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Über Gewalt wird noch immer mehr geschwiegen als offen gesprochen und angeklagt. Jedenfalls dann, wenn es um die Opfer geht. Und erst recht, wenn es Opfer familiärer Gewalt sind. Über Kindesmissbrauch und über Vergewaltigung in Beziehungen reden auch die Menschen im «aufgeklärten» Westen nicht oder viel zu selten - nicht nur die Täter, auch die Opfer und Zeugen schweigen in der Mehrzahl der Fälle. Die Dunkelziffer bei diesen Gewalttaten ist nach wie vor erheblich.
Nourig Apfeld hat mit diesem Buch ein Schweigegebot gebrochen, das in vielen Kulturen über familiärer Gewalt zu liegen scheint und dem sie sich selber viele Jahre lang unterworfen hat. Sie hat das Schweigen über den Mord an ihrer Schwester gebrochen, der als «Ehrenmord» gerechtfertigt wurde, und sie hat das Schweigen über ihre Zeugenschaft an diesem Mord gebrochen.
Nourig Apfeld arbeitet in ihrem Buch die Vorgeschichte dieses Mordes auf; sie lässt uns die sich immer auswegloser entwickelnde Dynamik nachempfinden, die auf die Tat zutreibt, sie lässt uns die Tragik nachempfinden, die im Mord an einer jungen Frau gipfelt. Sie tut das zornig und analysierend, von Trauer erfüllt und bedachtsam, entsetzt und gefasst. Sie tut das sogar mit Mitgefühl für ihre Eltern, die Täter und Opfer in einer sich immer gewalttätiger gestaltenden Familiensituation wurden. Nourig Apfeld richtet nicht. Sie berichtet nicht aus einem Gefühl der Rache. Sie will nicht weiter zerstören, wo schon viel zu viel zerstört wurde.
Erkennbar wächst in der Auseinandersetzung mit dem Mord an ihrer Schwester eine junge Frau über ihre Zeugenschaft hinaus - Nourig Apfeld ist Anklägerin, gewiss, aber auch Mahnerin, die uns Hoffnung macht, das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen könne menschlicher werden, wenn wir über familiäre Gewalt mit all ihrer Vernichtungskraft offen sprechen.
Kinder und Frauen sind bis heute in allen Ländern der Erde bevorzugte Opfer von gewalttätigen Männern.
In den meisten Staaten und Regionen sind Gewalttaten gegen Kinder tabuisiert, jedenfalls, wenn sie das Maß der physischen Vernichtung erreichen und die Tat offenkundig wird. Erst dann werden sie vom Gesetz bekämpft, von der öffentlichen Meinung verurteilt und von den Tätern und Täterinnen in aller Regel wenigstens nachträglich bedauert.
Die Gewalt, über die Nourig Apfeld in diesem Buch schreibt, gehört einer anderen Kategorie an. Die im Mord an ihrer Schwester gipfelnde Gewalt wird in ihrer Familie nicht etwa nachträglich verdammt, sondern moralisch gedeckt und gebilligt. Das gilt ebenso für die vielen Grausamkeiten, die Schläge, die Demütigungen, die Sanktionen, die Zwangsverheiratung, die die Schamschwelle der Täter so weit herabgesetzt haben, dass diese letzte Tat möglich war. Die Autorin ist Zeugin eines «Ehrenmordes» geworden, und sie legt selbstkritisch Zeugnis über ihr langes Ringen ab, an dessen Ende sie das Schweigen über diese Tat endlich bricht.
Gewalt und schließlich Mord im Namen eines fehlgeleiteten und pervertierten Ehrbegriffs stellt den unverbrüchlichen Besitz von Männern an Frauen über deren Lebensrecht. Alltägliche Gewalt und Zwangsheirat töten schleichend, der «Ehrenmord» unmittelbar. Beides ist Mord im Brustton patriarchaler Überzeugung. Die UNO schätzt, dass jährlich 5000 «Ehrenmorde» begangen werden, in China, in Indien und Pakistan, in Ländern des Nahen Ostens, in Südamerika, in Afrika. In der Türkei fallen nach Polizeiangaben über 1000 Menschen (Frauen und Männer) jährlich dieser Tat zum Opfer. Ungeklärte Todesfälle, «Selbstmorde», um dem «Ehrenmord» zuvorzukommen, und Verschollene nicht eingerechnet. Hauptregion sind die kurdischen Gebiete im Osten und Südosten des Landes.
Der «Ehrenmord» ist aber auch in Europa angekommen - als Einfuhrartikel von Migranten, die ihre frauen- und kinderfeindliche Haltung aus ihrer alten in ihre neue Heimat importiert haben. In den letzten drei Jahren sind die in Deutschland angezeigten Taten um das Zehnfache gestiegen - sicherlich auch der allmählich zunehmenden Bereitschaft von Mitwissern und Zeugen zu verdanken, sich aus dem erzwungenen Schweigegelübde zu lösen. Mutige Autorinnen, die erst die öffentlichen und kontrovers geführten Debatten auslösten, haben dazu beigetragen.
Auch der Streit um die Ursachen ist in Europa angekommen. Ist der Islam schuld? Sind es überkommene Stammesstrukturen, die plötzlich erneut festigende Kraft für Migranten gewinnen, wenn sie in der modernen, für sie oft unüberschaubaren Welt des Westens nicht zurechtkommen? Ist es der ungebrochene Machismo traditioneller Gesellschaften, der auf weibliche Eigenständigkeit auch hierzulande nur mit Gewalt reagieren kann? Ist es begünstigt durch Demütigungen und ungerechte Lebensumstände von Migranten, die sich ein Ventil in Gewalttaten gegen Schwache aus den eigenen Reihen suchen?
