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Papio hamadryas Linnaeus, 1758
Was Linné im Sinn hatte, als er den so überaus männlich wirkenden Mantelpavian nach der altgriechischen Baumnymphe Hamadryas benannte, läßt sich nicht ergründen, wohl aber die Vergöttlichung des Tieres im alten Ägypten. Ausersehen vom Scheitel bis zur Sohle Thoth zu verkörpern, den Gott des Mondes, der Schreibkunst, Weisheit und Wissenschaft, den mächtigen Magier, Erfinder der Hieroglyphen und Boten der Götter, war der männliche Mantelpavian in der Gestalt, die er im Alter erlangt, wenn die Haare seines silbern schimmernden Umhangs die äußerste Länge erreicht haben, und seine extravagante Mähne, die ihm, wie im Bogen nach außen gebürstet und fixiert, halbmondförmig von beiden Seiten seines Gesichts absteht, fast weiß geworden ist. Die Würde eines Greises ausstrahlend, hat er zugleich den Gipfel seiner Körperkraft erreicht und verfügt über ein Gebiß mit gewaltigen Eckzähnen, die er gern gähnend zur Schau stellt. Solcherart bewaffnet kann es ihm gelingen, in der Pavianhierarchie zum Alphatier aufzusteigen und über einen Harem zu herrschen. Er muß sich dafür nicht nur als das stärkste der Männchen erweisen, sondern auch als das umsichtigste, durch Lebenserfahrung im Umgang mit seinesgleichen geschultes. Dieser Erkenntnis heutiger Primatologen ging im alten Ägypten die idealisierende Deutung des Mantelpavians voraus. Den mythischen Denkern jener Jahrtausende konnte ein alter Mantelpavian in seinem prächtigen Pelz, wenn er in wahrhaft würdiger Haltung auf einem Felsbrocken sitzt, um zum Schutz seiner mit dem Nachwuchs beschäftigten Weibchen Wache zu halten, nicht anders als weise erscheinen. Auch die Beobachtung, daß der Haremshalter die viel kleineren und zierlicheren Weibchen durch Nackenbisse in Schach hält, dürfte ihr Urteil kaum getrübt haben, und erst recht nicht der Tiere Brauch, im Morgengrauen gemeinsam in weithin schallende serielle WAHUU-Rufe auszubrechen, ein Gebrüll, das Primatologen bislang nicht zu deuten wissen, während es damals natürlich als pavianischer Sonnenhymnus wahrgenommen wurde, als Huldigung an den Sonnengott Re, den König der Götter, in dessen Auftrag Thoth einst bei der Auferstehung des von seinem Bruder Seth in Stücke gerissenen Osiris behilflich gewesen war. Den Sonnenlauf imaginierten die Ägypter als Fahrt des Re, der vom Morgen bis zum Abend in seiner Tagesbarke über den Himmel reist, und vom Abend bis zum Morgen in seiner Nachtbarke durch die Unterwelt. Nach den nächtlichen Anfechtungen im Reich des Osiris, die auch Re nicht erspart bleiben, so daß Thoth ihm beistehen muß, erscheint »die Morgensonne als Zeichen eines immer neuen Anfangs (.). So gibt gerade der Sonnenlauf beruhigende Gewißheit, daß die Gegensätze der Welt sinnvoll zusammengehören und sich ergänzen. (.) Der Mensch ist auf beide angewiesen, auf die lichte Sonnenwelt des Re und auf die dunkle Todeswelt des Osiris, denn nur in jener läßt sich der Alterungsprozeß des Seins umkehren zur >Verjüngung im Grab<, auf die der Ägypter hofft.«[1] Ob er verjüngt und verklärt ins selige Jenseits gelangt oder unter Qualen abermals und endgültig sterben muß, hängt von dem Urteil des Totengerichts ab, das den Verstorbenen in der Unterwelt erwartet. Magische Sprüche, Hymnen und Beschwörungsformeln bahnen ihm den langen Weg zur »Halle der Vollständigen Wahrheit«, wo ihm vor Osiris und 42 Richtern seine Aufzählung aller nicht begangenen Sünden als Rechtfertigung dient, während sein Herz auf der Gerechtigkeitswaage geprüft wird. Unterwegs zum Tribunal von grausamen Monstern bedroht und schwer geprüft, erheischt er den Beistand göttlicher Mächte. Als solche spricht er auch Mantelpaviane an:
»O ihr vier Paviane,
die am Bug der Sonnenbarke sitzen,
die Maat[2] aufsteigen lassen zum Allherrn,
die über den Elenden und über den Mächtigen Recht sprechen,
die mit dem Hauch ihres Mundes die Götter zufriedenstellen,
die Gottesopfer den Göttern geben
und Totenopfer den Verstorbenen,
die von Maat leben
und sich von Maat nähren,
mit rechtschaffenem Herzen, ohne Lüge,
deren Abscheu das Unrecht ist -
beseitigt das Übel an mir,
zerstört das Unrecht an mir,
kein Unheil von mir gelange zu euch!«[3]
Im Nu haben die Paviane das Unrecht zerstört, das Übel beseitigt und lassen den Toten seinem Wunsch gemäß »die geheimnisvollen Tore des Westens« durchschreiten.[4] Die den Spruch illustrierende Vignette zeigt vier sitzende Mantelpaviane, die gemeinsam mit acht Uräus-Schlangen den höllischen »Feuersee« bewachen.[5]
