Schweitzer Fachinformationen
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»Guten Morgen, Sonnenschein!«
Ich fahre aus dem Tiefschlaf hoch. Jake - der nicht nur mein Nachbar, sondern auch mein Freund ist - beugt sich so dicht über mich, dass wir fast mit den Köpfen zusammenstoßen. »Hey! Du hast mich erschreckt.«
Er lächelt schief. »Das sollte romantisch sein.«
»Hat nicht wirklich funktioniert.«
»Na gut.« Jake richtet sich auf und stellt sich in übertriebener Modelpose vor mich hin. »Dafür hab ich mich für dich extra schick gemacht.«
Ich mustere ihn stirnrunzelnd. Er ist extrem un-Jake-mäßig angezogen: Hawaiihemd mit Delfinmotiv zu knallbunten, mit Delfinen bedruckten Shorts, plus weiße Plastiksonnenbrille. »Okay . und was soll das darstellen?«
»Das perfekte Strandoutfit, um mit dir den Sonnenaufgang anzuschauen. Ich hab sogar ein Picknick eingepackt.«
Ich drehe mich gähnend auf die Seite und stütze den Kopf in die Hand. »Du siehst voll nach Tourist aus.«
Jake zupft seine albernen Delfinshorts zurecht und nimmt schwungvoll die Sonnenbrille ab. »Ja, aber wie ein sexy Tourist, oder?«
»So was gibt's gar nicht.«
Jake lacht nur, beugt sich vor, legt die Arme um meine Taille und hebt mich mit einem Ruck aus dem Bett. Ich schlinge die Beine um seine Hüften. »Also was ist jetzt mit unserem romantischen Sonnenaufgangspicknick?«, fragt er. »Bist du dabei? Wenn ja, müssen wir uns nämlich beeilen.«
Ich schaue in seine schönen karamellbraunen, von langen dunklen Wimpern umrahmten Augen. Bei diesem Picknick wird ganz sicher irgendwas fehlen. Wahrscheinlich hat er vergessen, Servietten oder Getränke einzupacken. Außerdem will er garantiert seinen Labrador Otis mitnehmen, der ständig ins Wasser rennt und dann direkt neben uns sein nasses Fell ausschüttelt. Mal abgesehen davon, dass die Sonne im Osten und nicht auf der Meerseite im Westen aufgeht (was Jake natürlich auch weiß), werden wir es kaum rechtzeitig zum Sonnenaufgang an den Strand schaffen, aber das spielt alles keine Rolle. Es wird auf jeden Fall schön, weil es mit Jake einfach immer schön ist. Ich lächle. »Bin dabei.«
Er drückt sein Gesicht an meinen Hals und zieht langsam die Luft ein, als wollte er meinen Duft ganz tief in sich aufnehmen, dann stellt er mich wieder auf die Füße und schaut genießerisch zu, wie ich mein Schlafshirt gegen Jeans und Hoodie tausche - das einzig wirklich wahre nordkalifornische Strandoutfit.
»Okay, Mrs Healy.« Jake spricht mich mit seinem Nachnamen an. »Kann's losgehen?«
»Kann losgehen, Mr Sanchez«, gebe ich grinsend zurück. Sanchez ist mein Nachname.
Er setzt die Sonnenbrille wieder auf und bückt sich nach seinem Rucksack. »Otis wird ausrasten vor Freude, dass du mitkommst. Er wartet im Truck.«
Wir gehen Hand in Hand nach draußen, und in mir steigt eine warme Welle des Glücks auf, weil ich Jake so gut kenne. Natürlich wartet Otis im Truck.
Als wir über die letzte Hügelkuppe gefahren sind, breitet sich ein überwältigendes Panorama vor uns aus. Der Blind Beach. Obwohl ich schon mein Leben lang in Crystal Cove wohne und jeden Tag nach der Schule an diesen Strand jogge, bleibt mir beim Anblick der unendlichen Wasserfläche jedes Mal kurz die Luft weg, als würde ich darin ertrinken.
Das hier ist einer der gefährlichsten Küstenabschnitte Kaliforniens. Der Festlandsockel fällt steil von wenigen Metern auf mehrere Hundert Meter ab, wodurch sich oft starke Rückströmungen bilden, die selbst geübte Schwimmer das Leben kosten können. Vor allem die sogenannten Sneaker Waves sind tückisch, weil sie unterhalb der vermeintlich ruhigen Wasseroberfläche zum Strand rollen, dann völlig überraschend aus der Tiefe auftauchen und jeden, der zu dicht am Wasser steht, ins Meer reißen können. Der Pazifik ist so eiskalt, dass er jeden Hilferuf sofort erstickt. Jedes Jahr ereignen sich bei uns mehrere Todesfälle. Meistens trifft es unerfahrene Urlauber, aber letzten Sommer hat es zwei Jungs aus unserer Gegend erwischt, die von einer Sneaker Wave ins offene Meer gezogen wurden und ertrunken sind. Aber natürlich kann es auch passieren, dass man von einem der weißen Haie geschnappt wird, die vor der Küste ihre Kreise ziehen.
Heute tragen die Wellen weiße Schaumkronen und brechen sich krachend an den mächtigen Felsen, die wie uralte Monolithe in die Höhe ragen. Die Brandung verschluckt gierig weite Teile des Strands und am heller werdenden Himmel verschleiern Nebelschwaden den Horizont. Möwen stoßen kreischend im Sturzflug zu Boden, wo die Strömung Meerestiere an den Strand gespült hat: Abalonen, Krabben und Seesterne. In den dunklen Tiefen leben Buckelwale, Delfine, Robben und Haie, die sich aber nur zeigen, wenn sie gesehen werden wollen.
