Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Man kennt ihn als den betrogenen Ehemann - in ihrem fulminanten Roman erzählt Viola Alvarez die Geschichte von Marke, dem legendären König von Cornwall, seiner Frau Isolde und deren Liebhaber Tristan, neu. Befallen von einer unerklärlichen Starre, lässt Marke sein Leben an sich vorüberziehen: seine harte Kindheit in der Bretagne, seine Zeit als mächtigster Herrscher der Britischen Inseln, seine Zwangsheirat mit der naiven Isolde und seine Begegnung mit Brangaene, der großen Liebe seines Lebens, der einzigen Frau, die ihn retten kann ...
Ich wurde vor sechsundfünfzig Jahren zur Hälfte des zweiten Monats nach Mittsommer geboren, in dem Jahr, nachdem die Nordvölker Tintâgel für drei Monate belagert und nicht hatten einnehmen können. Meine Mutter war Cornelia Juvenea, die Enkeltochter des letzten römischen Statthalters des Grenzwalls im Süden, mein Vater hieß Marcus Valerius wie ich. Er war Lehnsherr über Tintâgel, unter der Gnade des letzten Kaisers zum König gekrönt, bevor die Römer genug Schwierigkeiten mit sich selbst hatten und uns unseren eigenen Streitigkeiten überließen.
Es waren für Britannien die Jahre der Nordvölker und Sachsen. Scheußliche Jahre, doch Tintâgel liegt am anderen Ende der Welt.
Die Menschen hier sterben nicht durch Krieg, eher durch Langeweile, scherzten die Bauern, bevor sie es besser lernen mussten. Denn die Iren hielten ihre Beutezüge damals noch weiter nördlich ab, sodass der große Krieg, der uns so viele Jahre Leid brachte, in weiter Ferne lag.
Es ist schwer, auf ein Leben zurückzublicken, ohne der Versuchung zu erliegen, es so aus erhabener Ferne zu sehen, wie man einen Fluss im Tal von einem Hügel aus sieht.
Wenn jemand nahe vor einem Fluss steht, scheint dieser unendlich lang und breit, kaum zu überwinden. Und obwohl wir wissen, dass er von einer Quelle kommt und auf eine Mündung hinfließt, erkennen wir doch nur das Stück, vor dem wir stehen, seine rauschenden und dennoch stehenden Wasser. Vom Hügel aus aber sehen wir einfach einen Fluss, wie er sich durch die Landschaft windet, sich einfügt in seine Umgebung.
In meinen frühen Jahren habe ich vor so vielen Flüssen gestanden, einer erschien mir breiter als alle zuvor, und der nächste wieder und wieder. Jetzt vom einsamen Hügel meiner stillen Tortur, sehe ich alle diese Flüsse, wie sie sich zu einem einzigen Strom vereinigen, der auf ein Ziel zuführt, auf die Frau, die mein Meer wurde. Auf Brangaene.
Ich werde versuchen, die Flüsse wieder zu sehen, wie das dumme Kind, das ich war, als ich vor ihnen stand. Ich werde mir Zeit nehmen, alle diese Flüsse noch einmal zu überqueren. Vielleicht lassen sie mich ein zweites Mal bei ihr ankommen.
Als Kind sah ich meinen Vater als einen Helden, unverwundbar, tapfer und ohne Fehler. Er war zu selten zugegen, als dass er mir in seinem kurzen Leben anderes hätte beweisen können. Als er starb, war ich gerade zu den Zieheltern gekommen. Meine Erinnerungen an die Eltern sind schwach, oft vermischt mit den Wunschbildern des Mannes späterer Jahre, der es eilig hatte, mit der Erinnerung an beide seinen Frieden zu machen. Die Bürden meines Standes erschienen mir bisweilen so groß, dass ich sie nur tragen konnte, wenn ich mir fabulierte, beide Eltern wären mit besonderen, übermenschlichen Gaben ausgestattet gewesen. Diese Gedanken brauchte ich, damit ich nicht wankte unter der Vielzahl von Hindernissen, die sich mir in den Weg stellten. Aber inzwischen bin ich klar genug, mir einzugestehen, wie wenig ich über diese beiden Menschen weiß, wie fern sie mir sind.
