Schweitzer Fachinformationen
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Die lebenslustige Irene Beltrán liebt ihre Arbeit als Journalistin. Aber ihre Unbekümmertheit hat ein jähes Ende, als sie mit dem konfrontiert wird, was Diktatur und Willkür den Menschen antun können.
Isabel Allendes engagierter Roman ist nicht nur eine Liebesgeschichte, sondern auch die Auseinandersetzung mit Chiles jüngster Vergangenheit: »Ich muß einen Kontinent erzählen«, sagt die Autorin, »für diejenigen sprechen, die keine Stimme haben.«
»Die drei Romane markieren Etappen meines Lebens. Das Geisterhaus war Bewältigung meiner Erinnerung. Von Liebe und Schatten nahm mir meinen Haß und meine Wut. Eva Luna ist ein fröhliches Buch.« Isabel Allende
Seitdem er für die Zeitschrift arbeitete, war Francisco einem ständigen Wechselbad ausgesetzt. Die Stadt war von einer unsichtbaren Grenze durchschnitten, die er häufig überqueren mußte. An ein und demselben Tag fotografierte er duftige Musselinkleider mit Spitzenbesatz, versorgte in Josés Siedlung ein von ihrem Vater vergewaltigtes Mädchen und brachte die letzte Liste der Opfer an den Flughafen, um sie einem ihm unbekannten Verbindungsmann zu übergeben, nachdem er das Erkennungswort gesagt hatte. Halb lebte er im offiziell verordneten Schein und halb in der heimlichen Wirklichkeit. Seine Gemütsverfassung mußte er jeweils den Erfordernissen des Augenblicks anpassen, wenn aber der Tag vorbei war, ließ er in der Stille seines Zimmers die Ereignisse des Tages an sich vorüberziehen und kam zu dem Schluß, angesichts der tagtäglichen Herausforderung am besten nicht weiter darüber nachzudenken, damit Angst und Zorn ihn nicht lähmten. Zu jener Stunde wuchs Irenes Bild aus den Schatten, die ihn umgaben, bis es den ganzen Raum ausfüllte.
In der Nacht zum Donnerstag träumte er von einem Margeritenfeld. Zumeist erinnerte er sich nicht an seine Träume, die Blumen aber waren so frisch gewesen, daß er beim Aufwachen davon überzeugt war, sich gerade im Freien bewegt zu haben. Vormittags lief er im Verlag der Astrologin über den Weg, jener Frau mit dem schwarzblauen Haar, die es sich in den Kopf gesetzt hatte, ihm seine Zukunft vorauszusagen.
»Ich lese es aus deinen Augen: Du hast eine Liebesnacht hinter dir!« rief sie ihm zu, kaum daß sie ihn auf der Treppe zum fünften Stock entdeckt hatte.
Francisco lud sie zu einem Bier ein und erzählte ihr, mangels kosmischer Daten, die ihr beim Wahrsagen hätten helfen können, von seinem Traum. Sie ließ ihn wissen, daß Margeriten Glück bedeuten, daß ihm also zwangsläufig in den nächsten Stunden etwas Angenehmes widerfahren mußte.
»Das ist ein Trost, mein Sohn, denn der Tod streckt seine Hand nach dir aus«, bemerkte sie noch, aber das hatte sie schon so oft gesagt, daß die Unheilsbotschaft ihn nicht mehr schrecken konnte.
