Schweitzer Fachinformationen
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In diesem Buch ist etwas Erstaunliches gelungen. Julia Andersch und Oliver Martin haben einen Ansatz vorgelegt, der in der Form seines Entstehens, seiner Struktur, Darstellung, Anwendung und Vermittlung die Grundsätze widerspiegelt, auf denen ihre Arbeit beruht.
Sie arbeiten mit der Idee eines komparativen Ansatzes und betonen das Syntaktische, also die Form der Grammatik der Prozesse und Interventionen. Und sie vermeiden zugleich bei ihrer Art der Darlegung eine fundamentalistische Haltung, indem sie dabei das Syntaktischerwerden des Vorgehens betonen, also das ständige Fortschreiten in einer syntaktischen Haltung und in Methodik - und nicht um ein für alle Mal vorgegebene angeblich letzte Standpunkte.
Dieses »syntaktischere« Vorgehen ist in voller Übereinstimmung mit der Idee einer komparativen Systemik im transverbalen Ansatz der Systemischen Strukturaufstellungen, bei dem die Fortschritte im systemischen Vorgehen, Wahrnehmen, Beschreiben, Vermitteln und Anwenden durch ein immer stärkeres Ablösen von fixen Eigenschaftszuschreibungen erfolgt.
Dabei geht es, wenn die Autoren von »syntaktischerer Beratung« sprechen, nicht um Bewertung und Vergleich verschiedener Methoden, sondern vielmehr darum, dem Komparativ einer Qualität grundlegendere Bedeutung zuzusprechen als der Qualität für sich genommen. Diese Sichtweise liegt indirekt dem lösungsfokussierten Ansatz der Schule von Milwaukee zugrunde im Sinne von Steve de Shazers wichtigem Grundsatz, dass wir die Bedeutung von »besser« verstehen können, ohne die Bedeutung von »gut« zu kennen. Syntaktischeres Beraten, insbesondere wie in diesem Buch bei Transformationsprozessen, ist eine fruchtbare neue Ausprägung solcher komparativer Sicht- und Vorgehensweisen.
Darüber hinaus und kongruent zum syntaktischeren Vorgehen ist der Ansatz von Julia Andersch und Oliver Martin ressourcenorientiert und unterschiedsbasiert und bietet eine differenzierte und zugleich gut handhabbare Grammatik der Interventionen für die Organisationsentwicklung und andere Arten von Transformationsprozessen.
Die Autoren zitieren oft Virginia Satirs bekannte Aussage »Wir finden zusammen auf der Grundlage von Gemeinsamkeiten und wachsen auf der Grundlage von Unterschieden». Es ist also ein höchst stimmiges und sinnvolles Vorgehen, wenn sie in diesem Buch drei Ansätze miteinander verbinden, die einerseits alle den Wert von Strukturen und syntaktischen Aspekten hochschätzen und in vieler Hinsicht ein verwandtes Menschenbild haben, und wenn sie andererseits zugleich in den Unterschieden und Zwischenräumen dieser Ansätze ihre eigene Form gesucht und gefunden haben. In die Grundlagen ihrer Arbeit gehen dabei also als Basisquellen insbesondere das Werk von Friedrich Glasl und der Trigon-Ansatz ein, der hypnosystemische Ansatz von Gunther Schmidt sowie der transverbale Ansatz der SySt-Arbeit von Insa Sparrer und mir. (Von der Vielzahl anderer Quellen, die in diesem Buch und in der Arbeit der Autoren zur Geltung kommen, seien nur erwähnt die Einflüsse von Milton H. Erickson, Viktor Frankl, Virginia Satir, der Schule von Milwaukee und Stephen Gilligan.)
Julia Andersch und Oliver Martin verwenden zentrale Ideen dieser drei Basisquellen als Landkarten im Sinne von Korzybski. Mir ist durch ihr Buch ein Zug der Idee der Landkarte (bei Korzybski) klarer geworden, die ich bisher vorwiegend als Modelle im Sinn der Modelltheorie sah, mit vielen besonders wertvollen Bezügen zur Selbstreferenzialität von Landkarten und einer pragmatisch und semiotisch erweiterten Auffassung von Sprache. Aber die Autoren betrachten ihre Landkarten der Transformation eher als Instrumente der Orientierung und daher näher an der Anwendung in der Praxis, als dies mit dem Modellbegriff im Allgemeinen verbunden wird. So können sie die Landkarten wirklich im alltäglichen Sinne als Orientierungsmittel für die Praxis verwenden, indem sie einerseits Pfade der Interventionen bei Organisationsentwicklungsprozessen in einer Ebene nehmen, in der sie Grundmuster aus den drei Basisrichtungen aufgreifen, im eigenen Stil einsetzen und mit vielen eigenen Ideen verbunden vermitteln. Doch ist ihr Vorgehen nicht auf diese Ebene beschränkt, sondern sie betrachten auch Landkarten für die so entstehenden spezifischen Landkarten und Landkarten dieser Landkartenbildung. Sie arbeiten also zugleich mit einer horizontalen und einer vertikalen Art von Bewegungen, in einer multidimensionalen Landkarte.
