Schweitzer Fachinformationen
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»Wo zur Hölle seid ihr, ihr unbequemen kleinen Biester?«
Maya kramte im Fußraum der Beifahrerseite in verschiedenen Tüten nach ihren High Heels, während sie schon ihre Sneaker abstreifte.
Als sie die Schuhe endlich gefunden hatte, schlüpfte sie hinein, öffnete die Autotür, und augenblicklich schlug ihr ein eisiger Wind entgegen. Also zog sie sich erst die Jacke an, bevor sie aus dem Wagen stieg. Wie kann die Temperatur um verdammte zehn Grad gefallen sein, wo ich doch gerade mal sechzig Kilometer nach Norden gefahren bin? Wie viel kälter es noch werden würde, wenn sie später ihren Weg fortsetzte, wollte sie sich kaum ausmalen.
Sie lief den leichten Anstieg die Einfahrt hinauf und war kurz geschockt von der gigantischen Villa. Sie kam ins Rutschen und wäre um ein Haar unsanft auf dem Hinterteil gelandet, hätte sie sich nicht gerade noch an einem Geländer festhalten können. »Verdammt!« Hastig sah sie sich um, ob auch keiner von Kirstys reichen Nachbarn sie beim Fluchen erwischt hatte. Das fast unscheinbare Glitzern auf dem Boden bestätigte ihre Vermutung. »Himmelherrgott. Verdammtes Winterwetter.«
Ihr kam ein beunruhigender Gedanke - war es eine gute Idee, alles, was sie besaß, im Kofferraum zu lassen, hier draußen, im Dunkeln? Das ist eine wohlhabende Gegend. Sollte in Ordnung sein.
Wie erbärmlich, dass ihr gesamtes Leben in den Kofferraum eines Autos passte. Alle großen Möbelstücke hatte sie Rich überlassen, als sie ihre Besitztümer zwischen sich aufgeteilt hatten, immerhin hatte er bereits eine neue Wohnung. Bringt ja nichts, Geld für die Einlagerung auszugeben, wenn ich dann wie eine jämmerliche Mittzwanzigerin nur doch wieder zurück in mein Kinderzimmer ziehe. Es war nicht so, dass sie sich viel hatten leisten können. Ihre Wohnung war, genau wie ihre Ausstattung, eher bescheiden ausgefallen, nachdem sie sich für eine kleine Steuerberatungsfirma entschieden hatte und Rich eine Anstellung als Finanzbuchhalter für eine Wohltätigkeitsgesellschaft gefunden hatte.
Doch ein paar Dinge hatten zumindest einen sentimentalen Wert für sie. Der antike Royal-Albert-Tee-Teller, zum Beispiel, den sie gern mit nach Hause genommen hätte, um mit Liv zusammen Scones darauf zu legen und so zu tun, als würden sie mit Mr. Darcy und Mr. Bingley Tee trinken. Aber der Teller war ein Geschenk seiner Mutter, deshalb hatte Maya ihn Rich überlassen. Dabei trank er überhaupt keinen Tee, genauso wenig mochte er süße Brötchen. Und er hatte sicherlich weder eine Vorliebe für Darcy noch für Bingley. Trotzdem war es richtig so, und außerdem war sie allmählich zu alt dafür, so zu tun, als wäre sie eine Figur in einem Jane-Austen-Roman.
Maya stakste mit tastenden Schritten und ausgestreckten Armen auf die Tür zu, wie die unfähigste Seiltänzerin, die je existiert hatte. Sie rutschte noch ein paarmal aus und wünschte sich sehnlichst ihre Sneaker zurück, aber nun war sie schon zu weit gekommen, um noch mal umzukehren.
»Komm schon, Maya. Girlpower!« Sie richtete den Blick fest auf den Türrahmen und gelangte ohne weitere Vorfälle bis zur Türschwelle, wo sie, ohne zu zögern, auf den Klingelknopf drückte.