Nicht immer sind sie so wohlgesonnen. An anderer Stelle gehört der Pavian zu den Prüfenden, aus deren Bewachung es kein Entkommen gibt.[6] In den Vignetten der Sonnenhymnen figurieren stets mehrere Mantelpaviane als Sonnenanbeter; auf zwei Beinen stehend, beten sie mit erhobenen Armen, die Handinnenflächen nach außen gekehrt, die Sonnenscheibe an. In einem Spruch hat sich der Tote den »Sonnenaffen« zugesellt und »ist einer von ihnen«, in einem anderen fährt er in der Sonnenbarke als Affe mit.[7] In Darstellungen des Totengerichts sitzt häufig ein Mantelpavian bei der Gerechtigkeitswaage. Während der Tote seine Unschuld bekennt, wird sein Herz gegen das Gewicht der Maat abgewogen. Entspräche es diesem nicht, würde ein Untier es verschlingen. Das Ergebnis der Wägung aufzuschreiben, übernimmt Thoth, der bei den Totenmysterien in Menschengestalt mit dem schwarzen Kahlkopf und Sichelschnabel des heiligen weißen Ibis erscheint. Ist der Ibisköpfige nicht zugegen, vertritt ihn ein Mantelpavian, der am Hypomochlion der Waage sitzt oder auf einem Podest an der Waage Platz genommen hat.[8]
Den »Sonnenaffen« und dem seinen Gott verkörpernden Mantelpavian haben sich auch die Bildhauer gewidmet. Als Thoth trägt der sitzende Mantelpavian gern die von einer Mondsichel eingefaßte Mondscheibe auf dem Kopf oder er hält eine Papyrusrolle in der Linken und eine Schreibbinse in der Rechten, während die in Stein gehauenen Sonnenanbeter nebeneinander aufgereiht mit üppigem Mantel und nacktem Unterleib in der klassischen Gebetshaltung auf zwei Beinen stehen.[9]
Die Göttlichkeit der von Priestern in Tempeln gehaltenen Tiere gebot, einen verstorbenen Mantelpavian zu mumifizieren und rituell zu bestatten. Im 5. Jahrhundert, als Christentum und Gnosis die altägyptische Mysterienreligion verdrängten, entstanden die Hieroglyphica des Horapollon, die nach ihrer Entdeckung auf der griechischen Insel Andros 1422 nach Florenz gelangten, wo Humanisten für ihre Drucklegung und Verbreitung sorgten. Wenn ein Pavian in einen Tempel gebracht wurde, berichtet Horapollon, bot ihm ein Priester Schreibtafel, Schilfrohr und Tinte an, um zu erfahren, ob er zu den die Schreibkunst beherrschenden Affen gehöre. Auch hebt Horapollon die innige Verbindung des Mantelpavians mit dem Mond hervor. Zur Zeit der Konjunktion von Sonne und Mond könne das männliche Tier kaum sehen, verweigere die Nahrung und lasse den Kopf hängen, als beklage es den Raub des Mondlichtes. Das Weibchen empfinde ebenso und unterliege zugleich einem Blutfluß. Da die Hieroglyphica im 16. Jahrhundert zu einer der Hauptquellen abendländischer Emblematik wurden, prägten sie auch das Sinnbild des Mantelpavians. Camerarius zeigt ihn am Ufer eines Flusses hockend, wie er mit beinahe christlich gefalteten Händen den Mond anbetet; die Moral des Bildes geht aus dem Sinnspruch hervor: »Mit dem Mond verliert und empfängt der Pavian seine Sehkraft. So stehen auch die Schicksale guter Ehegatten in gegenseitiger Abhängigkeit.«[10]
Vom Einfluß des Mondes auf die Stimmung der »Hundsköpffe« las man im 16. Jahrhundert auch im Tierbuch des Conrad Gesner. »Wann sie jung gefangen werden«, berichtet der Polyhistor, »so können sie mit Frauenmilch wol ernehret werden: Dann sie saugen an einer jeden Frau, die ihnen die Brust darreicht.«[11] So gestillt, nimmt ihre spätere Gelehrsamkeit nicht wunder, denn wie Bellonius bezeugte, können »etliche wol tantzen / etliche pfeiffen / etliche treiben Seitenspiel«.[12] Strabo entnahm Gesner, daß die »Hundsköpffe« in Ägypten »Briefe herumtragen und bestellen«, was für des Schreibens mächtige Affen ganz natürlich erscheint. Seine wahrhaft mystische Natur aber offenbart bei Gesner der Hundskopf bei seinem Ableben: »Er stirbt auch nicht / wie andere Thiere / so auf einmal dahin fahren: Sondern täglich erstirbt ein Glied an ihm / welches man alsdann vergräbt und solches treibt er 72 Tage / da immer ein Glied nach dem andern ermattet und vergraben wird / so lang und viel biß auch das letzte todt bleibet.«[13]
Weder Gesner noch seine Leser hatten je Hundsköpfe gesehen, die man zuvor nach antiker Überlieferung für ein hundsköpfiges Volk gehalten hatte, das, wie allerlei andere Fabelwesen, in entlegenen Gebieten Afrikas hausen sollte. Von diesem Glauben beseelt, scheinen Missionare sogar zum Äquator gepilgert zu sein, um den Hundsköpfen das Evangelium zu predigen.[14] Daß es sich um Affen handelte, mochten sie...
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