Schweitzer Fachinformationen
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»Wir hören nicht auf zu spielen, weil wir alt werden, wir werden alt, weil wir zu spielen aufhören.«
George Bernard Shaw
Merke, dass der starrste Baum am leichtesten bricht, während sich Bambus und Weide im Wind biegen und heil bleiben.« So drückt es Kampfkunstmeister Bruce Lee aus. Zwar ähneln Kinder, die das unstrukturierte Spiel lieben, geschmeidigen Bambus- oder Weidenzweigen, aber die meisten von uns Erwachsenen begannen in dem Moment, in dem wir aufhörten zu spielen und ernst wurden, brüchig zu werden wie der starre Baum. Die Folge ist, dass wir nicht nur stagnieren, sondern auch Gefahr laufen, an unserer eigenen Erstarrung zu zerbrechen.
In den Neurowissenschaften war eines der heißesten Themen der letzten Jahre die Neuroplastizität - also die Fähigkeit des Gehirns, formbar zu bleiben, zu wachsen und sich zu verändern. Der Körper ist eine Erweiterung des Gehirns, und ein geschmeidiger Körper zeugt von einem geschmeidigen Geist. Anpassungsfähigkeit ist die wertvollste Eigenschaft des Menschen, sie ist für die Evolution der Spezies unerlässlich, und der höchste Ausdruck körperlicher, kognitiver und emotionaler Anpassungsfähigkeit ist das Spiel in der Gruppe. Interaktives Spielen strafft sozusagen das autonome Nervensystem, trainiert den sozialen Umgang und mäßigt die Reaktionen auf zukünftige Stressoren. Was das Ganze heißen soll? Spielen hilft dem Nervensystem, stressresistenter zu werden und leichter zwischen unterschiedlichen Zuständen zu wechseln. Ist jemand »kein guter Mitspieler« oder gar ein »Spielverderber«, könnte das bedeuten, dass sein Nervensystem in einem defensiven oder abgeschotteten Zustand feststeckt. Allmähliches Annähern an spielerisches Miteinander kann hier hilfreich sein, um den Menschen wieder ins Gleichgewicht zu bringen. So gesehen ist das Spielen die Königsklasse jeder Bewegungspraxis.
Es mag muskelbepackte Schwerathleten geben, die diese Behauptung nur schwer glauben können. Aber man denke nur an die körperliche und kognitive Leistung eines rennenden, springenden, kletternden, sich drehenden, wirbelnden, hangelnden, rollenden, stürzenden, aufstehenden und hüpfenden Kindes, das dabei noch tief in seine Fantasie eintaucht (ich persönlich verwandelte mich als Kind am liebsten in einen Power Ranger, und zwar in den blauen). Welche Muskeln setzt dieses Kind ein, um voller Freude mit Freunden Fangen zu spielen oder in einen Haufen Blätter zu springen, während es vor Lachen kreischt? Antwort: alle! Wenn dieses Erlebnis ein »Bewegungsergänzungsmittel« wäre, wäre es die unbezahlbare Krönung aller vollwertigen Superfoods mit sämtlichen Makro- und Mikronährstoffen in einer einzigen Dosis. (Die Infografik verdeutlicht die Komplexität des nur scheinbar so einfachen Spielens.) Kinder bewegen sich nicht deshalb so gut, weil sie Kinder sind, sondern weil sie noch nicht von stundenlanger Sitzarbeit verdorben sind, auf die ein falsch ausgerichteter, die Muskeln isolierender Workout folgt. Übung macht nicht den Meister, sie sorgt nur dafür, dass sich das Wiederholte einprägt - ob nützlich oder nicht.
Eine übermäßige Isolierung der Einzelteile führt zum Zerlegen des Ganzen. Das habe ich nur zu gut gelernt, indem ich mich durch jahrelanges falsches Bodybuilding verletzte. Danach begann für mich ein lohnender (und schwieriger) Prozess, durch den ich meine seelischen, emotionalen und körperlichen Einzelteile wieder zusammensetzte. Um meine persönliche Balance wiederzufinden, musste ich wieder lernen zu spielen, und dieser Weg führte mich über Sport, Tanz und Kampfkunst bis hin zu Wandern, Klettern, Yoga aller Art, Krafttraining und allgemeiner Bewegungsforschung. Während dieser Erkundungen ist mir klar geworden, dass man durch Bewegung vom physischen Körper aus auf den Geist und die Emotionen zugreifen kann.
Wenn Sie wie ich die großartigen BBC-Naturdokus wie Planet Erde, Das Leben der Vögel oder Blauer Planet anschauen, sobald sie auf Netflix laufen, werden Sie wissen, dass Verspieltheit kein exklusives Merkmal des Menschen ist, sondern eine universelle Konstante im Tierreich. Schimpansen spielen Verstecken, Krähen rutschen vereiste Hänge hinab und Flusspferde machen Purzelbäume. Selbst Insekten wie Ameisen kämpfen spielerisch. Manche Lebewesen, Delfine beispielsweise, scheinen nicht viel mehr zu tun als zu spielen.
