Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Sie kam nach Hause, kroch unter ein Wollplaid und starrte die Decke an. Nach einer Stunde fing sie an, herumzutelefonieren, um etwas gegen den Schmerz zu tun, der nicht nachlassen wollte. Alle Freundinnen standen parat und hörten sich an, was bei dem heutigen Treffen herausgekommen war. Ester erzählte von Anfang bis Ende, und die anderen teilten ihr dann ihre unterschiedlichen Ansichten mit.
»Mach, dass du wegkommst, Ester, schnell!«, sagte Lotta. »Und zwar, solange noch Zeit ist.«
»Er ist verheiratet«, sagte Fatima, »und trifft sich mit dir, ohne es seiner Frau zu sagen. Sei froh, dass du weißt, woran du bist, bevor du zu tief in der Sache steckst. In einem Monat oder so bist du über ihn hinweg.«
»Ganz ruhig bleiben«, sagte Elin. »Frag dich, was du willst, nicht, was er will. Und dann tu, wozu du Lust hast, egal, was wir anderen oder Olof sagen.«
»Er wird sich wieder melden«, sagte Lotta, »aber binde dich an den Mast und kehre ihm ein taubes Ohr zu.«
»Wenn er heute gesagt hätte, dass er bereit ist, sich scheiden zu lassen, ihr aber noch Rücksicht auf allerlei Dinge nehmen müsst«, sagte Fatima, »dann würde ich sagen: durchhalten. Dass er sich jedoch heimlich mit dir trifft, wo er doch weiß, was du für ihn empfindest, dass er es über sich bringt, deine Hoffnungen zu bremsen, und zugleich eine Hintertür offen lässt. Nein, das geht nicht. Vergiss ihn lieber sofort, wenn du das schaffst, und such dir einen, der sich ein Leben ohne dich nicht vorstellen kann.«
»Er wollte sofort in den nächsten Bus steigen, hast du gesagt?«, fragte Vera nachdenklich. »Und dann hat er dich an der Bushaltestelle geküsst und hatte gar keine richtige Lust, nach Hause zu fahren? Das braucht noch Zeit, entschieden ist da noch nichts. Die Frage ist, wie lange du durchhältst.«
»Wirklich?«, sagte Ester und merkte, wie Hoffnung in ihr keimte.
»Du musst Geduld haben, aber eines Tages kriegst du ihn bestimmt.«
»Glaubst du?«, fragte Ester atemlos. »Glaubst du das wirklich?«
»Er ist von der langsamen Sorte.«
Elin sagte: »Ich finde, es klingt nicht so gut, aber du warst ja dort und du bist die Einzige, die weiß, ob sie das aushalten kann. Was soll ich denn sonst sagen?«
»Die Wahrheit über seine wirklichen Gefühle.«
»Die ist uns allen leider verborgen.«
»Glaubst du, er weiß es selbst?«
»Kommt darauf an, was für ein Mensch er ist.«
Nach einem Tag voller Grübeleien über die unterschiedlichen Aussagen des Freundinnenchores fasste Ester einen Entschluss. Sie löschte Olofs Nummer und ging davon aus, dass sie nie wieder von ihm hören oder ihn sehen würde. Sie hatte nicht vor, sich ein weiteres Mal in den Sumpf der Ungewissheit zu begeben. Sie wollte sich keine falschen Hoffnungen mehr machen oder weiter Sehnsucht nach ihm haben und versöhnte sich mit der Vorstellung, dass nun das Leben weiterginge. Sie hatte nichts Sinnvolles getan, seit sie am Vortag von ihrem Treffen zurückgekehrt war, und es war höchste Zeit, Olof abzuhaken und das Leben wieder allein anzugehen.
Und sofort kam eine SMS.
»Ich glaube, ich habe mich nicht deutlich ausgedrückt. Ich habe dich etwas glauben lassen, das ich nicht meinte. Natürlich fühle ich mich geschmeichelt von deinem Verhalten, aber ich kann dir letztlich nur auf freundschaftlicher Ebene begegnen. Ich mag dich! Deinen trockenen Humor. Deine ein wenig verschlossene Persönlichkeit. Deine Gedanken verlocken mich. Du bist wunderbar! Lass uns dabei bleiben. Sonst wird es zu kompliziert. Jedenfalls für mich. Olof.«
Sofort verschwand das gerade erst mühsam errungene Gleichgewicht, und der Boden, auf dem all ihre klugen Entscheidungen gestanden hatten, sackte weg. Denn Ester war nicht entgangen, dass die eigentliche Nachricht nicht ihr Inhalt, sondern die Handlung selbst war. Wenn er den Inhalt hätte vermitteln wollen, hätte er die SMS nicht zu senden brauchen, nach allem, was gesagt und geklärt worden war.
Sie sah, dass er dem Text große Sorgfalt gewidmet hatte. Ein Mann des Wortes war er nicht, und das Formulieren der Mitteilung musste ihm ziemliche Mühe gemacht haben. Die SMS bestand aus vier Teilen. Im ersten ging es darum, wie sie war (wunderbar, humorvoll, ein wenig verschlossen). Der zweite besagte, dass er ihre Liebe dennoch nicht erwidern könne, er sich aber wirklich versucht fühle; nur die Konsequenzen hinderten ihn daran (»zu kompliziert«). Lust und Begehren fehlten also nicht. Das reichte für Ester, eine gemeinsame Basis war vorhanden. Olof schrieb ihr nur aus einem einzigen Grund: um ihr das mitzuteilen. Der dritte Teil klang wie eine Entschuldigung (»ich habe mich nicht deutlich ausgedrückt«). Mit diesem Satz betonte er, dass er mit ihr zusammen sein wollte, aber nicht durfte; er hatte sich nur deshalb so verhalten, weil sie eine verbotene Verlockung für ihn bedeutete.
