Schweitzer Fachinformationen
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Mary Bliss setzte den Blinker, als sie sich ihrer Einfahrt näherte. Katharine schaltete ihn wieder aus, wobei sie den Drink verschüttete, den sie sich auf der Rückfahrt vom Club gemixt hatte. Wenn Mary Bliss richtig gezählt hatte, war es Katharines siebter Gin Tonic an diesem Abend.
»Das machst du immer«, sagte Katharine. »Für wen blinkst du eigentlich? Es ist fast Mitternacht. Hier ist kein Mensch unterwegs. In Fair Oaks leben sechshundertsiebenundachtzig Leute, und sechshundertfünfundachtzig von ihnen liegen schlafend in ihrem Bett. Wir sind als Einzige in dieser verdammten Stadt noch wach. Wir sind die Einzigen, die einen Puls haben, verdammt nochmal.«
Mary Bliss blinkte erneut und bog ab. »Nach meiner Zählung sind es sechshundertvierundachtzig. Parker ist vermutlich noch auf und wartet auf mich. Und vergiss bitte nicht, mindestens eine unserer Nachbarinnen ist auch noch wach und hat auf dem Parkplatz des Winn-Dixie Geschlechtsverkehr. Außerdem verstößt es gegen das Gesetz. Stell dir vor, jemand rast jetzt hinter uns die Straße entlang, ein Krankenwagen oder die Feuerwehr. Die fahren uns glatt hintendrauf. Du kannst ja gern wie eine gesengte Sau fahren, aber wenn ich am Steuer sitze, fahre ich genau so. Sicher.«
»Bei dir ist immer alles sicher«, knurrte Katharine und wischte mit ihrem Strandkleid den Gin Tonic vom Sitz auf. »Du bist die einzige Frau, die ich kenne, die sich noch im Sarg anschnallen würde. Und wenn du schon ins Detail gehen willst, dann hat Nancye Bowden, soweit ich es gesehen habe, in diesem Lexus keinen Geschlechtsverkehr gehabt.«
»Ich bin sehr froh, dass du an meine Beerdigung und Nancye Bowdens Sexleben denkst, wo du dein eigenes Leben gerade gegen die Wand gefahren hast«, sagte Mary Bliss. »Du bist wirklich ein Wrack, Katharine. Kein Wunder, dass Charlie dich verlassen hat. Es überrascht mich nur, dass er so lange gewartet hat.«
»Ha!«, blökte Katharine. »Charlie mag runde Zahlen. Er wollte warten, bis wir genau zwanzig Jahre verheiratet waren. Nicht neunzehn oder einundzwanzig, zwanzig mussten es sein. So konnte er seinem Therapeuten nämlich sagen, dass er es zwei Jahrzehnte lang versucht hat und alles hoffnungslos ist. Dann steht er nicht als Schwein da, verstehst du?«
Mary Bliss schaltete den Motor aus und schnallte sich ab. »So schlimm ist er eigentlich gar nicht. Charlie ist ein anständiger Kerl. Ich glaube ja immer noch, ihr beide hättet es geschafft, wenn ihr euch nur angestrengt hättet. Und jetzt sieh dich an. Du bist ein Wrack. Charlie ist in Therapie. Chip ist unglücklich. Kommt es dir nicht vor, als würde dein ganzes Leben außer Kontrolle geraten?«
Katharine gab sich gekränkt. »Hey, du bist meine beste Freundin. Du musst auf meiner Seite stehen. Warum willst du mir nicht glauben, dass ich ohne den Idioten besser dran bin? Außerdem mag ich es gern, wenn alles außer Kontrolle gerät. Normal hatte ich lange genug. Normal ist scheiße.«
»Ich wünschte nur, ihr hättet es mit einer Paartherapie versucht.«
»Hey«, sagte Katharine laut, fest entschlossen, Mary Bliss vom Therapie-Thema abzulenken. »Habe ich dir erzählt, was ich heute gemacht habe?«
»Du meinst gestern.« Mary Bliss sah auf die Uhr. »Mitternacht ist offiziell vorbei. Und es läuft mir kalt über den Rücken, wenn ich daran denke, was du getan haben könntest.«
