Spieler auf ihre Schwächen hinweisen. Darauf, was das Team im letzten Jahr verbockt hat. Als Nächstes wird er uns eintrichtern, dass Verlieren keine Option ist.
Als wüsste ich das verdammt noch mal nicht.
»Es kann also nur aufwärts gehen«, sagt Ward jedoch stattdessen und grinst in die Runde. »Geht duschen und ruht euch aus. Wir sehen uns morgen.«
Meine Mitspieler verlassen das Eis, während ich mir mit einem Stirnrunzeln den Helm vom Kopf ziehe. Ich bin mir sicher, dass Wards entspannte Fassade bröckeln wird, sobald in ein paar Wochen die Saison beginnt und der Druck real wird.
»Streicher«, ruft Ward, als ich den Gang zur Umkleide hinunterlaufe. Er holt mich ein, wartet jedoch ab, bis die anderen Spieler den Flur runter verschwunden sind, bevor er fortfährt: »Wie hast du dich bisher eingelebt?«
»Gut.« Meine Wohnung steht voller Kartons, die ich aus Zeitmangel noch nicht ausgepackt habe. »Danke, dass Sie sich, ähm, dass Sie sich um das Apartment gekümmert haben. Und um den Umzug.«
Die Muskeln in meinen Schultern verspannen sich unwillkürlich, und ich fahre mir mit einer Hand durch die Haare. Ich hasse es, Hilfe von anderen anzunehmen.
Ward winkt ab. »Es gehört zu unserem Job, euch bei der Eingewöhnung zu unterstützen. Viele Spieler bitten sogar um eine Assistenz. Jemanden, der beim Auspacken hilft, sich ums Essen kümmert, deinen Wagen in die Werkstatt bringt, mit dem Hund Gassi geht, solche Sachen.«
»Ich habe keinen Hund.«
Er lacht auf. »Du weißt schon, was ich meine. Wir sind dafür da, um dich mit allem zu versorgen, was du benötigst, damit du dich voll und ganz aufs Eis konzentrieren kannst. Melde dich einfach, wenn du was brauchst.«
Ich brauche keine Hilfe, um mich aufs Eis zu konzentrieren. Ich habe mein Leben auf die zwei Dinge reduziert, die wichtig sind - Eishockey und meine Mom.
»Klar, mach ich«, sage ich in dem Wissen, dass ich niemals um irgendetwas bitten werde. Ich war schon immer der Typ, der sich um sich selbst kümmert. Daran wird sich nichts ändern.
Ward senkt seine Stimme. »Und falls deine Mutter irgendeine Form von Unterstützung benötigt, kümmern wir uns auch darum gerne.«
Als ich um den Transfer nach Vancouver gebeten habe, war er derjenige, der mich angerufen hat, um mich nach meinen Gründen zu fragen. Ich habe ihm alles erzählt. Er ist der Einzige, der über meine Mom Bescheid weiß.
Panik steigt in mir auf. Genau deswegen hätte ich meinen verdammten Mund halten sollen. Jetzt wollen sich die Leute einmischen, und jede Zelle in mir wehrt sich dagegen.
Mein Terminplan dieses Jahr ist zermürbend: zweiundachtzig Spiele, davon die Hälfte in Vancouver, die andere auswärts, dazu kommen Mannschaftstrainings, Einheiten mit dem Torwarttrainer und meine eigenen Work-outs; und schließlich die Sitzungen mit meinem Physio- und meinem Massagetherapeuten, dem Sportpsychologen und einem Personal Trainer. Bei dem Gedanken daran spüre ich eine Mischung aus Ehrgeiz und Vorfreude in mir aufsteigen. Ich spiele Eishockey, seit ich fünf war, und ich liebe Herausforderungen. Druck spornt mich an. Jahrelanges Training hat mich zu einem Menschen gemacht, der es liebt, an seine Grenzen zu gehen und zu gewinnen. Doch dieses Jahr steht mir mit meiner sturen Mom und meinem engen Terminkalender eine verdammt große Challenge bevor. Allerdings keine, mit der ich nicht umgehen kann, solange ich fokussiert bleibe.
»Wir kommen klar«, lehne ich sein Angebot mit knappen Worten ab. »Danke.«
Es gab immer nur meine Mom und mich. Ich habe alles im Griff. Wie immer schon.
Nachdem ich geduscht und mich umgezogen habe, verlasse ich das Stadion, um mir etwas zum Mittagessen zu holen und mich zu Hause kurz aufs Ohr zu legen, bevor ich ins Fitnessstudio gehe.
Als ich die enge Gasse durchquere, die vom Eisstadion zur Straße führt, höre ich in der Nähe der Müllcontainer ein Geräusch und bleibe stehen. Aus einem Karton lugt der flauschige braune Hintern eines Hundes heraus. Als er mich bemerkt, hebt er den Kopf und sieht mich an. Seine Schnauze ist von Makkaroni mit Käse verschmiert.
Ich starre zurück.
Der Hund beginnt mit dem Schwanz zu wedeln. Seine Augen sind tiefbraun und leuchten vor Aufregung. Die Rasse ist schwer zu bestimmen; ich schätze, dass er etwa zwanzig Kilo wiegt, vielleicht eine Labrador-Spaniel-Mischung. Ein Ohr ist kürzer als das andere.
Als er einen Schritt nach vorne macht, weiche ich einen zurück. »Wehe!«, drohe ich ihm.
Der Hund lässt sich auf den Boden plumpsen und rollt sich auf den Rücken, um mit entblößtem Bauch darauf zu warten, dass ich sie - denn dass es sich um eine Sie handelt, ist nun eindeutig zu erkennen - kraule, während ihr Schwanz über den Asphalt fegt.
Wo ist ihr Besitzer? Ich sehe die Gasse hinauf und hinunter, aber außer uns beiden ist niemand hier. Während ich sie genauer mustere, rümpfe ich die Nase. Kein Halsband, und ihre Schnauze ist auch unter all den zermatschten Nudeln schmutzig und schmierig. Ihr Fell ist zu lang und fällt ihr in die Augen, doch obwohl sie dringend einen Haarschnitt...
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