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Oscar Wilde ist auf dem Höhepunkt seines Erfolgs, er wird verehrt und gefeiert - bis seine Beziehung zu Lord Alfred Douglas publik wird ...
Zwei junge Männer schreiten die Freitreppe des Londoner St. James's Theaters hinab. Applaus brandet auf: Er gilt Oscar Wilde, der auf dem Weg ist, der erfolgreichste Autor Großbritanniens zu werden - seine Theaterstücke werden gefeiert; sein Roman Das Bildnis des Dorian Gray ist ein verruchter Bestseller. Er wird verehrt, doch auch kritisch beäugt. Denn den klatschsüchtigen Londonern entgeht nicht, dass der verheiratete Familienvater enge Beziehungen zu jungen Männern pflegt. An diesem Abend begleitet ihn >Bosie<, Lord Alfred Douglas, der Sohn des Marquess of Queensberry. Ihr Glück wird bald ein Ende finden: Homosexuelle Liebesbeziehungen sind im viktorianischen England verboten, und als Bosies Vater Oscar Wilde öffentlich der Sodomie bezichtigt, ist die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten .
Die Welt war seine Bühne, er beherrschte und erfüllte sie mit seinem Genius. Lächelnd und ein wenig spöttisch betrachtete er sein Publikum. Sie liebten ihn, er war ihr Dichter, ihr Oscar Wilde. Er gehörte ihnen. Gerade noch hatten sie den letzten Worten seines neuesten Theaterstücks gelauscht. War es eine Komödie, eine Gesellschaftssatire, war es zum Lachen oder todtraurig, abgrundtief oder leicht wie ein Wimpernschlag? Sie bestaunten das Bühnenbild eines nächtlichen Gartens und das Kleid Lady Windermeres, grüne Seide, von Diamanten durchwirkt, die bei jeder Bewegung glitzerten.
Lady Windermere sprach: »Dieselbe Welt ist uns gemeinsam, Arthur. Gutes und Böses, Sünde und Unschuld schreiten in ihr nebeneinander. Verschlössen wir die Augen gegen die eine Hälfte des Daseins, vermöchten wir nicht unbeschadet zwischen Abgründen und Klüften zu wandeln.«
»Warum sprichst du von solchen Dingen?«, erwiderte Lord Windermere.
»Weil ich an den Rand eines Abgrunds geraten war, Arthur. Lass uns nach Selby gehen. Dort im Rosengarten blühen die Rosen weiß und rot.«
Hand in Hand standen sie da, die schöne Schauspielerin Lily Hanbury und der wohlgefällige Mr Alexander. In ihrem Blick lag alle Liebe dieser Welt, und der Vorhang fiel.
Es war still im St James's Theatre, so still, als sei ein Schiff auf Fahrt gegangen, um nie wiederzukehren. Es war still wie nach einer Todesnachricht oder so, wie größtes Glück manchmal andächtige Stille mit sich brachte. Hinter der Bühne hoben die Darstellerinnen und Darsteller, bereit für den Applaus, erstaunt die Köpfe, unter ihnen Ben Webster, Liebhaber mit spitzer Zunge, und die blutjunge Alice de Winton. Sie horchten, warteten, lauschten, ob nicht wenigstens die geringste Reaktion des Publikums Anlass gab, sich zu verneigen. Geheimnisvoll schleppten sich die Sekunden dahin.
Nur einem war nicht bange, was den Ausgang der Premiere betraf, ihm, ohne den es das Drama nicht gegeben hätte. Seine mit heißem Eisen eingedrehten Locken fielen ihm auf die Schultern, er trug einen Samtanzug in gewagtem Bordeauxrot; die Krawatte changierte in Lila und wurde von der unvermeidlichen grünen Nelke im Knopfloch komplettiert. Oscar Wilde lehnte an einer Marmorsäule, die doch nur Pappmaché war. Er allein verstand die Stille im Saal. Er hatte den Stückschluss so geschrieben, dass sie verstummen mussten, bewegt, überwältigt, ungläubig, dass eine fiktive Handlung von Liebe und Leben so unter die Haut gehen konnte. Er war der Meister, ein Jongleur mit Worten, die tief ins Herz der Zuschauer drangen.
Oscar Wilde warf die Zigarette zu Boden, die er, alle Theatergesetze missachtend, auf der Seitenbühne rauchte, und trat die Glut aus. Noch drei . zwei . eine Sekunde - dann würde ihr Schweigen enden, durchbrochen werden von einem Aufschrei aus über tausend Kehlen.
Auf dem zweiten Rang begann ein Gentleman zaghaft zu applaudieren. Die Schläge seiner Hände verdoppelten, vervielfachten sich, bis der Applaus gleich einer Woge über dem riesigen Saal zusammenschlug und zur Bühne hinflog, wo sich der Vorhang hob.
Die Herren erhoben klatschend die Hände über die Köpfe, die Damen schämten sich ihrer Tränen nicht, während sie von den Sitzen aufsprangen. »Jaa! Jaaa!«, und das lange Jaaaaa! wurde zur Oberstimme des kaskadenartigen Tumults, mit dem die Londoner sich für das Theatererlebnis bedankten. Keinen hielt es mehr auf den Stühlen, in Wellen sprangen sie auf, applaudierten und jubilierten.