Nourig Apfeld nimmt uns die notwendige Auseinandersetzung um all diese Fragen nicht ab. Sie berichtet. Sie wertet auch. Aber sie will kein letztes Wort sprechen. Sie liefert uns erschütternde Eindrücke und Ansichten über die von ihr erlebte Gewalt, zu der zuerst ihre Mutter greift, der sich nach und nach der Vater anschließt und die am Ende von ihren Cousins auf den Gipfel des Schreckens getrieben wird. Der Haupttäter schmückt seine Brutalität mit religiösen Phrasen. Aber ein regelmäßiger Moscheegänger ist er nicht, und auch die vorgeschriebenen fünf Gebete hält er nicht ein. Wäre er als eifernder «echter Muslim» weniger gefährlich geworden? Oder noch gefährlicher?
«Ehre ist», erklären auf einem Plakat zwei junge Männer, die alle Vorurteile über türkischstämmige Machos aufs wunderbarste bedienen - von der Frisur über das Kettchen bis zum grimmigen Blick -, «Ehre ist, für die Freiheit meiner Schwester zu kämpfen.» Ein beeindruckendes Projekt aus Berlin, das vor einigen Jahren für Aufmerksamkeit sorgte: «Ihre Freiheit - seine Ehre». Geblieben ist von der Kampagne nicht sehr viel, aber immerhin wird die Aufklärung gegen die Zwangsheirat fortgeführt, eine Methode der Frauenunterdrückung aus den genannten Regionen, die sicherlich weitaus häufiger vorkommt als der «Ehrenmord» und häufig in der schleichenden Vernichtung der betroffenen Frau endet. In Nourig Apfelds Familie war die Zwangsverheiratung die Vorstufe zum «Ehrenmord» an ihrer Schwester - so nah hängen beide Brutalitäten zusammen.
Kampagnen gegen Zwangsheirat gibt es heute in mehreren Bundesländern, Aufklärungsaktionen an Schulen finden statt, und ein Gesetzentwurf gegen die Zwangsheirat ist in Arbeit: Ein Anfang ist gemacht. Gesetzgeber und Zivilgesellschaft müssen gegen diese Gewalt weiterhin gemeinsam und öffentlichkeitswirksamer als bisher vorgehen. Das war auch in einem anderen Fall erfolgreich, das zeigt ein kurzer Blick zurück: Vergewaltigung - erst recht in der Ehe - war im Westen jahrhundertelang ein «Kavaliersdelikt». Die Erkenntnis, dass sie ein Verbrechen ist, hat in Deutschland erst seit den siebziger Jahren um sich gegriffen und wahrscheinlich noch immer nicht jeden Stammtisch erreicht.
Gewalt gegen Frauen und Kinder, Gewalt ganz generell im Umgang zwischen Menschen, muss gesellschaftlich tabuisiert werden. Dafür braucht die Gesellschaft authentische Berichte der Opfer. Nur so kann die heimliche oder offene Kumpanei mit den Tätern ein Ende finden. Statt ihrer müssen die Opfer in den Blick genommen werden, sie dürfen nicht länger beschwiegen werden. Beschöniger, Rechtfertiger und Gleichgültige müssen als das dastehen, was sie sind: Mittäter.
Und was ist mit dem Islam? Es gibt ihn nicht, jedenfalls nicht als einheitlich ausgelegte und ausgeübte Religion. Es gibt Muslime, die Gewalttaten gegen vermeintlich oder tatsächlich Schwächere verabscheuen. Es gibt Muslime, die solche Gewalt rechtfertigen, weil Muhammed angeblich dieses oder jenes in diesem Sinne von Allah eingeflüstert und offenbart wurde. Absurd! Es wäre ein schlechter Gott, der seine weiblichen und seine kindlichen Geschöpfe auf dem Altar männlicher Machtansprüche schlachten lässt. Der Gott, der Mord und Totschlag befiehlt und bejubelt, hat ausgedient. Er ist ohnehin nur ein Götze der Macht gewesen, mehr nicht. Das sollten auch Imame klarstellen, das sollte in Moscheen zum Thema werden, das muss in einem Islamunterricht gelehrt werden, der die hier geltenden Grund- und Menschenrechte nicht nur verbal und aus reiner Taktik heraus anerkennt.
Eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen hat herausgefunden, dass die Korrelation bei jungen muslimischen Männern zwischen Gewaltbereitschaft, Machogehabe und Religiosität sehr hoch ist. «Je religiöser, umso gewaltrechtfertigender und -bereiter», so die Quintessenz der repräsentativen Umfrage.
«Die muslimische Religion», schlussfolgert der Direktor des Instituts Christian Pfeiffer, «fördert die Akzeptanz der Machokultur.» Religiosität als ideologische Rechtfertigung von Machtansprüchen und Männergewalt war auch hierzulande lange üblich. Die Aufklärung, die Gleichberechtigung und die noch längst nicht vollständig durchgesetzte individuelle Gleichheit mussten gegen diese religiös überhöhten Herrschaftsinteressen erkämpft werden. Dass diese Gesellschaft hinter diese historischen Erfolge nicht zurückgehen wird, müssen wir auch unseren muslimischen Mitbürgern klarmachen.
Nourig Apfeld hat ein mutiges Buch geschrieben. Sie beschönigt nichts, rechtfertigt nichts, geht mit sich selbst hart ins Gericht und schont auch die Einwanderungsgesellschaft und ihre Institutionen nicht. Was...
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