Geschafft! Erleichtert atmete sie auf, wobei sich kleine Wölkchen vor ihrem Gesicht bildeten und ihr den Blick auf den wunderschön arrangierten rot-gold-grünen Weihnachtskranz vernebelten, der an der Tür hing. Ihr fiel ein, dass sie außer Kirsty niemanden auf der Party kennen würde, und sie spielte nervös mit ihrem Charmearmband.
Die Tür öffnete sich, und eine Welle der Wärme schwappte heraus. »Du bist wirklich gekommen.« Kirsty fiel ihr freudig um den Hals.
»Hi«, murmelte Maya gedämpft, weil Kirsty sie immer noch fest an ihre paillettenbesetzte Schulter drückte. »Du siehst toll aus. Und dein neues Haus ist echt beeindruckend.«
Kirsty ließ sie lächelnd los und machte einen Knicks. »Oh, vielen Dank.« Sie zwinkerte ihr zu. »Komm rein. Jetzt sind alle da. Und damit meine ich alle.«
Maya betrat den sicheren, eisfreien Boden des Hauses. Ehe sie fragen konnte, warum Kirsty »alle« so betont hatte, wurde sie schon von ihr den breiten Flur entlanggescheucht bis zu einem großen Wohnzimmer. Die Einrichtung wirkte wie aus einem Interiortraum, überall klare Linien und Glas.
Kirsty zeigte nacheinander auf ihre Freunde. »Das sind meine Nachbarinnen, Donna und Karen. Und hier Isabelle und Una, meine Kolleginnen .«, fuhr sie fort und stellte Maya insgesamt etwa zehn Frauen vor.
Maya setzte ein Lächeln auf und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass sie all die Namen schon wieder vergessen hatte, als wäre ihr Kopf ein Sieb.
Kirsty streckte die Hände aus. »Komm, ich nehme dir deinen Mantel ab.«
Maya zog die Jacke aus und rückte ihr goldenes, schulterfreies Top zurecht. »Kann ich dir irgendwas in der Küche helfen?«
»Auf keinen Fall«, entgegnete Kirsty mit einem gespielt strengen Blick. »Da kümmert sich schon jemand drum.«
Aus irgendeinem Grund löste diese Aussage ein jubelndes Gegröle bei der Gruppe Frauen aus, das Maya zusammenfahren ließ. Es war zwar schön, dass sich alle entspannen konnten und keinen Küchendienst hatten, aber musste man deswegen so ausrasten? Auf was waren die denn? Eierlikör und Glühwein?
Die anderen vertieften sich wieder in ihre Gespräche, und Kirsty berührte Maya am Arm. »Was möchtest du trinken?«
Maya hätte alles für einen kleinen Schluck Alkohol gegeben, aber sie musste noch Auto fahren und sich dem Urteil ihres Vaters stellen. »Nur eine Cola Light, bitte. Ich bleibe nicht über Nacht.«
»Du fährst heute noch weiter nach Glenavie?«, fragte Kirsty.
Maya nestelte nervös an ihrem Charmearmband herum. »Ich dachte mir, es wäre besser, es schnell hinter mich zu bringen.«
Kirsty umarmte sie aufmunternd. »Hoffentlich lebst du dich schnell wieder ein. Aber bist du sicher, dass du nicht hierbleiben willst? Die Straßen sind bestimmt glatt.«
Maya schüttelte den Kopf und rang sich ein Lächeln ab. »Ich habe es mir fest vorgenommen, noch heute dort anzukommen.«
Kirsty nickte. »Du kannst deine Entscheidung jederzeit ändern, wenn du dich danach fühlst. Warte mal ab, bis du siehst, was ich noch so geplant habe.«
Maya zog fragend die Augenbrauen hoch. Kirsty tat schon die ganze Zeit so geheimnisvoll.