Zunächst verbeugten sich Lord und Lady Windermere allein auf den Brettern, doch schon drängten die anderen Darsteller hinzu und stellten sich in langer Reihe auf. Sie verneigten sich gemeinsam, hielten einander an den Händen, kamen an die Rampe, wo jeder, vortretend, seinen Einzelapplaus entgegennahm. Das Publikum bedachte sie mit höflicher Begeisterung, doch dies war nur ein Vorspiel. Alle, die auf der Bühne und jene unten, wussten: Der wahre Stern des Abends hatte sich noch nicht gezeigt.
Als die Leute fanden, sie hätten den Akteuren genug Dank und Ehre erwiesen, erklangen Rufe, die bei jeder Premiere Oscar Wildes zu hören waren: »Dichter!«, riefen sie. »Dichter! Dichter!« Immer mehr, immer lauter, bis schließlich der ganze Saal skandierte: »Dichter! Dichter! Dichter!«
Auf der Seitenbühne lächelte Oscar Wilde der alten Ankleiderin zu, die er von früheren Aufführungen kannte. Sie stand stets bereit, um die Mäntel der Damen entgegenzunehmen.
»Oh, Sir«, sagte sie. »Was für ein Erfolg.«
»Ich werde jetzt wohl hinausgehen müssen.« Seelenruhig zündete er sich die nächste Zigarette an. Am Portal hob der Feuerwehrmann wachsam den Kopf.
Oscar Wilde spazierte gelassen auf die Bühne und wurde mit einem Orkan der Zuneigung belohnt. Kein Schreibender, kein Künstler, überhaupt kein lebender Mensch im Königreich löste solche Verzückung aus. Er nahm ihre Liebe nicht etwa eitel triumphierend entgegen, sondern demütig. Oscar Wilde senkte das Haupt, legte die Hand aufs Herz und schüttelte bewegt den Kopf. Die Menschen in den vorderen Reihen meinten zu erkennen, dass er weinte. Doch Oscar weinte nicht, er verstand es lediglich, mit Gesten und Tränen Wirkung zu erzeugen.
Schließlich reihte er sich unter die Schauspieler und verbeugte sich mit ihnen. Man ging ab, kam wieder. Siebenundzwanzig Mal forderte das Publikum Oscar Wildes Auftritt, fünfunddreißig Minuten lang dauerten die Ovationen bereits, die der Bühneninspizient als nie erreichten Rekord in das Aufführungsbuch eintragen würde.
Nach dem siebenundzwanzigsten Vorhang drängte sich der Geschäftsführer des St James's Theatre an Oscar heran. »Sie müssen sprechen, Sir«, rief er. »Man erwartet es. Sonst gehen die Leute nie nach Hause.«
»Wurde heute Abend nicht schon genug Oscar Wilde gesprochen?« Er war sich seiner Koketterie bewusst.
Auch die Schauspieler bestürmten ihn, eine Rede zu halten, doch erst Alice de Wintons Argument ließ ihn einlenken: »Ich verpasse sonst meinen Bus, Mr Wilde, Sir.«
»Dann wollen wir die guten Menschen erlösen«, seufzte er, ließ sich vom Geschäftsführer Feuer geben, trat erneut hinaus in den Jubel, bedankte sich und hob die Hand im weißen Handschuh. Wie einem Dompteur gehorchten sie ihm, verstummten und sanken auf ihre Sitze.
Oscar hob den Blick zur royalen Loge. »Königliche Hoheiten, gnädigste Prinzessin, Lord Oberrichter, Lord Gewandmeister, Ladys und Gentlemen. Ich möchte Ihnen nicht verschweigen, dass ich den heutigen Abend besonders exquisit fand und ihn daher, so wie Sie, enorm genossen habe.«
Es dauerte einen Moment, bis sie sein Eigenlob als Witz verstanden und gutmütig, doch verhalten lachten.
»Die Schauspieler haben uns, wie ich finde, eine hübsche Version meines Stückes geboten.« Oscar zog an der Zigarette. »Ihre Anerkennung jedoch, meine Damen und Herren, weist Sie als ungemein intelligente, feinnervige Theaterbesucher aus. Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem vorzüglichen Geschmack. Daran erkenne ich, dass Sie von meinem Stück ebenso begeistert sind wie ich. Denn wovon handelt mein Stück im Kern? Von Männern, die heiraten, weil sie müde vom Umherstreifen sind, und von Frauen, die heiraten, weil sie neugierig sind. Wie wir gesehen haben, werden beide Parteien enttäuscht.«
Die Zuschauer lachten und klatschten, doch ihr Applaus hatte an Feuer verloren. Dass sie seine Rede geistreich fanden, bestätigte ihnen zwar, dass sie selbst geistreich waren, doch ein Instinkt sagte ihnen, dass sie auch verspottet wurden - von einem irischen Emporkömmling.
Die Elogen setzten sich im Theaterfoyer fort.
»Brillant, einfach brillant, Mr Wilde.« Lord Salisbury schüttelte ihm die Hand.
»Ich erlaube mir, Ihrer Meinung zu sein, Mylord.« Im Weitergehen stieß Oscar auf einen Schriftsteller etwa gleichen Alters, ein gewisser George Bernard Shaw, der mehrfach seine Bekanntschaft gesucht hatte, was Oscar jedoch...
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