Schweitzer Fachinformationen
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Mentaltraining im Sport bezeichnete ursprünglich das reine Trainieren der Bewegung in der Vorstellung. Als Trainingsfeld war es seit den 1960er-Jahren der Sportpsychologie zugeordnet. Mittlerweile, seit etwa zehn Jahren, hat sich das Sportmentaltraining jedoch als eigenständiger Tätigkeitsbereich etabliert. Sportmentaltraining ist keine Therapie, sondern eine ergänzende, ganzheitliche Trainingsmethode für Breiten- wie Leistungssportler im Individual- und Teamsport, um ihre Kompetenzen auszubauen. Wissenschaftlich fundierte Methoden sollen helfen, die mentalen und psychischen Leistungsvoraussetzungen zu verbessern. Dadurch werden die für die jeweilige Sportart relevanten körperlichen Abläufe positiv beeinflusst, außerdem werden die Abläufe im Training und Wettkampf verbessert und so gestaltet, dass sie den Leistungsabruf erleichtern. Möglich ist ein systematisiertes Mentaltraining ab dem neunten Lebensjahr, und zwar sportartenübergreifend und unabhängig davon, ob Sie Hobby- oder Leistungssportler sind.
Es war Jürgen Klinsmann, der 2006 als Trainer der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Deutschland zum ersten Mal das Thema Mentaltraining in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit rückte. In den USA, wo er damals lebte, hatte Klinsmann die Arbeit mit Mental Coaches kennengelernt. Er empfahl für das deutsche Team nun eine Zusammenarbeit mit Mentaltrainern. Seither erfährt das Mentaltraining zunehmend Beachtung: Immer mehr Spitzensportler berichten von ihrer Zusammenarbeit mit Mentaltrainern - darunter zum Beispiel der Turner Fabian Hambüchen, die Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle oder die Schwimmerin Sarah Köhler. Verbände widmen sich dem Thema vermehrt im Aus- und Weiterbildungsbereich von Trainern und auch der kommerzielle Bildungsmarkt reagiert mit diversen Aus- und Fortbildungen zum Sportmentaltrainer auf diese Entwicklung. Mittlerweile interessieren sich auch viele ambitionierte Freizeitsportler für das Thema. Was verbirgt sich aber im Einzelnen hinter der Trainingsform - was genau ist Sportmentaltraining?
Mentaltraining im Sport beschreibt das systematisch-strukturierte Trainieren der Verkettung von Gedanke, Gefühl und Körperreaktion. Mentaltraining dient vor allem dazu, die Qualität von Training und Wettkampf zu verbessern - also die Leistungsentwicklung zu fördern und den Sportler in die Lage zu versetzen, die Leistung im Wettkampf optimal abzurufen. Daher basiert Sportmentaltraining eher auf Fragen wie »Wie möchte ich trainieren?« und »Wie möchte ich meine Leistung im Wettkampf abrufen?«, statt auf Fragen wie »Was verbessert meine Schnelligkeit?«. Für unsere Arbeit bedeutet dieser Ansatz, dass wir uns ein Stück weit vom quantitativen (mess-/zählbaren) Ergebnisziel entfernen und uns mehr auf das qualitative Handlungsziel konzentrieren. Das heißt, wir schauen vorab nicht auf die Platzierung (Ergebnisziel), sondern wenden den Blick auf die konkreten Aktionen, die nötig sind, um das Ergebnis zu erreichen (Handlungsziel). Wir folgen dem Motto »Wenn die Qualität meiner Leistungserbringung stimmt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass auch das Ergebnis am Ende ein Gutes sein wird«.
Mentaltraining verstehen wir dabei immer als Trainingsergänzung zum sportpraktischen Training. Für den Individualsport wie für den Mannschaftssport gilt: Die Optimierung der Leistungserbringung erfolgt durch die Verbesserung des Zusammenspiels kognitiver und sozio-emotionaler Prozesse. Erreicht wird eine Leistungsoptimierung im Mentaltraining durch Betrachten, Besprechen, Diagnostizieren und Trainieren der folgenden Elemente:
Die Fähigkeit, zu erkennen, wie Gedanken und Emotionen die sportartspezifische Bewegung beeinflussen, zeichnet Mentaltraining aus.
