Schweitzer Fachinformationen
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Auf dem Platz: Menschen, Tiere, Sensationen
Sie hat eine Kristallkugel! Echt wahr! Wo bin ich denn hier gelandet? In Gundel Gaukeleys Wettervorhersage?
Ich versuche mich unauffällig in dem Wohnmobil umzusehen, ohne dass die Chefin, die hier »Patronessa« heißt, es merkt. Sie soll nicht noch wütender werden, der Einstieg mit ihr ist eh gründlich versaut. Ich hab es wieder vermurkst. Mensch, Billy, reiß dich mal zusammen. Der Geist war willig, aber die Möse war schwach. Passiert mir öfters. Bin ein Triebtier. Seit Minuten schimpft diese Frau mit ihrer knarzenden Stimme auf mich ein, und ich steh da wie ein Schulmädchen im Büro der Direktorin, halte meinen feuchten Schlüpfer in der Hand und überlege fieberhaft, wie ich doch noch einen guten Eindruck machen könnte. Aber für den ersten gibt es keine zweite Chance, und mich eingekeilt zwischen zwei nackten kubanischen Jungs von der Limbo-Nummer erwischen zu lassen war nicht gerade ein Glanzlicht in meiner Karriere.
Das Wohnmobil der Patronessa ist mit allem Schnickschnack ausgestattet, den man sich vorstellen kann, Flatscreen, Laptop, Smoothiemaker, Sandwichtoaster, sogar eine Powerplate steht in der Ecke. Jetzt bloß nicht daran denken, wie ihr schwammiger, überbordender Körper auf dieser Platte durchgerüttelt wird, Wackelpudding auf dem elektrischen Stuhl, sonst muss ich lachen, und dann hätte ich's endgültig verbockt. Das passiert mir leider auch öfter. »Der sittliche Ernst fehlt«, stand früher in meinen Zeugnissen. Stimmt, mit Sittsamkeit und Ernst hab ich es wirklich nicht. Irgendwann werd ich dadurch mal echte Probleme bekommen. Heute könnte es so weit sein. Dann wäre diese Show wirklich mein Ende, INFERNO heißt sie ja schon mal. Hier reicht Pipi in den Augen nicht, hier muss ich aufpassen. Über die Patronessa Karona lacht man nicht, das haben mir die eingeschüchterten Limbodancer deutlich gemacht. Noch nie hat jemand so schnell seinen Finger aus meiner Muschi gezogen. Ihr missbilligendes Räuspern hatte genügt - und zack, raus. Mit gesenkten Köpfen standen sie da, bis sie mit einem Handzeichen weggescheucht wurden und nur noch ich übrig blieb. Billy, last call for execution, please. Ich merke, wie ich trotzig werde und mich aufrechter hinstelle.
Gut, die Aktion hinter dem Artisteneingang war eine blöde Sache, ich fühlte mich gestresst, und die dunkelbraunen schweißnassen Körper sahen nach Ablenkung und Spaß aus. Und lächeln können die, meine Herrin, würde meine liebste Freundin Mara sagen, mit blendend weißen Zähnen von einem Ohr bis zum anderen. Erst haben wir nur geplaudert, das lief bei mir noch unter »Recherche«, und dafür war ich ja schließlich hier: für INFERNO backstage. Das Gras hat mich überrascht. Zwei, drei Züge an ihrem Tütchen später kam mir das Leben leicht und lustig vor wie ein Abend auf einer Kakaoplantage, mit weit entfernten Trommeln, die durch den Dschungel klangen, und einem süßen Duftgemisch aus exotischen Blüten und Schweiß . stopp! Jetzt bin ich in einem Kolonialstil-Porno. Ich muss mich endlich auf meine Mission konzentrieren, sonst stehe ich noch morgen früh vor dem Schreibtisch der doch irgendwie Furcht einflößenden Patronessa, die ganz dunkle Augen hat, tief und schwarz wie die Hölle, und rechtfertige meine niederen Triebe.
Dabei ist es so wichtig, dass sie mich nicht nach Hause schickt.
Ich hatte dieses Jahr noch keinen einzigen Renner. Meine Erotik-Kolumne »Eros to go«, die ich fürs Stadtmagazin schreibe, läuft zwar, aber nebenher muss ich auch Hammer-Reportagen abgeben, und dieses Jahr war bisher hammerfrei. Außerdem würde mich mein Chefredakteur eh zu gerne abservieren, bei dem Stress, den wir in der letzten Zeit miteinander hatten. Er bekommt ohnehin keinen Preis für sensible Mitarbeiterführung. Er lässt mir zum Beispiel gern mal am Freitagabend von der Sekretärin ausrichten, dass er mich unbedingt am Montagmorgen als Erstes sprechen will, damit ich das ganze Wochenende überlege, was ich falsch gemacht habe und ob ich mich wohl demnächst in der Anzeigenakquise wiederfinden werde. Dieser Chef also hat mir sehr deutlich gesagt, dass die Circus-Story hier super werden muss, knallhart investigativ recherchiert. Seit meiner Abmahnung bin ich auf Bewährung. Und ich nehm ihm das nicht mal übel. Mit dem Hausmeister im Redaktionsbüro zu vögeln war einfach nur dämlich. Und mein Chef wusste ja nicht, was ich hinter mir hatte an dem Tag. Dass es gute Gründe gab, um mich mit dem Master of Mopp ein bisschen abzulenken. Ich erzähle auf der Arbeit nie Privates. Eigentlich bin ich schon total professionell - also, wenn ich nicht gerade meinen Auftrag vergesse und mich von zwei verschwitzten Artisten mit Megabodys durchficken lasse. Das war kein guter Einstand, ich bin nicht blöd, ich weiß, dass man so was nicht tut. Ich gebe mir Mühe, gleichzeitig selbstbewusst und zerknirscht auszusehen, aber diese Umgebung macht es mir nicht leicht.
