Schweitzer Fachinformationen
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I MACUNAÍMA
Tief im Urwald wurde Macunaíma geboren, Held unseres Volksstamms. Er war pechschwarz und Sohn der Nachtangst. Es gab einen Augenblick, da war die Stille, wenn man das Murmeln des Uraricoera hörte, so tief, daß die Indiofrau der Tapanhumas ein häßliches Kind gebar. Dieses Kind nannten sie Macunaíma.
Schon in der Kindheit tat Macunaíma Dinge zum Staunen. Zunächst vergingen mehr als sechs Jahre, bis er sprach. Wenn man ihn zum Sprechen anhielt, rief er:
»Ach! Diese Faulheit! …«
und sagte keinen Ton mehr. Blieb in der Ecke des Sippenhauses auf der Palmenpritsche hocken und sah der Arbeit der anderen zu, insbesondere seiner beiden Brüder, Maanape, schon ältlich, und Jiguê, in voller Manneskraft. Sein Lieblingsspiel war Blattschneiderameisen köpfen. Macunaíma lebte liegend, aber wenn er Geld sichtete, strampelte er sich ab, um einen Zwanziger zu ergattern. Er wurde auch wach, wenn die Familie im Fluß baden ging, alle zusammen und nackt. Er verbrachte die Badezeit mit Tauchen, und die Frauen stießen komische Kreischer aus wegen der Guaimun-Krebse, die angeblich dort im Süßwasserschlamm hausten. Wenn in der Mucambo-Hütte ein kleines Mädchen näher kam, um ihn zu streicheln, befingerte er ihre Reize, und das Mädchen entwich. Den Männern spuckte er ins Gesicht. Dafür achtete er die Alten und machte eifrig bei der Murua mit der Poracê dem Torê dem Bacorocô der Cucuicogue, bei all den religiösen Tänzen des Stammes.
Wenn es Schlafenszeit war, kletterte er in den kleinen Schaukelkorb, vergaß aber immer zu pinkeln. Da die Hängematte der Mutter unter der Wiege hing, pinkelte der Held warm auf die Alte herunter und verscheuchte nach Kräften die Mücken. Dann schlief er ein und träumte unanständige Wörter, schauderhafte Schweinigeleien, und verteilte Fußtritte in die Luft. Bei den Mittagsunterhaltungen der Frauen ging es immer um die Lumpereien des Helden. Die Frauen lachten gutmütig und sagten: »Stachel stichelt, Pimpling trägt schon Pint«, und bei einer Gesundbetung hielt König Nagô eine Ansprache und verkündete, der Held sei gescheit.
Er war kaum sechs Jahre alt, da gaben sie ihm Wasser in einer Viehschelle, und Macunaíma begann wie alle zu sprechen. Und er bat seine Mutter, sie solle das Maniokmahlen im Mörser lassen und ihn zu einem Spaziergang in den Urwald mitnehmen. Die Mutter wollte nicht, denn das Maniokmahlen konnte sie nicht aufgeben, nein. Macunaíma jammerte den ganzen Tag. Nachts weinte er weiter. Am nächsten Tag wartete er mit dem linken schlafenden Auge, daß die Mutter mit der Arbeit begänne. Dann bat er sie, sie möge damit aufhören, den Korb aus Guarumá-Membeca zu flechten, und ihn zum Spaziergang in den Urwald mitnehmen. Die Mutter wollte nicht, weil sie das Korbflechten nicht aufgeben konnte, nein. Und bat die Schwiegertochter, Jiguês Gefährtin, den Kleinen mitzunehmen. Jiguês Gefährtin war blutjung und hieß Sofará. Mißtrauisch näherte sie sich ihm, doch diesmal verhielt Macunaíma sich ganz still und befingerte niemandes Reize. Die junge Frau lud den Indiobuben auf den Rücken und ging bis zum Fuß des Aninga-Baums am Flußufer. Das Wasser war stehengeblieben, um in den Blättern der Javari-Palme ein köstliches Geklingel zu erfinden. Die Ferne war hübsch mit den vielen Biguás und Biguatingas, die am Eingang der Stromenge flatterten. Die junge Frau setzte Macunaíma am Strand ab, aber er jammerte los, es gäbe so viele Ameisen … und bat Sofará, sie solle ihn zum Abhang drinnen im Urwald tragen, und die Junge tat es. Doch kaum legte sie den Bengel in die Tiriricas, Tajás und Trapoerabas des Moderbodens, wuchs er im Handumdrehen und wurde ein wunderschöner Prinz. Sie gingen weit fort.
Als sie zum Sippenhaus zurückkehrten, sah es so aus, als sei die junge Frau vom langen Schleppen des Indiobuben auf dem Rücken sehr ermüdet. In Wirklichkeit hatte der Held ausgiebig mit ihr gespielt. Kaum hatte sie Macunaíma in die Hängematte gelegt, kam schon Jiguê vom Fischen mit dem Keschernetz, und seine Gefährtin hatte nichts gearbeitet. Jiguê wurde wütend, und nachdem er sich die Zecken vom Leib gekratzt hatte, verpaßte er ihr eine Tracht Prügel. Sofará steckte die Dresche ein und gab keinen Laut von sich.
Jiguê hegte keinen Argwohn und begann mit Curauá-Fasern einen Strick zu flechten. Er war nämlich auf die frische Fährte eines Tapirs gestoßen und wollte das Tier in der Falle fangen. Macunaíma bat den Bruder um ein Stück Curauá-Faser, aber Jiguê sagte, das sei kein Spielzeug für Kinder. Macunaíma heulte wieder los, und die Nacht ging für alle recht mühsam vorüber.