Katharine kicherte. »Ich habe mit Grimmy telefoniert. Besser gesagt, sie hat mich angerufen. Sie hat nach Charlie gefragt. Er ruft sie nämlich nicht zurück. Er ist vor zwei Monaten ausgezogen und hat seiner Mami immer noch nicht gebeichtet, dass er sich scheiden lässt. Sagt immer, ihr altes Herz würde das nicht überstehen. Was blanker Unsinn ist. Grimmy stellt sich nur dumm. Die alte Schachtel spielt noch Bridge, wenn wir alle tot und begraben sind. Charlie will Grimmy bloß nicht gestehen, dass es Ärger im Paradies gibt.«
»Du hast es ihr doch nicht gesagt?« Mary Bliss McGowan und mit ihr die ganze Stadt hatten entsetzliche Angst vor Katharines Schwiegermutter. Sarah Grimes Weidman, nur Grimmy genannt, war achtzig Jahre alt und, soweit Mary Bliss wusste, noch nie von jemandem übers Ohr gehauen worden. »Hatte Grimmy letztes Jahr nicht eine Bypass-Operation?«
»Sicher doch«, antwortete Katharine. »Sechs Wochen danach hat sie mit der Sonntagsschulklasse der Fair Oaks First United Methodist Church eine Kreuzfahrt nach Alaska gemacht. Ich bin es leid, auf Zehenspitzen um die alte Hexe herumzuschleichen. Als sie mich gestern angerufen hat, habe ich gesagt: >Hör zu, Grimmy. Du musst dich dringend mal mit Charlie unterhalten. Er hat dir etwas Wichtiges mitzuteilen.<«
Katharine fischte in ihrem Plastikbecher, bis sie die Limonenscheibe gefunden hatte, und saugte geräuschvoll daran. »Weißt du, was Grimmy gedacht hat? Sie dachte, Charlie hätte einen Haufen Geld an der Börse verloren. Das nenne ich Verdrängung. Sie glaubt noch immer, Chip wäre ein Siebenmonatsbaby. Das einzige fünf Kilo schwere Frühchen der Welt.«
Sie schüttelte den Kopf. »Mein Gott. Also habe ich gesagt: >Die Sache ist die, Grimmy. Charlie hat mich verlassen, und ich lasse mich von ihm scheiden, Schluss, aus. Er ist zu seiner Freundin gezogen. Dein Sohn geht auf die fünfzig zu und wohnt mit einer Neunundzwanzigjährigen namens Tara zusammen. Und jetzt zu den weiteren Nachrichten: Ich bin nicht naturblond und habe mit fünfzehn meine Jungfräulichkeit verloren. Außerdem ist Chip nicht auf die Woodward Academy gegangen, weil er Lacrosse spielen wollte, sondern weil seine Noten für Westminster nicht gut genug waren und wir es uns nicht leisten konnten, eine neue Bibliothek zu stiften, um ihn trotzdem reinzubekommen.<«
»Und was hat sie gesagt?«, fragte Mary Bliss gedämpft.
»Sie hat aufgelegt. Zehn Minuten später hat sie wieder angerufen und mit verstellter Stimme nach Chip gefragt. Ich habe aufgelegt. Das hat so gutgetan, dass ich sie dann angerufen und aufgelegt habe, als sie sich gemeldet hat.«
»Schrecklich. Selbst für Grimmy. Wenn sie nun einen Herzinfarkt bekommen hat? Hättest du dann kein schlechtes Gewissen?«
»Überhaupt nicht«, sagte Katharine und schüttelte heftig den Kopf. »Ich hoffe, ihr fliegt ein Ventil weg. Wenn sie stirbt, bekommt Chip die ganzen Coca-Cola-Aktien. Und er redet nicht mal mit seinem Vater.«
»Darf ich dir einen Rat geben?«
»Nein, darfst du nicht.«
Mary Bliss legte trotzdem los. Sie hatte Katharine ungefragt Ratschläge gegeben, seit sie sich beim Schwimmfest des Fair Oaks Country Club kennengelernt hatten. Damals war Chip sieben und ihre eigene Tochter Erin sechs gewesen, und Mary Bliss hatte Katharine beiseitegenommen und taktvoll angedeutet, dass ein Bikini mit Stringtanga nicht die ideale Bekleidung für eine Kinderveranstaltung sei. Katharine hatte sie ausgelacht und gesagt, sie benehme sich wie eine alte Jungfer, bevor sie ihr eine Weinschorle anbot. Seitdem waren sie Freundinnen. Katharine nahm ihre Ratschläge nie an, aber Mary Bliss fühlte sich einfach besser, wenn sie die Stimme der Vernunft blieb.