Da ist der topmoderne Wohnwagen mit den Stapeln von alten Papieren und Klatschzeitschriften auf der Bank und einem halben Kuchen auf der Küchenzeile. Ich liebe Kuchen. Ich möchte in einen einziehen und mir Höhlen zum Wohnen reinbeißen. Neueste Technik überall: Smartphone-Dock, LED-Leuchten, laborweiße Teeküche. Und dazwischen diese Chefin, die aussieht wie eine Hexe aus einem Märchenfilm, leicht bucklig, mit Doppelkinn und einem Bauch wie im neunten Monat, die Fleischmassen umhüllt von einem schwarz glitzernden Zelt. Und sie trägt tatsächlich ein Kopftuch und Kreolen. Oder ist das ihr Kostüm, hatte sie vorhin einen Auftritt in der Show?
Ich versuche mich an die Abfolge der Nummern zu erinnern, es ist doch keine zwei Stunden her, dass ich als Zuschauerin im Zelt saß, aber ich kann mich an die Patronessa nicht erinnern. Das scheint ihr Privat-Outfit zu sein, vielleicht kauft sie ihre klirrenden Armreifen und das geblümte Schultertuch mit Fransen in einem speziellen Gypsie-Klischee-Laden? Und dann die Kristallkugel! Die ist gut gemacht, schicke Technik weiß ich zu schätzen, es ist nicht einfach ein umgedrehtes Goldfischglas, sondern eine massive Kugel, die über der Tischplatte schwebt, keine Ahnung, wie das geht, Magnetismus vielleicht oder eine optische Täuschung. Innen gibt es irgendeine Lichtquelle und auch Nebel, da wabert ein Unwetter durch die Kugel mit Blitzen und Wolken, das ist tricktechnisch großartig. Ich notiere mir im Kopf, dass ich mit dieser Kugel meine Reportage anfange und zum Schluss meines Artikels das Geheimnis lüfte, wie sie funktioniert. Mein Chefredakteur steht auf so was, er liebt Rätsel, wahrscheinlich lässt er sich ein Sudoku auf den Grabstein meißeln. Oder, halt, nein, da wird ein »Wollen Sie das?« eingraviert sein. Damit beendet er nämlich gerne Mitarbeitergespräche. Ich sitze vor ihm und sage, dass ich doch gerne so viel verdienen würde, um mir neben der Miete vielleicht auch eine samstägliche Packung Jaffakekse leisten zu können, und er nickt wohlwollend und sagt: »Also wenn Sie mehr Geld wollen, kann ich das machen, aber dafür muss ich einen Familienvater entlassen. Wie wäre es mit Herrn Sowieso, der hat drei Mäuse in der Schule, der müsste dann gehen. Wollen Sie das?« Er macht das so überzeugend, dass ich bisher noch immer eingeknickt bin und weiter für ein Sklavengehalt schufte und bald vielleicht nicht mal mehr das. Es wäre schon echt gut, wenn ich ihn wieder richtig begeistern könnte, ich will nicht im Archiv versauern und das Material der Kollegen abheften. Deshalb wäre es ganz blöd, wenn ich hier abbrechen müsste, kaum dass ich angekommen bin. Die Hexe darf mich nicht nach Hause schicken! Ich versuche es mit einem entschuldigenden Lächeln.
»Es tut mir wirklich leid«, setze ich an, aber sie unterbricht mich sofort.
»Papperlapapp! Machen Sie das immer so? Irgendwo ankommen und direkt den Slip runter? Erst mal rein mit 'nem Schwanz, anstatt sich anständig vorzustellen?«
Oha. Es geht ihr also gar nicht darum, dass ich es mit zwei ihrer Artisten hinter dem Hauptzelt getrieben habe. Sie ist wütend, weil ich die Hierarchie nicht eingehalten habe. Nicht meine nasse Möse stört sie, sondern meine Umgangsformen. Stimmt, das war das andere Problem. Keine Sittlichkeit, kein Ernst, kein Benehmen. Das hör ich nicht zum ersten Mal. Ich futtere, fluche und ficke wie ein Trucker, man muss es leider so sagen. Eine Dame werd ich nie. Trotzdem, ich hätte mich ja mal zusammenreißen können. Everywhere you go, always take the weather with you.
Ich senke den Kopf, fast knickse ich, aber das verkneife ich mir dann doch.
»Sie haben recht, das war sehr unhöflich von mir. Ich hätte zuerst zu Ihnen kommen und Ihnen«, ich überlege, weil mir nur das Wort »Huldigung« einfällt und ich nicht will, dass sie sich veralbert fühlt, »und Ihnen meine Aufwartung machen sollen.«
Sie lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück.
»Ganz genau, Liebchen. Inferno ist meine Show, ich habe hier das Sagen. Ich entscheide, wer bleiben darf und wer nicht.«
Ich nicke, den Kopf immer noch gesenkt.
»Ja, Patronessa Karona.«
»Und Sie sind schließlich nicht irgendein Fick, den meine Jungs nach der Show klargemacht haben. Die beiden können gerne Zuschauerinnen bumsen, wenn sie wollen, aber Sie sollen eine Weile bei uns leben. Da müssen Sie sich schon anpassen. Und Sie werden meine Gesetze...
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