Schweitzer Fachinformationen
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Hereinspaziert
Als Hattie Kavanaugh auf dem Rücken unter dem alten Fundament des Hauses in der Tattnall Street lag und sich vorsichtig voranschob, bereute sie es bereits. Sie bereute, dass sie darauf beharrt hatte, die rostigen gusseisernen Wasserrohre selbst zu inspizieren, statt dem Wort ihres Klempners zu glauben. Sie bereute, dass Kavanaugh & Sohn bereits so viel Geld in diese wunderbare hundertsiebenundfünfzig Jahre alte Ruine gesteckt hatte. Sie bereute, dass sie nicht so ein Teil mit Rollen besaß, das Automechaniker immer hatten - wie hießen die noch mal? Rollbretter? Doch vor allem bereute sie die zweite Tasse Kaffee, die sie hinuntergestürzt hatte, kurz bevor sie zu diesem Haus im historischen Viertel von Savannah gerufen worden war, das sie momentan restaurierte.
Der Anruf war von einem Subunternehmer gekommen, der ihr die unschöne Mitteilung gemacht hatte, dass in der Nacht Metalldiebe zugeschlagen hatten: Sie hatten die Kupferrohre der drei brandneuen Kompressoren für die Klimaanlagen gestohlen. Das riss ein Loch von elftausend Dollar in das bereits arg strapazierte Renovierungsbudget. Und jetzt die Abflussrohre.
Als Hattie mit Cassidy Pelletier, ihrer besten Freundin und Vorarbeiterin, an jenem schwülen Samstagmorgen am Haus in der Tattnall Street eintraf, lehnte der Klempner Ronnie Sewell an der Stoßstange seines Pick-ups. »Ähm, Hattie?«, sagte er. »Es gibt ein Problem.«
Zusammen mit Cass folgte sie dem Klempner ums Haus herum nach hinten, wo ein frisch ausgehobener Graben unter das Backsteinfundament des Hauses führte.
»Ich hatte so ein Gefühl, dass was nicht stimmt.« Ronnie wies auf den Graben. »Da habe ich gedacht, ich krieche mal drunter und guck nach.«
Hattie schluckte. »Spuck's einfach aus, Ronnie. Was stimmt nicht?«
»Na ja, die gusseisernen Rohrleitungen da unten sind komplett durchgerostet. Und du weißt ja, wie das Wasser bei Regen manchmal auf dieser Straße steht, nicht? Das läuft dann alles hinten auf dieses Grundstück. Da sammelt sich das Wasser schon seit Ewigkeiten. Also, die sind komplett hinüber. Verrostet, kaputt, Schrott.«
»O Gott«, stöhnte Hattie und sah den Klempner an. Er war Ende fünfzig und hatte eine Statur wie ein Hydrant; der dicke Bauch hing ihm über den Gürtel. »Sicher? Ich meine, warst du überall unter dem Haus?«
Ronnie zuckte mit den Schultern. »So weit, wie ich konnte. Dafür muss man nicht studiert haben.«
Ohne ein Wort zu sagen, ging Hattie davon. Als sie wiederkam, zog sie den Reißverschluss eines weiten weißen Overalls zu. Sie holte ein Bandana aus der Tasche und band es sich um die Stirn, dann setzte sie eine Schutzbrille auf.
»Was?« Ronnies Gesicht wurde rot vor Entrüstung. »Glaubst du etwa, ich lüge dich an? Hattie Kavanaugh, ich habe schon mit deinem Schwiegervater gearbeitet, da warst du noch gar nicht auf der Welt .«
»Reg dich ab, Ronnie«, unterbrach Hattie ihn. »Ich hatte einen Gutachter hier, bevor wir ein Angebot abgegeben haben. Da war nicht die Rede von alten Rohren. Ich behaupte nicht, dass du lügst, ich muss es nur mit eigenen Augen sehen. Das würde dir Tug auch sagen, wenn er hier wäre.«
»Dann guck halt selbst.« Ronnie wandte sich ab und marschierte vor sich hin schimpfend zu seinem Pick-up. »Verdammte Besserwisserin.«
Cass bückte sich und musterte den Graben inmitten von Schlamm und Bauschutt, dann sah sie ihre Freundin an. »Echt? Willst du wirklich in den Sumpf da unten kriechen?«
»Möchtest du das lieber übernehmen?«
»Wer, ich? Oh, Teufel, nein.« Cass schüttelte sich. »Matsch ist nicht mein Ding.«
Hattie ging zu einem mit einer Plane geschützten Holzstapel, wählte zwei Kanthölzer aus und lud sie sich auf die Schultern. Sie schob die Bretter unter das Haus, überlegte, dann holte sie noch mal zwei, die sie neben die ersten beiden legte.
Cass reichte Hattie ihre Taschenlampe.
»Bete für mich«, sagte Hattie und legte sich der Länge nach auf die Bretter. »Ich bin dann mal weg.«
Mo Lopez radelte langsam über die Fahrradspur. Die Gegend, durch die er gerade fuhr, war erkennbar im Umbruch begriffen. Auf der einen Straßenseite standen Backsteinhäuser oder Cottages in Holzbauweise, die offenbar vor kurzem restauriert worden waren; ihre Farbe leuchtete frisch, die Gärten waren neu angelegt. Dazwischen standen kleinere Häuser, bescheidene Handwerkerprojekte. Dort waren Fahrräder an schmiedeeiserne Zäune gekettet, auf den Veranden drängten sich Farne und andere Topfpflanzen, die Vorgärten waren weniger akkurat. In Mos Kopf entwickelte sich eine Idee.