»Kate, du solltest das in Ordnung bringen. Zerstreite dich nicht mit Charlies Freunden und Verwandten. Hör auf, ihm obszöne Nachrichten auf dem AB zu hinterlassen. Hör auf, das ganze Zeug bei Victoria's Secret zu bestellen und es mit seiner American-Express-Karte zu bezahlen, nur um Tara zu ärgern. Sieh den Tatsachen ins Auge. Charlie ist nicht über dich hinweg. Warum sonst kommt er sonntags immer zum Essen zu dir? Doch nicht wegen Chip. Der redet nicht mal mit ihm. Charlie kommt, weil er dich sehen will. Damit der Kontakt nicht abreißt.«
Katharine schnaubte verächtlich. »Der Zug ist abgefahren, Schätzchen. Wir beide wissen, dass er bei mir schmarotzt, weil Tara, die alte Schlampe, nicht mal Popcorn in der Mikrowelle machen kann. Und so erhält er für sie die Spannung. Aber bei mir ist die Luft raus. Vertrau mir, M.B., es ist vorbei.«
»Willst du wirklich behaupten, du willst ihn nicht zurück? Jetzt auf der Stelle? Wenn er vor deiner Tür auftauchen und sagen würde, es ist ein schrecklicher Fehler gewesen und er will mit dir nach Paris fahren und dir beweisen, wie sehr er dich noch immer liebt?«
»Nicht mal wenn er mit einem Zwölfkaräter und einem Dreißig-Zentimeter-Penis auftauchen würde und ausnahmsweise wüsste, was man damit anfangen kann.« Katharine ließ ungeduldig das Eis in ihrem Becher klirren, weil sie sich noch einen Drink mixen wollte, wusste aber, dass Mary Bliss sich nur wieder in eine Moralpredigt hineinsteigern würde.
»Da wir gerade von Verdrängung sprechen«, sagte Mary Bliss. »Sei ehrlich, Süße. Er ist nicht über dich hinweg. Ihr seid erst ein paar Monate getrennt. Du und Charlie passt so gut zueinander. Ihr seid zu verkorkst für alle anderen. Das ist Schicksal, Katharine. Außerdem kennst du ja meine Theorie über die Ehe.«
Katharine zerbiss absichtlich ein Stück Eis, weil sie wusste, dass es Mary Bliss nervte, genau wie platzende Kaugummiblasen und trommelnde Finger. »Was für eine schräge Theorie soll das sein? Die, nach der man moralisch verpflichtet ist, mit einem Mann, der mehr als Hunderttausend im Jahr verdient und eine komplette Krankenversicherung inklusive Zahnvorsorge besitzt, mehr als einmal im Monat Sex zu haben?«
»Das habe ich nie gesagt. Sei nicht geschmacklos.«
»Spirituelle Verpflichtungen? Kinder aus zerbrochenen Ehen, die Scham und Schuldgefühle in sich tragen?«
»Du weißt genau, wovon ich rede«, sagte Mary Bliss und ignorierte das knirschende Eis. »Eine Ehe ist wie ein Pudel. Pudel haben eine gewisse Lebenserwartung. Oft aber lebt das arme Ding einfach weiter, auch wenn es nicht mehr auf der Höhe ist. Der Pudel mag...
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