Sind die Hände, an die ich mich erinnere, wie sie mich im Bade hielten, die Hände meiner Mutter oder die einer der Zofen und Kammerfrauen?? Wem gehört das Lachen, das mir jedes Mal ein Gefühl im Bauch schenkte, als hätte ich frische heiße Milch mit Honig getrunken?? Ich wünsche mir heute mehr denn je, dass es das Lachen meiner Mutter war, doch ich sehe nicht einmal mehr ihr Gesicht vor mir. Die Erinnerung daran verschwimmt vor meinen Augen wie eine der kostbaren Miniaturmalereien im neuen Gebetbuch des Bischofs, das er mir bei seinem nutzlosen letzten Besuch zeigte, in der freundschaftlichen Hoffnung, mich aufzuheitern.
Klarsichtig ist mir einzig die Erinnerung meines Herzens an etwas Schönes und Warmes und ein Frauenlachen, das solch ein Glück in sich klingen ließ, dass ich bete, es möge wirklich meiner Mutter gehört haben, und dass es mein Vater war, der sie so zum Lachen brachte.
Später habe ich mich nie, nach keinem Sieg, den ich errungen hatte, nach keiner Intrige, die ich sinnlos gewonnen hatte, nach keiner Beute, die ich einbrachte, nach keinem Vertrag, den ich listig zu Ungunsten eines anderen abschloss, größer und mächtiger, nie mehr als ein wirklicher König gefühlt, als wenn ich es vermochte, durch einen Scherz oder durch eine unbeabsichtigte Ungeschicklichkeit Brangaene ihr wunderbares Lachen zu entlocken, dieses Lachen, das nur ich kannte, bei dem sie den Kopf in den Nacken warf und es aus sich herausprasseln ließ, ein tiefes und unhöfisches Lachen, ein Lachen reiner Lebensfreude.
Einmal bin ich geprügelt worden, weil ich aus der Aufsicht der Frauen fortgelaufen und in den Schweinestall geklettert bin.
Es war mein erstes großes Abenteuer, doch sicher keines von großer Weite. Wenn mich auch bisweilen mein Gedächtnis im Stich lässt, so weiß ich aus der harten Arbeit späterer Jahre, aus den unbestechlichen Büchern, die meine Haushalter, Schatz- und Stallmeister geführt haben, dass Tintâgel damals nicht mehr als ein etwas größerer Bauernhof mit römischen Mauern drum herum war. Die Hühner liefen den Frauen bei der Spinnarbeit um die Füße, und draußen waren die Schweine im Sommer frei, weil sie die Ratten besser einfingen, als es eine Legion von Katzen je vermocht hätte. Als ich an diesem Tag zu den Schweinen lief, wollte ich mir die neuen Ferkel ansehen, von denen die Magd geredet hatte. Ich weiß nicht, wie alt ich war, doch war ich gerade so groß, dass ich ein Bein auf den Futtertrog legen und mich so über das Hindernis, das zwischen mir und dem Ziel meines Abenteuers stand, hinwegziehen wollte. Aber meine unerfahrenen kleinen Finger rutschten am klammen Stein ab, und ich landete im Schweinetrog inmitten des Gestanks fauliger Rüben und feuchten Roggenschrots, hilflos, überrascht und wütend, als ich das neugierige Schnauben der sich erhebenden Muttersau hörte, wie sie sich schmatzend und behäbigen Trittes dem Trog näherte. Gelähmt vor Schreck, konnte ich mich nicht rühren, ich hörte sie und wartete atemlos, bis sie ihren blassen riesigen Kopf über den Rand der Steinwanne geschoben hatte und mit ihren feucht-schmierigen Nüstern nach mir schnüffelte.
Ich streckte meinen kleinen Zeigefinger nach dem Tropfen aus, der unter ihrer Schnauze zitterte, ich stellte mir vor, dass es ein wertvoller Stein wäre, und sehe genau vor mir, wie er geheimnisvoll funkelte in der trüben Dunkelheit des Stalles.