Was soll das denn? Warum spielen Tiere? Richard W. Byrne schreibt in einer Sonderausgabe der Fachzeitschrift Current Biology: »Spaß ist funktional: das Spielen hat den evolutionären Sinn, dass Tiere unter relativ gefahrlosen Bedingungen nützliche Fähigkeiten erwerben und perfektionieren können.« Im Hinblick auf unsere Spezies schreibt Byrne weiter: »Beim Menschen mag die Entwicklung von Kreativität eine weitere wichtige funktionale Erklärung für den Spaß am Spielen sein: Aufbau eines breiteren mentalen Repertoires durch Erkundung und Verknüpfung von Begriffen, die in realen Lebenssituationen vielleicht nie zusammen vorkommen würden.«17
Das bedeutet, dass wir hin und wieder Dinge tun sollten, die außerhalb der Norm liegen. Im Zeitalter der schnellen Lösungen sind wir manchmal so sehr darauf fixiert, jeden Tropfen Produktivität aus dem Tag herauszupressen, dass wir alles abtun, was uns nicht »optimiert« (hier kann ein beliebiges Modewort eingefügt werden). Doch wenn wir offen werden für Neuartiges und - wie die albernen Schimpansen, die sich hinter großen Blättern verstecken - um des Albernseins willen albern sind, haben wir die Chance, neue Fähigkeiten zu entwickeln und unsere Interaktion mit anderen individuell zu verbessern und neue Möglichkeiten des Selbstausdrucks zu finden.
Ausrichtung ganz praktisch
Wärmen Sie sich vor Ihrem Training mit ein paar Tierbewegungen auf, indem Sie beispielsweise auf allen vieren laufen wie ein Bär oder eine Echse, oder erfinden Sie Ihre eigene lustige Art, sich auf dem Boden zu bewegen, denn das öffnet die Hüften, beansprucht die Hände und Schultern und sorgt nebenbei dafür, dass Sie sich weniger ernst nehmen. Auf thealignbook.com finden Sie ein Video-Tutorial mit solchen Bewegungen!
Maria Montessori, die Gründerin der Montessori-Bildungsbewegung, schrieb vor über 100 Jahren: »Einer der größten Fehler unserer Zeit ist, Bewegung nur für sich allein zu betrachten, getrennt von höheren Funktionen. Dabei muss die mentale Entwicklung mit Bewegung verbunden und davon abhängig sein. Beim Beobachten eines Kindes erkennt man, dass die Entwicklung seines Geistes durch seine Bewegungen geschieht. Geist und Bewegung sind Teil derselben Einheit.« In Montessori-Schulen erlernen die Kinder Grammatik und Vokabular, indem sie Sätze ausagieren. Das Alphabet lernen sie, indem sie Buchstaben nachzeichnen, sodass eine körperliche Lernerfahrung entsteht. Das Gehirn existiert nicht im luftleeren Raum; es ist kein Teil des Körpers, es ist der Körper. Indem man Aktivitäten, bei denen es um kognitive Entwicklung geht, mit spielerischer Bewegung anreichert, schafft man sinnreichere Assoziationen mit dem Lerninhalt. Ich stelle mir Gehirn und Körper gern wie einen Schwamm vor, der Flüssigkeit aufnimmt - ist er trocken und steif, perlt das Wasser von ihm ab. Ist er dagegen weich und geschmeidig, saugt er das Wasser auf.
Eine in Frontiers in Psychology veröffentlichte Studie hat gezeigt, dass das unstrukturierte Spiel ohne Regeln oder Anleitungen - also beispielsweise freies Malen, Rollenspiel oder Toben - Eigenschaften wie Konzentration, Organisation, Eigeninitiative und Selbstreflexion fördert. Unbeaufsichtigtes Spiel verbesserte auch die Fähigkeit der Teilnehmer, ihre Emotionen zu regulieren.18 Darüber hinaus hat die Arbeit des estnischen Neurowissenschaftlers Jaak Panksepp gezeigt, dass bereits nach einer halben Stunde spielerischer Bewegung mindestens ein Drittel der 1200 vom Falk Center for Molecular Therapeutics der Northwestern University untersuchten Hirngene verändert wurden.19
In seinem Buch Play zeigt Stuart Brown, dass das Spielen uns nicht nur auf genetischer Ebene stimuliert und nicht nur vorhandene Neuronen im Gehirn erregt, sondern tatsächlich neue Hirnzellen erzeugt - ein Prozess, der als Neurogenese bezeichnet wird. Neurogenese verbindet bestimmte Hirnareale miteinander wie ein Förster, der neue Wanderwege in einem Nationalpark anlegt. »Durch das Spiel entstehen zwischen einzelnen Neuronen und unterschiedlichen Gehirnzentren auch neue Verbindungen, die vorher nicht bestanden haben«, schreibt er. »Dies wird aktiviert und organisiert von Neuronen, die ich >göttlich...
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