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Ich erinnerte mich nicht, wann ich jemals zuvor so viel gelacht hatte wie in den darauffolgenden Tagen. Zum ersten Mal absolut glücklich zu sein, weil weder verlangt wurde, dass ich ein Geheimnis aus unserer Liebe machte, noch an mir herum gekrittelt wurde, erlaubte mir, selbst das hiesige Durcheinander mit anderen Augen zu sehen. Es wie Marco normal zu finden, gelang mir allerdings nicht. Ich nahm es schlicht hin. Wartete auf den Zeitpunkt, an dem es mir zur Gewohnheit werden würde. Rückblickend musste ich mir eingestehen, dass das Brett vor meinem Kopf die Dimension einer hundert Jahre alten Steineiche gehabt hatte. Ich erduldete feixend, dass Marco mich hin und wieder damit aufzog. So wie ich schwimmen lernte. Schwer fiel es mir nicht. Es war bei Weitem verzwickter, sich bei all den Berührungen im und unter Wasser nicht ablenken zu lassen. Wir redeten nicht wirklich viel miteinander, was sich als Fehler erweisen sollte. Denn manchmal, in stillen Minuten, zuckte der Gedanke an Mauro in mir auf. Nicht, weil ich weiterhin damit kämpfte, ihn zu vergessen, sondern weil es da diesen Fall gab, der ihn hierherführen würde. Der Diebstahl in Florenz, dieser Polizist Tiziano und die Möglichkeit, dass Mauro an dessen Seite hierherkam. Ich hatte Marco nicht erzählen können, was genau in Parma passiert war. So wenig, wie er mir erzählen konnte, unter welchen Umständen er Lorenzo kennengelernt, wie er sich in ihn hatte verlieben können. Abends nahm ich mir häufig vor, das Gespräch zu suchen, doch ich schaffte es nicht, hier war alles auf Verdrängen ausgelegt. Der Sommer am Meer im Süden glich einer einzigen Party, als gäbe es drei Monate im Jahr, in denen jeder seine Sorgen vergaß. Oft feierten wir mit im rettungslos überquellenden San Felice. Aus an den Laternenpfählen montierten Lautsprechern dröhnte ununterbrochen Musik. Das erste Feuerwerk lotste die wogende Masse des Nachts in den neuen Tag. Man bewegte sich tanzend und singend vorwärts, taumelte bei Sonnenaufgang erschöpft ins Bett, um anderntags, matt am Strand liegend, der nächsten Party entgegenzufiebern.
Das Unausgesprochene, Mauro und Lorenzo, blieb als vage Bedrohung meines Glücks. Ich kapierte, dass ich, war er nicht anwesend, noch immer eifersüchtig war.
Er war einer der Unerreichbaren.
Das hatte die Apothekerin geflüstert, und ich konnte nur hoffen, dass ihn hier niemand erreichen wollte. Die Braccos waren hier keine Unbekannten. Seit jeher hatte die Familie das Ferienhaus auf dem Berg, und es gab eine Reihe älterer Leute, die die Kinder der Familie von klein auf gekannt hatten. Über deren Erwachsenenleben wusste hier vom Bäcker bis zum Tankwart wenigstens fragmentarisch Bescheid.
Ah, Antonella? Sie ist damals nach Colonia, nach Köln, gezogen zu ihrer Mutter, nachdem es passiert war.
Ah, Tiziano? Den habe ich zuletzt gesehen, warte mal . Vier Cornetti wurden Marco in die Papiertüte gepackt . Pah, muss Jahre her sein. Ist ja auch Polizist geworden, bestimmt, weil das passiert war.
Lorenzo war den Sommer hier, Marco. Marco nickte schweigend. Ist ja nicht oft hier. Seitdem es passiert war, eigentlich nur im Herbst oder Winter. Aus allem Gehörten bastelte ich mir zusammen, dass Lorenzo demnächst eine Frau namens Luisa heiraten würde. Es sollte mich beruhigen. Doch ich hörte auch Geschichten über Küsse, die er als jüngerer Mann mit einem Freund ausgetauscht hatte, die weit über das allgegenwärtige Anfassen und Umarmen hinaus gegangen sein mussten.
Was passiert war?
Danach fragte ich nicht, es kam nicht mal bei mir an, und das sollte mir demnächst auf die Füße fallen. Statt über diese allgegenwärtige, im Flüsterton geäußerte Andeutung eines dramatischen Ereignisses der Vergangenheit nachzudenken, zerdachte ich Optionen und Gefahren - eindeutig hatte ich ein Eifersuchtsproblem.
