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Manchmal wird es auch in der größten Wohnung ganz schön eng ...
Die Zeiten sind hart, die Konten leer, und obwohl sie einander kaum kennen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als vorübergehend zusammenzuziehen: die Komikerin Daniela Dies, ihr Techniker Franz und die Kostüm- und Modedesignerin Pia. Vierte im Bunde ist die eitle Filmdiva Etta Glück, die ihre riesige Wohnung zur Verfügung stellt. Als Wohnungsbesitzerin beharrt sie allerdings darauf, die Regeln des Zusammenlebens zu bestimmen. Ihr oberstes Gesetz: keine Nacktheit und kein Sex in ihren heiligen Hallen. Kann das auf Dauer gut gehen? Wer bricht zuerst die Regeln, und wer trickst am geschicktesten? Raufen die vier sich zusammen, oder scheitert ihre Zweck-WG an den Schrulligkeiten eines jeden Einzelnen?
Vier erwachsene Menschen, vier Individualisten in einer Zweck-WG. Kann das gut gehen? Humorvoll und mit einem Augenzwinkern lässt die beliebte Kabarettistin Lioba Albus ihre Held:innen aufeinander los. Für sie steht fest: Zusammen ist man weniger gemein!
Alles weg. Diese Erkenntnis lief wie eine Schallplatte, die einen Sprung hatte, in Dauerschleife durch Ettas Kopf. Weg, weg, weg.
Keinen Cent hatte er übrig gelassen. Schlimmer noch: Schon vor Wochen hatte Eike hinter ihrem Rücken sämtliche Immobilien verkauft. Ob er dafür ihre Unterschrift gefälscht oder ob sie sogar versehentlich selbst unterschrieben hatte, konnte Etta nicht mit Sicherheit sagen. Fest stand: Sie war pleite. Ruiniert. Aus und vorbei. Vielleicht sollte sie ihren Künstlernamen »Glück« ab sofort in »Unglück« ändern. Etta Unglück, die selten dämliche Pute, die aus Faulheit, falscher Vertrauensseligkeit und Naivität alles verloren hatte. Ich doofe, doofe Kuh, dachte sie. Und: Dieser miese, ekelhafte, verschlagene Scharlatan!
Die Beschimpfungen taten ihr gut. Auch wenn sie wie benommen war, spürte sie, wie sich im hintersten Winkel ihres verletzten Egos der Stolz bemerkbar machte. Und obwohl dieser Tag bis jetzt ein schwarzer gewesen war, beschloss sie im schwindenden Tageslicht, sich nicht klagend mit der Niederlage abzufinden. Irgendwie musste es ihr gelingen, aus dieser Demütigung als Siegerin hervorzugehen. Nicht umsonst war ihr Lebensmotto stets gewesen: Man darf fallen, aber man sollte immer versuchen, dabei gut auszusehen.
Schon vor einundvierzig Jahren, als sie noch ein ziemlicher Frischling in der Filmbranche gewesen war, hatte der große Staatsschauspieler und Filmstar Tillmann von Hochstedt ihr diese wichtige Lektion mit auf den Weg gegeben. Er war zuvor übel in die Schlagzeilen der Klatschpresse geraten, weil er im Morgengrauen von einem Fotografen mit heruntergelassener Hose schlafend auf einer Parkbank gefunden worden war. In den Zeitungen war über sein sich ebenfalls im Tiefschlaf befindliches Gemächt ein schwarzer Balken gelegt worden. Damals war man noch verklemmter mit Nacktheit umgegangen, vor allem mit männlicher Nacktheit. Dafür hatte in der übelsten Klatschzeitung, der berühmten mit den vier Buchstaben, als Überschrift gestanden: Wer lang hat, kann lang raushängen lassen, und die Unterzeile lautete: Berühmter Schauspieler sinkt tief und tiefer! Wen hat er heute Nacht im Englischen Garten mit seinen nackten Tatsachen beglückt?