Am nächsten Tag stand Jiguê früh auf, um die Falle zu stellen, und als er den Kleinen so traurig sah, sprach er:
»Guten Morgen, Allerweltsherzchen.«
Aber Macunaíma blieb stumm und brummig.
»Willst du nicht mit mir reden, was?«
»Mir geht’s schlecht.«
»Weshalb denn?«
Nun bat Macunaíma um Curauá-Faser. Jiguê warf ihm einen haßerfüllten Blick zu und hieß die Gefährtin ihm Fasern bringen, die Junge tat es. Macunaíma dankte und ging zum Kultplatzvater mit der Bitte, ihm einen Strick zu flechten und dicken Tabaksrauch darüber zu blasen.
Als alles fertig war, bat Macunaíma die Mutter, sie solle den Zuckerrohrsaft gären lassen und ihn zum Spaziergang in den Urwald führen. Die Alte konnte wegen der Arbeit nicht, aber Jiguês Gefährtin sagte zur Schwiegermutter, sie »stehe zu Diensten«. Und ging in den Urwald, den Indiobuben auf dem Rücken.
Als sie ihn auf den Carurus und Sororocas des Moderbodens absetzte, wuchs und wuchs der Kleine und wurde ein bildschöner Prinz. Er sagte zu Sofará, sie solle ein Weilchen warten, er käme gleich wieder, um mit ihr zu spielen, und ging zur Tapirtränke, um eine Schlinge zu legen. Kaum waren sie gegen Abend vom Spaziergang zurückgekehrt, kam auch schon Jiguê daher, der gleichfalls seine Falle auf der Tapirfährte gelegt hatte. Die Gefährtin hatte nichts gearbeitet. Jiguê wurde rasend vor Wut, und bevor er sich die Zecken vom Leib kratzte, gab er ihr eine gehörige Tracht Prügel. Aber Sofará hielt die Hiebe geduldig aus.
Am nächsten Tag hatten die Sonnenstrahlen noch nicht die Baumwipfel erreicht, da weckte Macunaíma alle und vollführte einen Höllenlärm, sie sollten! sie sollten zur Tränke gehen und das Tier holen, das er gejagt hatte! … Aber niemand glaubte ihm, und alle begannen mit ihrem Tagewerk.
Macunaíma war tief verärgert und bat Sofará, sie möge doch einmal kurz zur Tränke gehen, nur um nachzusehen. Die Junge tat es, kam zurück und sagte zu allen, tatsächlich, ein sehr großer toter Tapir hänge in der Schlinge. Der ganze Stamm ging das Tier holen und grübelte über die Gescheitheit des Bengels nach. Als Jiguê mit dem leeren Curauá-Strick ankam, fand er alle mit der Beute beschäftigt und half mit. Und als es zur Verteilung kam, gab er Macunaíma kein Stückchen Fleisch ab, nur Eingeweide. Der Held schwor Rache.
Am nächsten Tag bat er Sofará, sie möge ihn spazierenführen, und sie blieben im Urwald bis zum Einbruch der Nacht. Kaum hatte der Kleine das Bodenlaub berührt, wurde er ein feuriger Prinz. Sie spielten. Nachdem sie das Spiel dreimal gespielt hatten, rannten sie in den Urwald hinein und liebkosten einander. Nachdem sie knutschend geschmust hatten, liebkosten sie sich kitzelnd, dann gruben sie sich in den Sand ein, danach brannten sie sich mit Strohfeuer, das waren neckische Spielereien. Macunaíma packte einen Copaíba-Stamm und versteckte sich in einem Piranha-Loch. Als Sofará angerannt kam, schlug er sie mit dem Stamm auf den Kopf. Er brachte ihr eine Wunde bei, daß das Mädchen, sich vor Lachen krümmend, zu seinen Füßen fiel. Sie zog ihn an einem Bein. Macunaíma stöhnte vor Lust und klammerte sich an den riesigen Stamm. Nun schnappte die Junge seinen großen Zeh mit dem Mund und verschlang ihn. Macunaíma weinte vor Freude und tätowierte ihren Leib mit dem Blut des Fußes. Dann spannte er seine Muskeln, schwang sich auf ein Lianentrapez und erreichte in Sekundenschnelle springend den nächsten Ast der Piranheira. Sofará kletterte hinterher. Der zarte Zweig bog sich schwankend unter dem Gewicht des Prinzen. Als die Junge gleichfalls auf der Krone angelangt war, spielten sie von neuem miteinander, im Himmel schaukelnd. Nach dem Spiel wollte Macunaíma schmusen. Mit einem heftigen Ruck bog er seinen ganzen Leib, konnte sich aber nicht halten, der Ast brach, und beide stürzten holterdiepolter hinunter, bis sie zerschunden am Boden liegenblieben. Als der Held wieder zu sich kam, suchte er die Junge ringsum, doch sie war nicht zu sehen. Er wollte sich aufraffen, um sie zu suchen, doch vom untersten Ast dicht über ihm zerriß das schreckenerregende Fauchen des Suçuarana-Jaguars die Stille. Der Held streckte vor Angst alle viere von sich und schloß die Augen, um gefressen zu werden, ohne es mitansehen zu müssen. Nun wurde leises Lachen vernehmbar, und auf...
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