Jake strahlt. »Da wären wir.«
Ich nicke lächelnd und sehe, dass wir nicht die Einzigen sind. Unten am Strand sitzen schon Chloe und Alyssa mit ihrem Freund Manny. »Was wird das, Jake?«
Er stellt den Motor ab und reibt sich die Hände, weil die Morgenluft noch ziemlich kalt ist. »Ich dachte, wir könnten alle noch mal was Schönes zusammen machen, bevor es Montag dann wieder mit der Schule losgeht.«
Unser letztes Jahr an der Highschool. Ich freue mich drauf, Jake weniger. Wenn ich versuche, mit ihm über die Einstufungsprüfungen zu reden, oder besprechen will, an welchen Colleges ich mich bewerbe, wird er immer total einsilbig. An eine der Eliteuniversitäten werde ich es sicher nicht schaffen, aber an der University of Colorado stehen meine Chancen ziemlich gut. Jake möchte am liebsten gar nicht darüber nachdenken, wie es nach unserem Abschluss weitergeht. Ihm ist Colorado zu weit weg, er hat die Befürchtung, ich könnte ihn dort vergessen - was kompletter Quatsch ist. Ich glaube, ihm macht vor allem der Gedanke Angst, noch einen geliebten Menschen zu verlieren. Er und sein jüngerer Bruder Cole leben allein mit ihrer Mutter im Haus neben uns, seit vor zwei Jahren sein Vater gestorben ist. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum er manchmal beinahe ein bisschen zu anhänglich ist. Umso cooler finde ich es, dass er den anderen drei Bescheid gegeben hat. Ich weiß, dass er das vor allem für mich getan hat. »Total schöne Idee«, sage ich.
Jake steigt aus dem Wagen und öffnet die Heckklappe, worauf Otis sofort herausspringt und wie ein junger Welpe den Weg zum Strand hinunterjagt. Ich seufze. »Gleich rennt er ins Wasser und wir kriegen ihn nie wieder trocken.«
Aber Jake kümmert sich nicht um Otis, sondern lädt unsere Sachen aus - zwei Klappstühle, eine Picknickdecke und eine Kühlbox. Zwischen seinen Brauen bildet sich eine angestrengte Falte, als er versucht, alles auf einmal zu schleppen. Dabei sieht er so süß und heldenhaft aus, dass ich kurz zögere, ihm etwas abzunehmen, aber dann greife ich doch nach einem von den Stühlen.
»Schon okay. Hab alles im Griff«, wehrt er ab.
Als wir unten am Strand ankommen, wo die anderen drei aus dem herumliegenden Treibholz schon ein kleines Lagerfeuer gebaut haben, sieht Manny auf. »Na endlich«, ruft er. »Da kommt der Poolboy!«
»Hey, werd bloß nicht frech!« Jake lässt unsere Sachen fallen und hebt grinsend die Fäuste. Alyssa und Chloe sitzen nebeneinander und haben sich eine Wolldecke über die Knie gelegt. Obwohl die hohen Klippen in ihrem Rücken den Wind ein wenig abhalten, ist es noch ziemlich frisch hier unten. Der Himmel ist aschgrau, klart aber schon auf.
Ich lasse mich neben die beiden in den Sand fallen, worauf sie sofort ein Stück an mich heranrutschen, um ihre Decke mit mir zu teilen. Alyssa wirft Jake einen gespielt bösen Blick zu. »Dein Freund hat echt Nerven, Jess. Schickt mir heute Morgen um fünf eine Nachricht und macht total Druck, dass ich auch ja pünktlich da sein soll, und dann kommt er selbst zu spät und sieht aus wie ein Clown!« Sie lacht.
Ich werfe einen Blick auf Jakes lange, muskulöse Beine in den lächerlichen Delfinshorts. »Einen so schönen Menschen kann nichts entstellen.«
»Absolut richtig.« Alyssa zückt ihr Handy und macht ein Foto.
»Hey. Das postest du auf keinen Fall!« Ich beuge mich zu ihr rüber und will ihr das Handy wegreißen.
Sie kichert. »Zu spät.«
Jake klappt die Kühlbox auf und packt aus: Getränkedosen, Weintrauben und Burritos, die aussehen, als hätte er sie noch schnell in der Mikrowelle aufgetaut. »Ach, Shit«, murmelt er und kramt im Rucksack. »Ich glaub, ich hab die Salsa vergessen.«
Wir anderen sehen uns grinsend an. Ich bin jetzt seit zehn Monaten mit Jake zusammen und wusste, worauf ich mich einlasse - auf einen ziemlichen Chaoten, der sich zwar anstrengt, seinen Kram hinzukriegen, aber trotzdem regelmäßig an seiner angeborenen Verpeiltheit scheitert. Andererseits schafft er es aber auch immer wieder, mein Herz mit kleinen Gesten so zum Schmelzen zu bringen, dass ich mich frage, womit ich einen Freund wie ihn überhaupt verdient habe.
Jake verteilt die mittlerweile vom Wind mit einer feinen Sandschicht überzogenen Burritos. »Die Panade gibt's gratis dazu«, sagt er lachend.
Wir schütteln die Sandkörner ab, so gut es geht, trotzdem knirscht es beim Reinbeißen zwischen den Zähnen. Die Füllung aus Bohnenpüree ist auch noch halb gefroren.
»Mhmm, lecker«, sagt Manny und wirft seinen Burrito gleich ins Feuer.
Nachdem Jake die Getränkedosen herumgereicht hat, schauen wir eine Weile in die knisternden Flammen, auf die Manny noch ein Stück Treibholz legt. »Was ist eigentlich mit Tegans Party heute Abend?«, fragt...
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