Schweitzer Fachinformationen
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Ich war nur rund zwanzig Minuten draußen gewesen, doch in der Zeit schien sich jeder Büroangestellte aus Washington ins Filibuster gequetscht zu haben. Aus der Musikbox erklang ein altes Lied von Madonna, und die Männer, die sich das Basketballspiel ansahen, johlten und jubelten. Mit meinen rotgeränderten Augen und der laufenden Nase schämte ich mich unsäglich - und mein neuer Status als quasi Unberührbare machte alles noch schlimmer.
»Lass Dempsey in der Mitte sitzen«, befahl Lindsay Stephanie. »Die Leute sollen sie nicht anglotzen.« Stephanie stand auf und ließ mich durch. Dankbar drückte ich ihr die Hand.
»Wir haben ein kleines Problem«, sagte Lindsay leise. »Dempsey wurde gerade rausgeworfen.«
»Das können die nicht bringen«, sagte Stephanie. »Das verstößt gegen das Gesetz. Oder nicht?«
Lindsay und ich zuckten mit den Schultern. Wir drei hatten uns zwar im Jurastudium kennengelernt, aber keine von uns hatte Kurse in Arbeitnehmerrecht belegt.
»Ich bin durch mit Washington!« Mit den Fingern malte ich Kreise in den feuchten Glasabdruck auf der Tischplatte. »Ihr guckt euch besser schon mal nach einer neuen Mitbewohnerin um.«
»Ach, hör auf!«, schimpfte Stephanie. »Übertreib nicht so. Hodder & Associates ist eine der bekanntesten PR-Firmen der Stadt. Das weiß jeder. Die werden sich gegenseitig überbieten, um dich zu engagieren. Alex schreibt dir doch bestimmt ein gutes Zeugnis, oder? Ich meine, da steht mit Sicherheit nicht drin, dass du gefeuert wurdest. Das darf er nicht, oder?«
»Ruby sprach davon, mir die Nummer eines Vermittlungsberaters zu geben. Wohl so eine Art Headhunter. Aber sie hat nichts davon gesagt, wer die Kosten übernimmt. Und ich schätze, solche Berater verlangen richtig Geld.«
»Du kennst massenweise Leute in dieser Stadt. Und wir auch«, sagte Stephanie. Sie holte ihren Blackberry hervor und scrollte durch ihre Kontaktliste. »Wir lassen einfach unsere Beziehungen spielen.«
Vom Eingangsbereich der Kneipe erscholl Geschrei. Wir sahen hinüber. Offenbar war das Spiel schlecht ausgegangen, ein Nachrichtensender war eingeschaltet worden. Und wieder konnte man in HD sehen, wie ich hinter Alex hertrippelte, meinem Untergang entgegen.
»Das guckt gerade jeder in dieser Stadt.« Ich wandte den Blick ab. »Alle hören die beiden Wörter >Hodder< und >Skandal<. Mein Ruf ist im Eimer.«
»So ein Schwachsinn«, sagte Stephanie. »Alex wird das schon durchstehen. Und du auch. Du weißt doch, wie so was läuft. Warte einfach ab. Morgen wird eine andere Sau durchs Dorf getrieben. Ein Kongressabgeordneter, der seine Praktikantin befummelt hat, ein kleiner Krieg am Arsch der Welt, und niemand erinnert sich mehr an Hoddergate.«
»Sie hat recht«, sagte Lindsay. »Ist ja nicht so, dass du etwas getan hättest. Gegen dich liegt keine Anzeige vor, oder?«
Ich versuchte zu lächeln. Es fühlte sich falsch an. »Ruby sagt, das FBI hätte meine Festplatte mitgenommen. Mit allen E-Mails der letzten sechs Monate.«
»Du meine Güte!«, rief Stephanie. »Auch meine Mails vom letzten Oktober, als ich so lange auf meine Tage gewartet habe? Die hast du doch gelöscht, oder? Und die über meine zickige Chefin?«
Lindsays Gesicht nahm einen leicht grünlichen Farbton an. »O Gott! Ich hab dich doch gefragt, ob Alex mal Licatas Büroleiter anhauen könnte wegen einem Job für meine Cousine. Du Scheiße! Hinterher glaubt das FBI noch, dass ich mit diesem Kram etwas zu tun habe!«
»Scheiße«, sagten wir drei wie aus einem Munde.
Wieder klingelte mein Handy. Ich schaute aufs Display. Es zeigte eine kalifornische Vorwahl.
»Das ist Lynda«, sagte ich düster. Ich ließ das Handy fünfmal klingeln. Dann hörte es auf, nur um sofort von neuem zu beginnen. »Ich will jetzt nicht mit ihr sprechen.«
»Du willst nicht drangehen, wenn deine Mutter anruft?«, fragte Lindsay. »Ganz schön herzlos, oder?«
»Ihr habt meine Mutter doch bei der Abschlussfeier kennengelernt«, erinnerte ich die beiden. »Kam sie euch da wie der Typ Mensch vor, mit dem man mitten in einer Krise sprechen will?«
Das Telefon verstummte und klingelte nach kurzer Pause wieder los.
»Stell entweder das Klingeln ab oder geh dran!«, schimpfte Stephanie. Ich stand auf, sie ließ mich vorbei.