Ausgerechnet am Tag nach diesem Desaster hatte Etta mit von Hochstedt drehen müssen. Sie hatte nur eine kleine Rolle gehabt, doch als sie ihm vor der Maske begegnete, hatte sie vor Peinlichkeit nicht gewusst, wohin sie blicken sollte. Er hatte sie zur Seite genommen und gefragt: »Und, Kleine, was macht dir jetzt mehr zu schaffen? Dass du nun genau weißt, was ich in der Hose mit mir herumtrage, oder dass du glaubst, mit einem Gescheiterten im selben Film zu erscheinen?«
Noch bevor sie antworten konnte, hatte er ergänzt: »Mach dir mal keine Sorgen, Kleine. Ich bin nicht gescheitert. Gescheitert bist du in unserem Geschäft erst, wenn keiner mehr über dich schreibt. Wenn sie Schlimmes oder gar Peinliches bringen, ist das nur unangenehm, aber keine Katastrophe.«
Und dann hatte er ihr die wichtigste Lektion für ihre künftige Laufbahn mit auf den Weg gegeben: »Wenn du in unserem Beruf überleben willst, musst du fallen können. Das ist wie beim Kampfsport. Mir hat mal einer beigebracht, wenn du einen Kampfsport lernen willst, musst du als Erstes fallen lernen. Immer und immer wieder. Erst wenn du perfekt fallen kannst, lassen sie dich kämpfen. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich habe mich nie für Kampfsport interessiert. Aber für unseren Beruf, da bin ich mir absolut sicher, stimmt das unbedingt. Alle, die dich mit Preisen überhäufen und hoffen, dass sie auf tollen Partys mit dir anstoßen dürfen, warten insgeheim darauf, über deinen Untergang berichten zu können. Sie würden viel lieber deinen Untergang feiern als deine Siege.«
Er sah ihr in die Augen. »So sind die Menschen, Kleines. Das änderst du nicht. Verehrung hat immer auch Neid mit im Gepäck. Darum musst du fallen können. Dann bist du ihnen immer einen Schritt voraus. Während sie noch über deinen Sturz schreiben, hast du es dir längst auf dem Boden nett gemacht und ein Fläschchen Schampus geöffnet. Fallen ist nie ein Problem. Du musst dabei nur gut aussehen und so tun, als sei dein Missgeschick für dich selbst der größte Spaß. Damit nimmst du ihnen den Wind aus den Segeln. Du musst immer so tun, als hättest du schon den nächsten Trumpf im Ärmel. Wer auf Podeste will, darf keine Höhenangst haben. Von hoch oben fallen tut immer weh. Nur ansehen darf dir das nie einer. Merk dir das, Kleine. Immer, wenn sie dich mitleidig ansehen, dann musst du lachen! Lachen, lachen, lachen .«
Damit war er in der Maske verschwunden, und wenig später hatte er, wie immer, vor der Kamera gestanden, als gehörte ihm die Welt.
Daran musste Etta nun denken. Tillmann von Hochstedt war längst tot. Seine Worte aber waren in ihr lebendig - in dieser Situation mehr als je zuvor. Sie würde diesem miesen Tag die Zunge herausstrecken und feiern. Mit sich selbst.
Sie ging in die Küche. Mal sehen, was noch im Kühlschrank war. Kochen war ihr stets eine gute Therapie gegen alles Herzeleid gewesen.
Sie fand eine bildschöne, glänzende violette Aubergine. Parmesan und Mozzarella hatte sie auch. Und im Vorratsschrank eine Dose Tomaten. Das würde köstliche Melanzane alla Parmigiana geben, einen italienischen Auberginenauflauf. Der war auf Partys immer ihr besonderer Renner.
Etta schnitt die Aubergine in dünne Scheiben und briet sie sanft in Olivenöl an. Dann hackte sie Zwiebeln und Knoblauch, ließ sie kurz in der Pfanne glasig werden und gab die Auberginen mit den Zwiebeln und dem Knoblauch in eine feuerfeste Form. Sie öffnete die Dose Tomaten, verteilte sie über den Auberginen, mischte geriebenen Parmesan unter, würzte mit Salz, Chili und Pfeffer und belegte den Auflauf zum Schluss mit Mozzarellascheiben.