Zwischen den Grundideen der Landkarte ihrer Basisebene und den Landkarten höherer Ordnung bewegen sich Julia Andersch und Oliver Martin mit großer Kreativität, Fachkundigkeit, Klarheit und einer entschiedenen Ausrichtung auf die Anliegen der Menschen, für die sie arbeiten.
Landkarten der Transformation ist also ein sehr geeignetes Motto für dieses Buch, denn Landkarten unterscheiden sich schon in der intuitiven Assoziation von Modellen, da wir bei Modellen im Allgemeinen die Darstellung davon, wie etwas ist, im Vordergrund erleben, während Landkarten für uns mit der Frage verbunden sind, wie eine Bewegung im Raum vollzogen werden kann - und daher haben Landkarten auch damit zu tun, wo wir uns gerade befinden.
Der einzelne Mensch und seine Werte (im Wittgenstein'schen Sinne als Einstellungen zur Welt als Ganzem), »Ich« und »Du«, kommen aus meiner Sicht in einer Landkarte eher vor als in einem Modell. Und damit findet, meine ich, auch das Buber'sche Grundwortpaar Ich - Du der Begegnung in einer Landkarte eher Raum als in einem Modell, das wohl eher zum Grundwortpaar Ich - Es der Erfahrung gehört.
Da für so verstandene Landkarten also eher als für Modelle wesentlich ist, wo wir uns befinden, haben Landkarten in meinem Sinne also einen natürlichen Selbstbezug und sind daher für die Darstellung von Organisationen und sozialen Systemen angemessener als von uns (als handelnden, subjektiven intentionalen Perspektivenwesen) mindestens scheinbar unabhängige Modelle.
Während bei Wittgenstein im Tractatus logico-philosophicus die Form der Darstellung der Punkt außerhalb des Bildes ist, von dem aus das Bild das Abgebildete darstellt, so würde ich für die Betrachtung der Art und Weise, wie die Autoren Landkarten der Transformation auf mehreren Ebenen anwenden, einen neuen Aspekt hinzunehmen, der für meine Auffassung vom Begriff der Landkarte wesentlich ist. Denn hier geht es nicht nur um eine Abbildung und die subjektive Perspektive auf ein Modell, sondern um Bewegungen, die mit Intentionen, Handlungen und Entwicklungsmöglichkeiten im Allgemeinen zu tun haben. Die Idee der Form der Darstellung sollte daher aus meiner Sicht für Landkarten modifiziert (und erweitert) werden zum Begriff der Form der Entwicklung, den ich definiere als den Ort, von dem aus unterschiedliche Vorgehensweisen und Bewegungen intendiert und gewollt werden können.
So gesehen kann das Werk von Julia Andersch und Oliver Martin als Explikation der Praxis einer komplexen Grammatik von Interventionen und Prozessgestaltungen in der Entwicklungsberatung gesehen werden, durch die die Form der Entwicklung zugänglicher gemacht wird. Landkarten der Transformation sind also aus meiner Sicht ein kunstfertiges Mittel, die Form der Entwicklung in der Entwicklungsberatung verstehbarer, sichtbarer, erkennbarer und nachvollziehbarer werden zu lassen.
Die ausführlich dargelegten Fallbeispiele zeigen auch die hohen Freiheitsgrade, die der Ansatz der Autoren im Sinne von Heinz von Foersters kybernetischem Imperativ bietet. In den verschiedenen Fällen wird auf die Teillandkarten in höchst unterschiedlicher Weise zurückgegriffen und so gezeigt, wie durch die Verwendung von in vieler Hinsicht miteinander kompatiblen und doch ausreichend verschiedenen Basisquellen für die Anwendenden der Raum der Möglichkeiten entscheidend vergrößert wird.
Die Freiheit der Pfadwahl wird ermöglicht und gesteigert durch die Verwendung von Landkarten höherer Ordnung. Und hier, bei der Betrachtung der vier Beratungsprinzipien (ganzheitlich, potenzialentfaltend, evolutionär, systemischer), die aus Sicht der Autoren alle Schichten und zentralen Modelle der Transformationslandkarten durchdringen, ist auch der Wohnort der Werte und des Ethischen in diesem Ansatz. Werte sind in diesem Ansatz etwas, das sich aus der Vorgehensweise organisch ergibt und implizit schon vorhanden ist - und hier besteht auch eine starke Verbindung zwischen der Arbeit von Julia Andersch und Oliver Martin und der Sicht und Haltung bei Friedrich Glasl, Gunther Schmidt, Insa Sparrer und mir. Werte sind hier nicht ein Zusatz oder eine nachträgliche Rahmengebung, auch kein gegen andere Ansätze abgrenzender fundamentalistischer Ausgangspunkt, sondern natürliche Ergebnisse und zugleich implizite Vorbedingungen einer angemessenen Praxis.
Gemeinsam mit Insa Sparrer wünsche ich Julia Andersch und Oliver Martin mit ihrem Buch und ihrer klaren, respektvollen, differenzierten, hingabevollen, wertschätzenden und menschenfreundlichen Arbeit Erfolg und Erfüllung in ihrem weiteren Wirken.
Wer dieses Buch liest, hat eine anregende, lehrreiche, lohnende und inspirierende Reise vor...
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