»Nimm doch Platz«, bat ihre Freundin sie augenzwinkernd. »Ich bin gleich wieder da.«
Maya setzte sich auf das riesige, weiche, graue Sofa neben ein paar andere Frauen. Das Zimmer war unglaublich stylish. Ihr fiel es schwer, den neidischen Blick loszureißen.
Eine lächelnde Frau in schwarzem Jumpsuit rutschte zu Maya rüber und streckte ihr die Hand entgegen. »Ich bin Isabelle.«
Maya schüttelte ihr die Hand und erwiderte das Lächeln, erleichtert, dass Isabelle ihr noch mal ihren Namen gesagt hatte, so dass sie die Frau am Ende nicht »Dave« oder so nennen würde. »Maya. Schön, dich kennenzulernen.«
Isabelle nippte an ihrem Wein und nickte in Richtung der großen Verandatüren. »Ich kann es nicht fassen, wie kalt es geworden ist.«
»Allerdings, oder?«, schaltete sich die Frau neben Isabelle ein. »Kaum zu glauben, dass bald schon Weihnachten ist.« Sie lehnte sich über Isabelle, um Maya anzusprechen, wobei die Quasten an ihrem Top fast in Isabelles Getränk hineinhingen. »Hi, ich bin Una.«
Maya schüttelte Una die Hand, die sich dabei über Isabelle beugte. »Schön, dich kennenzulernen.«
Una seufzte schwer. »Ich habe noch nicht mal annähernd alle Weihnachtgeschenke.«
»Wem sagst du das«, erwiderte Isabelle und verdrehte die Augen. »Ich werde es niemals rechtzeitig schaffen.«
Mayas Schultern entspannten sich ein wenig. Das war typischer schottischer Winter-Smalltalk, der es erleichterte, mit neuen Leuten ins Gespräch zu kommen. »So geht's mir auch. Ich habe noch nicht ein einziges Geschenk gekauft, weil ich gerade erst wieder nach Hause zurückziehe. Also, ich bin wirklich gerade dabei, meine gesamten Habseligkeiten befinden sich draußen im Auto.« Sie hielt inne. Hatte sie zu viel gesagt?
»Ach, echt?«, fragte Isabelle mit hochgezogenen Augenbrauen. »Du ziehst heute Abend um?«
»Ja«, antwortete Maya. Wenn sie doch nur einen Drink haben könnte - irgendetwas Stärkeres als die Cola Light, die Kirsty ihr holte. Sie räusperte sich. »Ich ziehe wieder zu meinen Eltern, weil ich meinen Job verloren habe.«
»Oje«, sagte Una mitfühlend und griff über Isabelle hinweg, um Mayas Hand zu drücken, wobei sie Isabelle fast in den Schoß gefallen wäre. »Das tut mir leid. Und das so kurz vor Weihnachten.«
»Ach, schon gut«, winkte Maya mit der anderen Hand ab und rang sich ein Lächeln ab. »Auf See passiert Schlimmeres.«
Wie kam sie auf diesen Vergleich? Seit wann verloren Seeleute ihren Job, ihren Freund und ihre Wohnung und mussten mit eingezogenem Schwanz nach Hause kriechen, um sich dem Urteil ihres enttäuschten Vaters zu stellen? Moby Dick zu begegnen wäre wahrscheinlich deutlich schlimmer. Oder dem weißen Hai. Oder Godzilla.
Isabelle lehnte sich zurück und warf Maya ebenfalls einen mitfühlenden Blick zu. »Aber trotzdem. Das muss doch unglaublich nervig sein. Wo wohnen deine Eltern denn?«
»In Glenavie«, antwortete Maya, die aus ihren Seemonstergedanken gerissen wurde. »Nicht weit von Glencoe.«
»Oh, im Skigebiet«, sagte Una mit einem verträumten Gesichtsausdruck. »Wie schön. Zumindest ist es dort bestimmt wunderbar weihnachtlich.«
Maya hatte sofort ihre Heimatstadt...
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