Bei Radsport- und Triathlonveranstaltungen, in Fachgeschäften, in Fachzeitschriften, im Internet, auf Radrennbahnen und überall dort, wo sich Radsportler begegnen, sind Wattmessgeräte ein Gesprächsthema. Man ist sich einig: Für Radsportler ist das Training mit einem Wattmessgerät wichtig, um die Leistung weiterzuentwickeln.
Während unserer Arbeit als Trainingswissenschaftler haben wir die Vorzüge des wattgesteuerten Trainings unmittelbar erlebt. Einfach ausgedrückt, können Sie Ihren Trainingsfortschritt mit einem Wattmessgerät quantitativ bestimmen, Ihre Schwächen leichter definieren und gezielt angehen. Ob Sie die nächste Stufe in Sachen Fahrtleistung erklimmen oder Ihr Trainingsprogramm verfeinern wollen, das Wattmessgerät liefert Ihnen den Grundstein für solche Veränderungen.
Selbst erfahrene Radsportler können von einem Wattmessgerät profitieren. Dies belegt Hunter Allens Erfahrung als Trainer von Fahrern, die jahrzehntelange Radsporterfahrung in den Beinen haben. Phil Whitman zum Beispiel, ein über 60-jähriger Fahrer, zögerte, in die Wattmessung einzusteigen, weil er bezweifelte, dass sie ihm weitere Verbesserungen ermöglichen würde. Dennoch probierte er sie auf Allens Drängen hin aus.
"Ich habe schon so viele kleine Spielereien gesehen, die eine Leistungssteigerung versprachen. Die meisten davon waren aber ebenso schnell verschwunden, wie sie gekommen waren", sagte er. "Das Wattmessgerät hat mir in diesem Jahr wirklich geholfen, den Fokus auf spezifisches Intervalltraining, das richtige Tempo in Fluchtgruppen und beim Zeitfahren zu legen. Außerdem war es spannend, meine Fortschritte quantitativ erfasst zu sehen, und das zum ersten Mal nach 30 Jahren Radsport."
Ein Wattmessgerät an Ihrem Rad wird Ihnen Zugriff auf mehr Daten ermöglichen, als Sie es sich jetzt vorstellen können. Davon werden Sie jedoch nur profitieren, wenn Sie wissen, was Sie aus all diesen Daten machen können und wie Sie sie interpretieren. Viele Fahrer hatten mit ihrem Wattmessgerät das folgende Problem: Sie sahen die Diagramme mit all den Fahrtdaten und waren zunächst entmutigt. Daher haben wir einen Großteil dieses Buchs darauf verwendet, zu erläutern, wie Sie die relevanten Trainingsinformationen herausfiltern und wie Sie Ihre Fortschritte nachvollziehen können. Sie sollen schließlich lernen, wattbasierte Trainingseinheiten in Ihren Trainingsplan zu integrieren, und herausfinden, wann und wie Sie Ihr Training anpassen sollten. Mit einigen einfachen Strategien wird aus Ihrem Wattmessgerät ein wertvolles Instrument, mit dem Sie Ihre Fahrleistung verbessern können, und nicht einfach nur ein teures Upgrade für Ihr Rad. Wenn Sie wissen, wie Sie Wattmesstechnik richtig einsetzen, gewinnen Sie dadurch echte Vorteile in den folgenden Bereichen:
Selbsteinschätzung: Ein Wattmessgerät liefert Ihnen viele Informationen zu Ihrer Fahrt, anhand derer Sie Ihre Stärken und Schwächen identifizieren können.
Zusammenarbeit: Übermitteln Sie für eine bessere Zusammenarbeit detaillierte Informationen an Ihren Trainer und Ihre Teamkollegen.
Zielgerichtetes Training: Gepaart mit gutem Training und Teamwork führen die Daten zu angemessenen Trainingszielen und -methoden.
Spitzenleistung: Mit genauen Informationen, verbesserter Zusammenarbeit und ausgeklügeltem Training können Sie im Radsport Ihr Bestes geben.
Wie Sie sehen, hängen diese vier Bereiche zusammen und bauen aufeinander auf. Ohne die Daten des Wattmessgeräts, die Fahrtanalysen, die Kommunikation mit Coach und Teamkollegen und das Entwickeln eines zielgerichteten Trainingsplans bleibt letztlich vieles spekulativ. Wenn die Daten jedoch die Grundlage bilden, erreichen Sie neue Maßstäbe in allen Bereichen. Dennoch ein Wort der Warnung an die "alten Hasen": Wenn Sie nicht gewillt sind, Ihre Trainingsweise zu verändern, wird das Training mit einem Wattmessgerät für Sie nicht das Richtige sein. Es erfordert zunächst etwas Zeit und auch Einsatz von Ihrer Seite, aber wenn Sie wirklich trainieren und schneller fahren wollen, kann Ihnen ein Wattmessgerät dabei helfen, Ihre Bestform zu erreichen. Sehen wir uns einmal genauer an, wie das geht.
Genaue Selbsteinschätzung
Protokollieren Sie Ihre Leistung
Mit dem Wattmessgerät zeichnen Sie eine gewaltige Datenmenge auf, die Sie nach der Fahrt auf Ihren Computer laden können. Durch dieses sekundengenaue Protokoll sehen Sie, wie stark Sie wirklich waren, als Sie den Berg "gestürmt" hatten, und ob Sie mehr hätten essen oder trinken sollen, ob Sie die richtige Übersetzung gewählt hatten, als Ihnen nach 50 Kilometern Fahrt die Puste ausging, und einiges mehr.