Draußen in der Gasse holte ich tief Luft und drückte auf die grüne Taste. »Lynda?«
»Schätzchen!«, rief sie. »Ich sehe dich gerade auf CNN. Also, sei bitte nicht böse, wenn ich dir das sage, aber du solltest wirklich mal zu mir kommen, damit mein Stylist was aus deinen Haaren machen kann. Vielleicht ein paar Stufen reinschneiden, damit die Wangenknochen nicht so hart wirken. Du hast nun mal diese unseligen Wangenknochen von den Killebrews, mit denen man immer ein bisschen wie ein Indianerhäuptling aussieht. Und dann die Farbe! Was ist das für eine Farbe?«
Ohne nachzudenken, betastete ich meine Wange und zog an einer Haarsträhne, um nachzusehen, was damit nicht stimmte. Meine Haare hatten einen für mein Empfinden absolut schönen dunkelbraunen Farbton.
»Mom, das ist meine normale Haarfarbe«, sagte ich. »Ich habe gar nichts damit gemacht.«
»Quatsch!«, entgegnete sie forsch. »Egal, deshalb musst du ja nicht dein Leben lang brünett bleiben. So wie du gerade im Fernsehen aussiehst, brauchst du dringend ein komplettes Umstyling, da fängt man am besten mit den Haaren an. Von deiner Kleidung möchte ich gar nicht erst reden. Verrat mir mal bitte, ob alle jungen Frauen in Washington so enge Röcke und High Heels tragen müssen! Damit siehst du aus wie eine Gefängniswärterin!«
Ich schloss die Augen und versuchte mir meine Mutter in ihrem Juwelierladen in San José vorzustellen, wo sie auf einen kleinen Fernseher schaute. Sie trug mit Sicherheit Kleidung in leuchtenden Blau-, Grün- und Gelbtönen, denn die hatte sie zu ihrem Markenzeichen ernannt, vielleicht ein fließendes Seidentop mit Blumenmuster und eine Yogahose. Bestimmt war sie barfuß, hatte French Pedicure auf den Zehnägeln und trug einen Ring - selbstverständlich von ihr entworfen - am zweiten Zeh links und rechts. Es war fast sechs Uhr in Washington, entsprechend war es in Kalifornien kurz vor drei. Zu der Uhrzeit genehmigte Lynda sich gerne ein Perrier mit Limette und Wodka - natürlich kohlenhydratarmer Wodka.
»In Washington erwartet man von den Frauen, sich businessmäßig zu kleiden«, sagte ich. »Ohne Zehenringe und sichtbare Tattoos.« Lynda hatte sich vor gut zehn Jahren einen Schmetterling auf den Hintern stechen lassen.
»Ein Grund mehr, schnell von da zu verschwinden und in das nächste Flugzeug gen Süden zu steigen«, sagte sie. »Hast du wirklich so großen Ärger?«
»Ich weiß es nicht«, gab ich zu. »Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen. Jedenfalls nicht absichtlich. Ich bin nur ein ganz kleiner Fisch. Das FBI hat es wahrscheinlich auf den superdicken Fisch abgesehen - den Kongressabgeordneten Licata.«
»Die verfluchten Republikaner«, schimpfte Lynda. »Null Sinn für Humor.«
»Nicht wenn es um Bestechung geht.«
Ich hörte leise Eiswürfel klirren und nahm an, dass sie sich noch einen Drink machte.
»Ich komme schon klar«, sagte ich zuversichtlich. Nie im Leben würde ich gegenüber meiner Mutter zugeben, dass ich bereits gefeuert war und das FBI, noch während wir miteinander sprachen, die E-Mails meiner besten Freundinnen über zickige Chefinnen und verspätete Perioden las. »Hodder & Associates ist eine der Topfirmen in Washington. Und ich habe ein bisschen Geld zurückgelegt.«
»Natürlich«, sagte Lynda. »Du warst immer schon das vernünftigste Kind, das ich kannte. Von Anfang an wusstest du, was zu tun ist. Kamst praktisch mit einem Filofax in der Hand zur Welt. Als kleines Mädchen hast du mir immer diktiert, was ich in deine Wickeltasche packen soll. Ich zweifele keinen Moment daran, dass du klarkommst. Nur eines würde ich noch furchtbar gerne wissen. Du kannst es mir ruhig sagen. Ich meine, wir wissen ja beide, dass ich nicht die typische Fußballplatz-Mutti im Jogginganzug bin, oder?«
Ich musste lachen. Allein die Vorstellung von Lynda im Jogginganzug! Polyester und Gummibündchen! »Na gut. Was willst du wissen?«
»Dieser Alex Hodder«, sagte sie langsam. »Ich sehe ihn gerade im Fernsehen und muss gestehen, dass er ein gutaussehender Kandidat ist. Ich hatte schon immer eine Schwäche für Männer mit kantigem Gesicht und Südstaatenakzent. So hat mich dein Vater direkt bei unserem ersten Date ins Bett bekommen, der Schlawiner. Du schläfst doch mit diesem Alex, oder? Ich meine, wenn du in diesem Schlamassel mit drinsteckst, kümmert er sich doch um dich, nicht?«
»Nein, Lynda«, sagte ich. »Ich schlafe nicht mit Alex Hodder. Er ist verheiratet.«
»Hmm«, brummte sie. »Besonders verheiratet sieht der mir nicht aus.«
»Ich lege jetzt auf«, verkündete ich. »War schön, mit dir zu reden, Lynda.«
»Warte!«, rief sie schnell. »Denk darüber nach, was ich dir gesagt habe. Das mit deinen Haaren, meine ich. Leonard kann dir ein Flugticket schicken. Wir könnten uns ein gemeinsames Wellness-Wochenende gönnen. Wäre das nicht herrlich?«
»Ja«, sagte ich düster, klappte das Handy zu und ging in die Kneipe zurück. Es war jetzt ganz dunkel, die Temperatur schien um zehn Grad gefallen zu sein, es begann zu regnen.
Wieder klingelte mein Handy. »Verdammt«, stieß ich aus. Meine Eltern erinnerten sich plötzlich an ihre...
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