Seine Achtung für die Sterndeuterin stieg, als sich wenig später die Glücksvorhersage erfüllte und Irene ihn zu Hause anrief, er möge sie doch zum Essen einladen, denn sie habe Lust, die Leals zu sehen. Sie waren in der ganzen Woche kaum zusammengewesen. Die Moderedakteurin hatte es sich in den Kopf gesetzt, eine Fotoserie in der Kriegsakademie machen zu lassen, und Francisco war damit vollauf beschäftigt gewesen. Die Mode der Saison waren romantische Kleider mit Bändern und Volants, und die wollte sie vor dem Hintergrund der schweren Kriegsmaschinerie und der Uniformen präsentieren. Der Kommandant seinerseits wollte die Gelegenheit nutzen, um die Armee von einer gutartigen Seite zu zeigen, und öffnete die Tore, nachdem er die Sicherheitsvorkehrungen verdoppelt hatte. Francisco und das übrige Team verbrachten mehrere Tage im militärischen Sperrgebiet, und danach wußte er nicht, was ihm widerwärtiger war: die vaterländischen Hymnen und die martialischen Zeremonien oder aber die drei Schönheitsköniginnen, die vor seiner Linse posierten. Beim Ein- und Auslaß wurden sie minutiös gefilzt. Das gab ein Drunter und Drüber wie bei einer Naturkatastrophe. Man kippte ihnen die Koffer aus, wühlte zwischen Kostümen, Schuhen und Perücken, die Wachen steckten nicht nur überall ihre Nase rein, sondern setzten auch noch elektronisches Suchgerät ein, um irgendein verdächtiges Indiz aufzuspüren. Die Mannequins begannen den Tag mit einem mauligen Gesicht und brachten quengelnd die Stunden hinter sich. Mario, der immer elegant weißgekleidete und diskrete Friseur, hatte die Mission, sie für jedes Foto zu verwandeln. Ihm sekundierten zwei Assistenten, beides Neulinge im Schwulengewerbe, die ihn wie Glühwürmchen umschwirrten. Francisco kümmerte sich um die Kameras und die Filme und mußte sich beherrschen, um Ruhe zu bewahren, wenn bei einer der Durchsuchungen seine Filmrollen dem Licht ausgesetzt wurden und dann die Arbeit des Tages zunichte war.
Das Gastspiel dieser Komparserie verursachte in der Disziplin der Akademie einige Einbrüche, da es all jene verwirrte, die ein solches Schauspiel nicht gewohnt waren. Die Soldaten, denen nicht die Königinnen den Kopf verdrehten, wurden von den Assistenten aus dem Tritt gebracht, die, sehr zum Leidwesen des Friseurmeisters, ständig um sie herumschwänzelten. Mario hatte keinen Sinn für solche Geschmacklosigkeiten, er selbst hatte jede Neigung zur Promiskuität seit Jahren überwunden. Er war eines von elf Kindern eines Bergmanns aus dem Kohlerevier. Er war in einem grauen Städtchen geboren und aufgewachsen, in dem der Staub aus der Mine alles und jedes bedeckte, es mit einer dünnen, tödlichen Patina des Häßlichen überzog und die Bewohner, in deren Lungen er sich festsetzte, in Schatten ihrer selbst verwandelte. Mario war dazu bestimmt, in die Fußstapfen seines Vaters, seines Großvaters und seiner Brüder zu treten, aber er verspürte nicht die Kraft, um durch die Eingeweide der Erde zu robben und den nackten Felsen zu behauen und die ganze Rauheit der Minenarbeit durchzustehen. Seine Finger waren zart und sein Geist phantasiebegabt, was man ihm mit Prügeln auszutreiben suchte, doch solch drastische Mittel änderten nicht sein feminines Gebaren, noch brachten sie seine Natur auf einen anderen Kurs. Der Junge nutzte jede unbeobachtete Gelegenheit, um sich einsamen Freuden hinzugeben, die den mitleidlosen Spott seiner Umgebung herausforderten: er sammelte Flußsteine, die er polierte, um sich an dem Glanz der Farben zu erfreuen; er durchstreifte die traurige Landschaft auf der Suche nach trocknen Blättern, die er zu kunstvollen Kompositionen arrangierte; ein Sonnenuntergang konnte ihn zu Tränen rühren, er wünschte sich, das Gesehene in einem Bild oder einem Vers festhalten zu können. Nur seine Mutter billigte diese Sonderlichkeiten, sie sah in ihnen nicht Anzeichen von