Savannah, dachte er, war eine angenehme Überraschung. Um Rebecca Sanzone einen Gefallen zu tun, der stellvertretenden Programmleiterin des Fernsehsenders, für den Mo arbeitete, hatte er die Einladung des Savannah College of Art and Design angenommen, dort vor Studierenden der Fernseh- und Filmwissenschaften zu sprechen. Eine von Rebeccas ehemaligen Mitschülerinnen hatte eine Stelle bei der Zulassungsstelle des SCAD. Becca selbst war natürlich viel zu beschäftigt gewesen, um herzukommen, deshalb hatte sie die Einladung an Mo weitergereicht.
»Fahr doch dahin«, hatte sie ihn gedrängt. »Besser, als nur rumzusitzen und darauf zu warten, dass diese Idioten im Sender eine Entscheidung treffen.«
»Die Idioten«, das waren Rebeccas unmittelbare Vorgesetzte beim Home Place Television Network, kurz HPTV. Der bisherige Programmleiter war vor zwei Monaten unversehens gefeuert worden, und sein Nachfolger, Tony Antinori, prüfte das Programm des Senders angeblich sehr genau.
Verständlicherweise war Mo nervös. Die erste Staffel von Garagen-Alarm galt als Erfolg für das neue Format, doch in der zweiten Staffel waren die Zuschauer schon nicht mehr so fasziniert von den Autofreaks, die irrsinnige Geldsummen ausgaben, um sich ihre Werkstatt perfekt einzurichten, komplett mit Spielkonsole, Hebebühnen und Küchenzeile. Die Einschaltquoten, hatte Rebecca angedeutet, seien sicherlich nicht furchtbar, aber auch nicht furchtbar gut.
Mo brauchte eine neue Idee, und zwar schnell. Seine Gedanken schweiften zu Tasha von der Zulassungsstelle des SCAD, die ihm erzählt hatte, dass Savannah amerikaweit die größte intakte, zusammenhängende Ansammlung von Architektur aus dem neunzehnten Jahrhundert vorweise. In der Stadt würde stets eifrig renoviert und saniert.
Mos Gedanken liefen auf Hochtouren, er trat in die Pedale. In einer Straße namens Tattnall Street standen drei Fahrzeuge vor einem eindrucksvollen dreistöckigen viktorianischen Haus im Queen-Anne-Stil. Im Näherkommen las Mo den Aufdruck KAVANAUGH & SOHN auf den Türen von zwei Pick-ups.
Er blieb am Bordstein stehen und schaute zum Haus hoch. Offenbar wurde es gerade komplett restauriert. Auf der Ostseite des Hauses war ein Gerüst aufgebaut, dort war ein Teil der alten Holzverkleidung ersetzt worden, andere Abschnitte waren abgeschliffen und bereit für einen frischen Anstrich. Überall auf dem Grundstück stapelte sich Holz, Paletten mit Dachschindeln waren auf der Veranda abgeladen worden.
Dach wie Verandaüberdachung waren mit blauen Planen abgedeckt. Die Traufen und die Veranda waren mit kunstvoll gestalteten Holzelementen verziert wie ein Pfefferkuchenhaus.
Mo lehnte sein Fahrrad gegen einen Sägebock und stieg eine provisorische Holztreppe zur Veranda hinauf. Die Haustür, eine zeittypische, detailreiche Schnitzarbeit mit Bleiglasfenster, war nur angelehnt.
Mo blieb stehen und schob die Tür vorsichtig mit der Schuhspitze auf. »Hallo?«
Seine Stimme echote durch die hohe Eingangshalle. Keine Antwort. Schulterzuckend trat er ein. Das Innere des Hauses war im viktorianischen Stil gehalten. An den Wänden klebten Tapetenschichten aus verschiedenen Jahrzehnten übereinander. Sie schienen gerade abgetragen zu werden, so dass der nackte Putz darunter zum Vorschein kam. Über Mos Kopf hing ein gewaltiger verstaubter Kristallleuchter mit Milchglaskugeln. Die Decke war mit aufwendigen bröckelnden Stuckarbeiten verziert.
»Das Haus ist ein Fass ohne Boden«, murmelte Mo, wusste aber gleichzeitig, wie überwältigend der Gegensatz zwischen vorher und nachher sein konnte. Er ging in den hinteren Teil des Hauses. Ein Blick nach oben offenbarte klaffende Löcher in der Decke; ein im Fischgrätmuster verlegtes Eichenparkett war unter dem in Jahrzehnten geschwärzten Lack kaum noch zu erkennen.
»Hübsch.« Mo ging weiter, vorbei an einem Raum, der offenbar mal als Badezimmer gedient hatte. Die historischen runden Mosaikfliesen auf dem Boden waren schmutzig, es stand nur noch eine alte Badewanne mit Löwenfüßen darin, in der sich abgefallener Stuck sammelte. Zwischen den Fliesen ragten nackte Rohre hervor.
Am Ende des Flurs entdeckte Mo einen breiten Durchgang zu dem Raum, der wohl mal die Küche gewesen war. Er blieb in der Tür stehen und sah sich um. Die hohen Wände waren ebenfalls bis auf die Grundmauern abgetragen und von Wasserflecken übersät. Mehrere Schichten Linoleum lagen auf dem Boden, einige waren schon bis zum Unterboden herausgerissen.
Mo machte mehrere Schritte in die Küche, als plötzlich die Welt unter seinen Füßen nachgab. Er hörte berstendes Holz und versuchte vergeblich, sich festzuhalten. Dann wurde alles dunkel.
Plötzlich schrie ihm eine empörte Stimme ins Ohr: »Was soll der Scheiß?«
Auf der Suche nach den kaputten Rohren rutschte Hattie auf dem Rücken so weit unters Haus, wie es möglich war. Sie meinte, unter der Küche zu sein. Es war...
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