Der vierte Teil war der wichtigste. Dass er die Mitteilung geschickt hatte, obwohl alles gesagt und geklärt war, war nur als Wunsch zu verstehen, weiter in Kontakt zu bleiben, mit allen Möglichkeiten, die solch ein Kontakt brachte.
Ester war nun klar, dass er sich noch nicht entschieden hatte. Deshalb blähten sich die Liebesgefühle in ihr auf wie ein riesiges Segel. Er hatte ihr zu verstehen gegeben, dass er sie treffen wollte, ohne dass er das hätte aussprechen müssen, und genau dabei überkam sie ein Gefühl der Zärtlichkeit.
Vera meinte, Esters Interpretation dieser SMS entstamme einem überhitzten Gehirn. Was er schrieb, sagte sie, sei, dass er sie nicht liebe, sondern sie nur als Freundin behalten wolle. Das erklärte auch, dass er die Mitteilung geschickt hatte, obwohl doch bereits alles gesagt war.
Aber, wandte Ester ein, um Liebe sei es doch niemals gegangen, ihre Beziehung sei von der ersten Minute an etwas anderes gewesen. In solchen Dingen könne man sich nicht irren, und Olof sei andererseits alt und erfahren genug, um zu wissen, dass man auf Dauer keine Freundschaft mit einem Menschen aufrechterhalten kann, der sagt, er wolle sein Leben mit einem teilen.
Ester war ziemlich sicher, dass sie die Geschehnisse nicht falsch gedeutet hatte, aber sie brauchte ein Zeichen, um sich Gewissheit zu verschaffen. Und am Montagabend, als sie aus dem Lebensmittelladen nach Hause kam, sah sie tatsächlich Olof, wie er mit dem Rücken zu ihr vor ihrer Haustür stand. Es war ziemlich dunkel, aber die Beleuchtung reichte aus, um sie Olofs Silhouette erkennen zu lassen. Sie blieb stehen und wartete, unsicher, ob sie sich zu erkennen geben sollte. Dann ging er mit raschen Schritten weiter und bog um die Ecke. Sie brachte es nicht über sich, nach ihm zu rufen. Oben in der Wohnung sah sie auf dem Display der Gegensprechanlage, dass vorhin jemand bei ihr geklingelt hatte.
Eine Dreiviertelstunde später rief Olof aus seiner Wohnung an. Das stimmte mit der Zeit überein, die er gebraucht hatte, um auf den Bus zu warten, die fünf Kilometer zu sich zu fahren und den Mut zu einem Anruf zu fassen. Sie hörte bei ihm einen andächtigen, flehenden Tonfall heraus, der neu war. Er fragte, wie es ihr gehe und ob sie am Freitag seine SMS erhalten habe. Er erwähnte, dass er an diesem Nachmittag eine Galerie in ihrer Gegend besucht und gehofft hatte, ihr zufällig über den Weg zu laufen.
Esters Herzschlag setzte kurz aus. Sie verabredeten sich für den kommenden Tag, sie wollten sich einen Film ansehen und danach essen gehen.
Olof Sten konnte in gewissen Situationen überaus einfühlsam sein. Er hatte eigentlich keine Lust auf das Kino, aber er überließ die Entscheidung darüber Ester. Dass er ihr eine lange SMS geschickt, sie angerufen, vor ihrer Haustür gestanden und als Ausrede etwas von einem Abstecher in eine Galerie erwähnt hatte, forderte von ihm, gewissermaßen als minimalen Akt des Widerstandes, wenigstens zu spät zum Kino zu kommen. Wie wichtig ihm die Sache war, durfte er nicht zeigen.
Ester dagegen wartete pünktlich bei der Södermalmshalle auf Olof. Gleich würde der Film beginnen. Sie hatte Angst, dass er vielleicht gar nicht kommen würde oder zu spät, so dass sie den Anfang verpassten. Sie mochte die ersten Minuten eines Films nicht versäumen, dann konnte man es auch gleich bleiben lassen.
Auf dem Medborgarplats häufte sich der Schneematsch. Dort wurde bereits der Weihnachtsschmuck angebracht, während zugleich der übliche Drogenhandel vor sich ging. Sie seufzte erleichtert auf, als sie Olof über den Platz schlendern sah, auch diesmal fast eine halbe Stunde zu spät. Sie kauften Eintrittskarten.
Während der Vorstellung war Ester sich seines Körpers neben ihrem überaus bewusst und wollte sich am liebsten auf der Stelle auf ihn stürzen. Sein schwerer Atem wies darauf hin, dass es ihm auch nicht anders ging. Als sie von ihrem Kinosessel aus versuchte, herauszufinden, was in ihm vorging, spürte sie deutlich, dass er sich nicht auf den Film konzentrierte, sondern nur auf seine erotische Selbstbeherrschung. Als der Film zu Ende war, meinte er nur, dass er sich an die Handlung gar nicht richtig erinnern könne. Ester wurde es leicht schwindlig bei dem Gedanken, was das alles bedeutete.
Vom Kino aus gingen sie direkt in ein Lokal oben an Götgatsbacken. An diesem Abend musste Olof nirgendwohin, er war aufmerksam und konzentriert, und sie trennten sich erst gegen zwei Uhr nachts. Sie waren von einer Kneipe zur anderen gezogen und seit elf Stunden zusammen. Das Personal stellte schon die Stühle auf die Tische, als die beiden potentiellen Liebenden endlich zum Aufbruch zu bewegen waren, nachdem sie...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.