Während ihre Melanzane bei hundertachtzig Grad im Backofen vor sich hinschmorte, öffnete sie einen wunderbar weichen Cabernet Sauvignon und gab ihn in den Dekanter. Sie ging unter die Dusche, wusch sich die Haare, pflegte und schminkte sich, als ginge sie auf ein Fest. Dann zog sie ihr schönstes Winterkleid an: dunkelblaue Mohairwolle mit silbernen Fäden. Das war warm kuschelig und passte hervorragend zu ihrem braunen Haar und ihren grünen Augen.
In der Wohnung roch es inzwischen verlockend nach Knoblauch und Gemüse. Etta legte eine CD von Omara Portuondo auf, drehte die Musik so laut, dass sie durch die ganze Wohnung klang. Dann deckte sie sich den Tisch, zündete Kerzen an und schenkte sich ein erstes Glas Rotwein ein. Inzwischen war es dunkel.
Gerade als sie sich an den Tisch setzen wollte, sah sie ihre Nachbarin auf den kleinen Balkon treten, der über Eck an ihren grenzte. Aus den Augenwinkeln hatte Etta gesehen, dass gegenüber heute wohl Tag der offenen Tür gewesen war. Ein Mann, den sie vorher noch nie bei ihr gesehen hatte, schien sogar dort übernachtet zu haben.
Da hatte sich ihre Nachbarin wohl einen neuen Lover gegönnt. Normalerweise übernachtete von Zeit zu Zeit ein anderer Kerl dort, ein breitschultriger, hochgewachsener Glatzkopf. Dieser hier wirkte hingegen eher schmächtig und sah auf dem Kopf aus wie eine Pusteblume, so wild, wie ihm die dünnen grauen Locken vom Kopf abstanden.
Könnte tatsächlich ein Neuer sein, dachte Etta. Oder ihre Nachbarin fuhr zweigleisig. Sollte sie ruhig.
Im Laufe des Tages waren außerdem noch eine ältere pummelige Frau und ein jüngerer Mann in der Wohnung der Nachbarin herumgesprungen. Vielleicht hatte sie ja Geburtstag.
Obwohl . Etta schaute noch einmal genauer hin. Inzwischen schien der Besuch bis auf den Mann mit der Pusteblume auf dem Kopf wieder fort zu sein. Der trat jetzt ebenfalls auf den Balkon. Beide waren in dicke Schals gewickelt und zündeten sich gerade eine Zigarette an.
Au ja!, schoss es Etta durch den Kopf. Eine Zigarette wäre jetzt genau das Richtige.
Obwohl Etta schon seit dreißig Jahren nicht mehr rauchte, hatte sie plötzlich eine unwiderstehliche Lust auf eine Zigarette. Sie wollte sie nicht unbedingt ganz rauchen, aber zwei-, dreimal feste daran ziehen und den Rauch tief inhalieren. Kurz entschlossen warf sich Etta ihren dicken Wollmantel über, zog sich die Kapuze über den Kopf und ging ebenfalls auf den Balkon.
»Guten Abend«, sagte sie.
Die beiden schauten erstaunt zu ihr herüber und grüßten dann ebenfalls freundlich.
»Jetzt wohnen wir schon so viele Jahre genau gegenüber«, sagte Etta, »und trotzdem haben wir noch nie ein Wort miteinander geredet. Ich heiße Iravani.« Das war ihr bürgerlicher Name, den sie immer verwendete, wenn sie hier in Dortmund war.
»Freut mich«, antwortete ihre Nachbarin mit heiserer Stimme. »Ich bin die Dani. Also Dani Dies. Und das hier ist mein Mitarbeiter, Herr Döbler.«
Aha, ein Mitarbeiter. Da kannst du mir viel erzählen, dachte Etta. Und wenn du so schlimm erkältet bist, wie du dich anhörst, solltest du nicht rauchen.
»Entschuldigung, wenn ich so dreist bin«, sagte sie stattdessen, »aber könnte ich vielleicht eine Zigarette von Ihnen schnorren? Ich rauche normalerweise nicht, aber jetzt .«
Der Mann, der bisher geschwiegen und sie nur ehrfürchtig angestarrt hatte, holte sofort eine Packung Zigaretten aus seiner Jackentasche und reichte sie ihr gemeinsam mit einem Feuerzeug. Während Etta sich gierig eine Zigarette anzündete, sagte die Frau: »Wir rauchen normalerweise auch nicht. Außerdem bin ich so grauenhaft...
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