Die Sau verharrte vor mir. Ihr warmer Atem, den sie nebelhaft ausstieß, stob mir ins Gesicht, als ich mich roh gepackt und aus dem Fraß herausgerissen fühlte.
Unter einem Hagel von plötzlichen Fluchworten und Schmähungen fing ich laut an zu heulen, hing dann baumelnd über einer hohen, unbekannten Schulter und landete kaum ein paar Dutzend Schritte später vor den Füßen meines Vaters in der großen Halle.
Der Mann, der mich von der Sau, meiner Entdeckungsfahrt und dem Anblick der kleinen Ferkel weggerissen hatte, sagte laut etwas wie: »Euer Kleiner will bei den Schweinen liegen, König Marcus, es ist wohl besser, dass Ihr ihn beizeiten lehrt, dass sich ein König eine andere Gesellschaft sucht, sonst mag es übel ausgehen.«
Er lachte hämisch, wischte sich dann seine Hände an den Beinen ab und fluchte, dass ich stänke wie hundert tote Sachsen an einem warmen Sommertag.
Noch immer war ich stumm und starr, unfähig zu begreifen, was geschehen war.
Da aber packte mich mein Vater, warf mich über seine Knie und hieb auf meinen stinkenden kleinen Körper mit der ungebremsten Kraft eines Streiters und Schwertführers ein. Ich jaulte laut auf vor Schmerz, und ich hörte ihn, wie er rief, ich solle ruhig heulen. Da ich offenbar sehr dumm sei, so dumm, ein Schwein anschauen zu wollen, wolle er so lange weiterschlagen, bis ich wüsste, dass ein König nicht weint und dass ein König nichts mit Schweinen zu tun haben will. Er hielt sein Versprechen. Ich heulte lange, doch er schlug mich länger, bis ich keinen Ton mehr von mir gab, nur noch zitternd und weh auf seinem Schoße hing.
Da setzte er mich in meinem Kittel auf den kalten Boden vor die erloschene Feuerstelle.
»Warum müssen Kinder so klein und nutzlos sein?? Warum muss man überhaupt Kinder haben??«, grollte er im Weggehen. Mein kleines, blankes Hinterteil war heiß, schmerzte furchtbar und fand nicht einmal Linderung durch die Kühle der Steine.
Der Wunsch, laut zu jammern, um etwas von der tosenden Pein aus meiner Kehle entweichen zu lassen, stieg wieder in heilsamem Versprechen in mir auf, doch die Furcht, dass mein Vater mich hören könnte und zu neuen Schlägen zurückkehren würde, war ungleich größer. Ich hustete gegen den Druck auf meiner Brust, das Stechen hinter meinen Augen an, bis ich spürte, wie der Schmerz verebbte.
Dann weiß ich nichts mehr.
Ich vermute, dass meine Mutter oder eine der Frauen mich gewaschen und getröstet hat, dass die Wundheit schnell verheilte und ich um die Schweine einen großen Bogen machte.
In den harten Wintern damals standen die Kühe und Pferde in der großen Halle, und die Läuse und Flöhe schienen sich auf uns wohler zu fühlen als auf dem Vieh.
Vielleicht war es ein Flohbad, an das ich noch zurückdenken kann. Das Plätschern des warmen Wassers in einem runden Zuber, in dem ich jetzt so gerne meine eisigen Füße baden würde, aber nicht mehr kann. In der Erinnerung kann ich die Wärme an meinem Bauch spüren. Ich erinnere mich auch genau an eine Frauenhand, die mir Wasser über den Kopf schöpft, mich kitzelt und dabei ein Lied singt:
»Klein Marke wird ein großer Held, klein Marke wird ein starker Mann«, immer wieder, diesen anspruchslosen selbst gezimmerten Vers zu...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.
Dateiformat: ePUBKopierschutz: ohne DRM (Digital Rights Management)
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet – also für „glatten” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Ein Kopierschutz bzw. Digital Rights Management wird bei diesem E-Book nicht eingesetzt.