Perversion, sondern die Offenbarung einer anders gearteten Seele. Um ihn von den unbarmherzigen Prügeln seines Vaters zu bewahren, brachte sie ihn in die Pfarrei, wo er dem Sakristan helfen sollte. Sie hoffte, daß seine weibliche Sanftheit zwischen Meßgewändern und Weihrauchopfern nicht auffallen würde. Doch der Junge vergaß die lateinischen Litaneien, weil er sich ablenken ließ von den goldenen Stäubchen, die im Lichtstrahl tanzten, der durch das Fenster fiel. Der Pfarrer sah über solche Traumtänzereien hinweg, brachte ihm Arithmetik, Lesen und Schreiben sowie das Allernotwendigste an Bildung bei. Mit fünfzehn konnte er die wenigen Bücher in der Sakristei beinahe auswendig, ebenso wie die des türkischen Kolonialwarenhändlers, der ihn mit Büchern ins Hinterzimmer seines Ladens lockte, wo er ihn dann in die Mechanismen der Männerliebe einweihen konnte. Als sein Vater von diesen Besuchen erfuhr, schleppte er ihn mit roher Gewalt und eskortiert von seinen beiden älteren Brüdern zum Bordell. Dort mußten sie Schlange stehen zusammen mit einem Dutzend anderer Männer, die darauf brannten, ihren Freitagslohn loszuwerden. Nur Mario nahm die schmutzig verblichenen Gardinen wahr, den Gestank nach Urin und Karbol, die unendliche Trostlosigkeit, die dieser Ort atmete. Nur ihn rührte die Traurigkeit dieser Frauen, die der übermäßige Gebrauch und der Mangel an Liebe vernutzt hatte. Von seinen Brüdern in die Enge getrieben, machte er den Versuch, sich bei der Hure, die ihm zugefallen war, wie ein Mann aufzuführen; die sah jedoch auf den ersten Blick, daß diesem Jungen vorbestimmt war, einsam und geächtet zu leben. Er tat ihr leid, wie er da vor Widerwillen zitterte beim Anblick ihres nackten Fleisches, und sie bat darum, mit ihm allein gelassen zu werden, um ihrer Arbeit in Ruhe nachgehen zu können. Als die anderen hinausgegangen waren, schob sie den Riegel vor die Tür, setzte sich neben ihn aufs Bett und nahm seine Hand.
»Das kann man nicht auf Befehl machen«, sagte sie zu Mario, der verschreckt weinte. »Geh weit weg, Junge, irgendwohin, wo dich niemand kennt, denn hier werden sie dich am Ende totschlagen.« Das war der beste Ratschlag, den er in seinem Leben bekam. Er trocknete die Tränen und versprach keine mehr zu vergießen um ein Mannestum, das er sich im Grunde nicht wünschte.
»Wenn du dich nicht verliebst, kannst du es weit bringen«, verabschiedete ihn die Frau, nachdem sie den Vater beruhigt und damit den Jungen vor einer neuen Tracht Prügel bewahrt hatte.
In jener Nacht sprach Mario mit der Mutter und erzählte ihr, was vorgefallen war. Sie suchte aus den Tiefen ihres Schrankes ein Bündelchen zerknitterter Scheine hervor und legte es ihrem Sohn in die Hand. Mit diesem Geld nahm er einen Zug in die Hauptstadt, wo es ihm gelang, sich als Hilfskraft in einem Friseursalon zu verdingen. Er mußte dort putzen und aufräumen und bekam dafür Essen und eine Strohmatte, auf der er nachts im Salon schlafen durfte. Er war überwältigt. Eine solche Welt hatte er sich nicht vorstellen können: helle Farben, zarte Parfums, fröhliche Stimmen, Frivolität, Wärme, Muße. In den Spiegeln verfolgte er die Hände der Friseusen auf den Haaren und konnte nur staunen. Er lernte die weibliche Seele kennen, dieweil er die Frauen ungeschminkt sah. Nachts, wenn er allein im Salon zurückblieb, probierte er an den Perücken Frisuren aus und am eigenen Gesicht Lidschatten, Puder und Stifte, um sich in der Kunst des Schminkens zu üben, und er fand heraus, wie man ein Gesicht mit Pinsel und Farbe verschönt. Schon bald wurde ihm erlaubt, sich an neuen Kundinnen zu versuchen, und nach wenigen Monaten schnitt er Haare wie ein Gott, und die anspruchsvollsten Damen verlangten, von ihm bedient zu werden. Er verstand es, eine unscheinbare Frau zu verwandeln, indem er ihren Kopf...
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