*
An einem Mittwochmorgen wurde Marcos Hilfe bei einem Fall in Foggia erbeten, weil er den Verdächtigen vor Jahren mal im Visier gehabt hatte. Ein notorischer Einbrecher, der mir keine Kopfschmerzen bereitete. Doch Marco war weg, was mir wie ein Verlust vorkam. Wenn er nicht da war, drängten sich all die Fragen in mir auf. Und alle Geschichten, die ich selbst nicht erzählt hatte. Die Angst davor, Mauro hier antanzen zu sehen. Draußen fegte ein Wind, da braute sich mehr zusammen, und es herrschte stockfinstere Nacht. Trotzdem wollte ich raus. Vielleicht gerade deshalb zum Meer, um die Gedanken wegspülen zu lassen. Ich parkte den Wagen beim Hafen und ging das letzte Stück dorthin bergab zu Fuß. Wegen des Wetters war kaum jemand auf der Straße. Ich versuchte, meine Gedanken nur auf das Gute zu fokussieren, was mir hier widerfahren war, kam aber immer wieder auf das Gefühl zurück, dass die Geschichte von Marco und Lorenzo nicht auserzählt war. Das Fahrlicht eines Autos strahlte an mir vorbei. Im Gebrüll des Meeres hörte ich den Motor spät und machte einen Satz auf die Seite. Nach einem Blick auf die Uhr, die halb drei anzeigte, wunderte ich mich, wer mitten in der Nacht unterwegs war. Die Saison war vorbei. Ich zuckte die Achseln und erreichte den Hafen. Schon im Näherkommen sah ich die Segel der kleinen und mittelgroßen Yachten wippen. Sie neigten sich mal nach rechts, mal nach links. Schaukelten wie verrückt, als fänden sie ihre Position nicht. Als ich mich dem Hafenbecken zuwandte, den wippenden Masten, den schwankenden Motorbooten, entschied ich, mich auf die Parkbank mit der abgeblätterten blauen Farbe zu setzen, die so idiotisch platziert war, dass einem der Benzingestank der kleinen Bootstankstelle in die Nase kroch.
Aber was soll's? Hier hast du den besten Blick auf die tosende See.
Ich schalt mich einen Idioten, weil ich mein Glück nur genießen konnte, wenn Marco um mich war, und an ihm zweifelte, sobald er fort war. Einen eifersüchtigen Narren, weil sich in den Augenblicken, in denen ich drohte, einzuschlafen, sofort der Gedanke festsetzte, er könnte sich irgendwo mit Lorenzo Bracco treffen. Wie um mich zu trösten, umschlang ich mich mit den Armen. Hinter dem Hafenbecken ankerten zwei Kabinenschnellboote, die offenbar keinen Platz am Steg mehr hatten ergattern können. Seltsam. Die eine sah so ähnlich aus wie die Bracco-Yacht, die ich bei Ponza das erste Mal gesehen hatte. Circe? In der anderen, etwas größeren, brannte Licht. Ein schaukelndes Gelb auf den Wogen eines wütenden Meeres. Auf der Circe flackerte es. Ich verengte die Augen. Das Flackern .?
Lange fokussierte ich die Yacht, war nicht sicher, ob das Flackern . es wurde mehr. Das Licht tanzte ausgefasert umher. Ich sprang auf und machte zwei Schritte zur Hafenkante. "Scheiße."
Die Yacht brannte. Fahrig fingerte ich nach dem Handy in der Jackentasche, den Blick starr auf die Yacht gerichtet. Ich musste die Feuerwehr anrufen, danach die Kollegen. Vor Schreck schrie ich auf, als ich hinter mir eine Bewegung wahrnahm. Außer mir gab es hier doch niemanden! Oder war das der Typ aus dem Auto, das mich überholt hatte? Durch den stürmischen Wind drang seine Stimme zerfetzt zu mir durch. Er wandte mir den Rücken zu und telefonierte. Er warf einen Blick über die Schulter, ich sah, wie sein Haar aus der Stirn flog, wie er es zurückstreifte, eine Hand am Kopf beließ und auf mich zukam.
"Ich habe die Feuerwehr informiert", sagt er beruhigend. "Und deine Kollegen."
Fieberhaft nickend steckte ich das Handy fort und schaute neben ihm dabei zu, wie sich die Flammen auf der Yacht ausbreiteten. Sirenen heulten heran. Privatfahrzeuge tauchten auf dem Parkplatz auf. Im Gebäude mit der Bar im Untergeschoss flammte auf der oberen Etage ein Licht an. Autotüren knallten. Neben uns stand jäh ein verschlafen aussehender Typ, dem das längere Haar in Wirbeln vom Kopf abstand.
". Besitzer sind an Land .", hörte ich ihn sagen, war aber immer noch durch den Wind. Endlich registrierte ich, dass es der Hafenmeister war, der mit mir sprach. Aber ich sah nur den Mann aus dem Auto an, der die Feuerwehr informiert hatte, und sagte schließlich: "Hallo, Lorenzo."
Er nickte nur. In seiner Miene lag Besorgnis, die wie ein Funken zu mir rüber sprang und Panik auslöste.
"Ist das die Circe?", bekam ich mühsam raus.
Er fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar und nickte erneut.
"Ist Marco da drauf?", kiekste ich.
Seine immens dunklen Augen weiteten sich verblüfft, was seiner Besorgnis etwas die Schärfe nahm. "Weshalb sollte Marco auf meiner Yacht sein?"
Ja, warum, Orlando? Weil dich die Eifersucht zerfrisst?
"Schon gut", ächzte ich.
Über das Wasser jagte ein Feuerwehrboot auf das zu, was sich im Sturm zu einem kleinen Inferno auswuchs. Das Feuer sprang auf die zweite Yacht über. Auf der machte ich eine Bewegung aus. Mein Herz stand in Flammen. Wer war das? Feuerwehr überall jetzt. Wie einen vom Sturm gedämpften Film mit verteufelt schlechtem Ton nahm ich das ausbrechende Tohuwabohu wahr. Nur Wortfetzen, schwere Stiefel, Gerenne, Befehle. Und diese eine Bewegung...
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