Das Wattmessgerät zeichnet Ihre Leistung aus kardiovaskulärer (Herzfrequenz) und aus muskulärer Sicht (Wattleistung) auf. Die Leistung, die Sie erzielen, treibt das Rad an. Ihre Herzfrequenz ist die Antwort Ihres Körpers auf den Druck, den Sie auf die Pedale ausüben. Wenn Sie in der Lage sind, die richtige "Trainingsdosis" zu finden, werden Sie alle anderen Aspekte Ihrer Trainingsund Wettkampfleistungen besser verstehen. Sie werden genau wissen, wie lange Sie während der Fahrt im richtigen Leistungsbereich waren. Sie erkennen, welche Anforderungen Sie dringender trainieren müssen, beispielsweise Intervalleinheiten, Anstiege, Sprints oder Angriffe während eines Rennens. Die Datenanalyse nach der Fahrt gibt Ihnen Gewissheit, ob Sie Ihre Trainingsziele erreicht haben oder Ihre Trainingsmethodik eher überprüfen müssen.
Verleihen Sie Ihrer Herzfrequenz Bedeutung
Mit einer Pulsuhr erfahren Sie nichts über Ihre Fortschritte im Radsport. Sie verrät Ihnen lediglich, wie schnell Ihr Herz schlägt. Ihre Herzfrequenz kann jedoch von vielen Faktoren beeinflusst werden, die meistens nur wenig mit Ihrer tatsächlichen Leistung zu tun haben, und so könnten Sie mit einer Pulsuhr allein leicht falsche Schlüsse über Ihre Leistungsfähigkeit ziehen. Sogar Ihr Selbstvertrauen könnte darunter leiden.
Ihre Herzfrequenz wird von Ihrem Flüssigkeitshaushalt, der Umgebung, Ihrer Körpertemperatur, Ihrem Schlaf und vielen anderen Faktoren beeinflusst. Ihre Herzfrequenz hängt von so vielen Faktoren ab, dass Sie manchmal wirklich besser beraten sind, sie während des Trainings oder Wettkampfs nicht zu beachten und stattdessen auf die "gefühlte Belastung" zu vertrauen. Natürlich können Pulsuhren wertvoll und nützlich sein, doch die Herzfrequenz ist nur ein kleines Teil eines großen Puzzles. Die Geschwindigkeit des Herzschlags ist eine Reaktion auf einen Reiz. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie von einem Bären durch den Wald gejagt werden, vor einer wichtigen Präsentation aufgeregt sind oder ob Sie in die Pedale treten, um zum Ende der Führungsgruppe aufzuschließen. Stellen Sie sich die Herzfrequenz wie den Drehzahlmesser im Auto vor. Je fester Sie aufs Gaspedal treten, desto höher die Drehzahl. Hunter Allen beschreibt die Herzfrequenz oft als "Intensität der Absicht", also als Kennzahl dafür, wie sehr Sie es versuchen. Je stärker Sie sich einbringen, desto höher Ihre Herzfrequenz.
Ein Wattmessgerät hingegen misst die tatsächliche Arbeit (Leistung), das heißt, wie fest Sie in die Pedale treten. Leistung ist die Zahl der Pferdestärken, die der Fahrzeugmotor benötigt, um eine Geschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde zu halten. Sie sind der Motor Ihres Rads, und das Wattmessgerät verrät Ihnen, wie viel Leistung Sie in der Maßeinheit Watt erbringen. Das Verhältnis von Herzfrequenz zu Leistung zeigt Ihnen, dass es Tage gibt, an denen Ihre Pulsuhr Sie mahnt, ruhiger zu fahren, während Ihr Wattmessgerät Sie auffordert, mehr zu leisten, da Ihre Muskeln nicht hart genug arbeiten, um eine Trainingswirkung hervorzurufen. Ihr Herz ist ein Muskel wie jeder andere im Körper, und auch dieser ermüdet. Daraus folgt, dass beispielsweise nach sieben Tagen harten Trainings die Herzfrequenz bei einer bestimmten Wattzahl niedriger sein kann, als Sie es gewohnt sind. Beträgt Ihre Herzfrequenz bei 280 Watt normalerweise 165 Schläge pro Minute, kann sie nach sieben Tagen harten Trainings bei gleicher Leistung wegen Ihrer Ermüdung nur 158 Schläge pro Minute betragen. Das bedeutet jedoch nicht zwingend, dass Sie sich an diesem Tag ausruhen sollten, denn Sie profitieren immer noch vom Training. Höchstwahrscheinlich wären Sie noch immer in der Lage, dieselbe oder fast dieselbe Leistung zu erbringen wie im frischen Zustand zu Beginn des Trainingsblocks. Ihre Wattzahl ist das entscheidende Kriterium für einen Ruhetag.
Verfolgen Sie Ihre Fortschritte
Leistungsveränderungen einfach nachvollziehen zu können, ist eine der interessantesten Möglichkeiten, die Ihnen der Einsatz von Wattmessgeräten im Training bietet: Im Laufe der Zeit werden Sie Gewissheit erlangen, ob und...