Wichtig ist, sich klarzumachen, dass es sich hierbei nicht um eine Therapie, sondern um ein klassisches neuronales Training handelt. Grundlage eines jeden Trainings sind Wiederholungen. Genau wie wir im Fremdsprachenunterricht Vokabeln durch Wiederholung abspeichern, im sportpraktischen Training Bewegungsabläufe und Situationen wieder und wieder üben - zum Beispiel im Fußball von einem Eckball ausgehende Spielzüge -, trainieren wir auch die oben aufgeführten Leistungsbereiche unseres Gehirns durch Wiederholung. Dadurch vernetzt sich das Gehirn besser und ist besser auf wiederholt auftretende Anforderungen vorbereitet. Es wird leistungsfähiger in der Umsetzung erwünschter Handlungen und Bewegungen und ermöglicht uns einen besseren Umgang mit Emotionen sowie eine positive innere Haltung.
Neurobiologisch betrachtet führt regelmäßiges Sportmentaltraining zum Ausbau von Verästelungsbahnen in unserem Nervensystem. Neuronale Verknüpfungen werden in den individuellen Netzwerken entweder gestärkt oder abgeschwächt, je nach Häufigkeit des Gebrauches dieser Bahnungen, frei nach dem Motto »Use it or lose it!«. Dieses Phänomen wird »Hebb'sche Lernregel« genannt: Wenn zwei Neuronen häufig gemeinsam aktiv sind, beginnen sie irgendwann, bevorzugt aufeinander zu reagieren.12
Das Spannende daran ist, dass es dem Gehirn gleichgültig ist, ob ich eine Handlung selbst durchführe, sie bei anderen beobachte oder sie mir rein gedanklich vorstelle - in jedem dieser Fälle werden die Informationen im Gehirn ähnlich verarbeitet. Dafür sind Spiegelneuronen verantwortlich. Hier ein kleiner Test, um die Wirkung am eigenen Leibe zu spüren: Stellen Sie sich so bildhaft wie möglich vor, dass Ihr liebster Mensch sich mit einem großen Messer in den Finger schneidet. Was spüren Sie? Zieht sich der Magen zusammen, ziehen Sie reflexartig die Schultern hoch, verziehen Sie das Gesicht? Das sind Ihre Spiegelneuronen, die Sie gerade in Aktion erleben. Sie spüren den Schmerz empathisch mit, egal, ob Sie die Handlung wirklich erleben oder nur in der Vorstellung. Auf die Bedeutung der Vorstellungskraft werden wir an späterer Stelle noch genauer eingehen.
Wiederholt haben wir hervorgehoben, dass das Ineinandergreifen von Kopf und Körper die Grundlage für die Wirksamkeit von Mentaltraining im Sport ist. Egal, von welcher Seite aus man das Pferd sattelt: Der Körper folgt immer dem Kopf und umgekehrt. Allerdings funktionieren die Zugänge nicht bei allen Menschen gleich: Manche reagieren besser über den Körper, andere eher über rational-kognitive Zugänge, also über den Kopf. Anhand von Entspannungstechniken lässt sich das gut verdeutlichen: Es gibt Entspannungsverfahren, die setzen am Kopf an, andere am Körper. So finden Techniken wie die Selbsthypnose, das autogene Training oder auch meditative Entspannungstechniken ihren Anfang über rationale Zugänge im Kopf. Suggestionen (Handlungsaufforderungen) und Konzentrationsübungen werden kognitiv, also gedanklich über mentale Aufmerksamkeitslenkung, »geführt«. In der Praxis folgt der Körper diesen Gedanken. Zahlreiche Studien belegen den Erfolg dieser Techniken, weshalb sie offiziell medizinisch eingesetzt werden.
Kursteilnehmer im autogenen Training wissen, dass mit der Wiederholung von Sätzen wie »Mein linker Arm ist schwer« tatsächlich ein Schweregefühl in den Arm kommt und der Körper entspannt nach unten sinken kann. Dahinter verbirgt sich keine Esoterik, sondern ein handfester neurobiologischer Prozess. Nach aktuellem Forschungsstand beruht die Wirkung des autogenen Trainings in seinen systematisch aufgebauten Übungsinhalten auf Prozessen der selektiven Aufmerksamkeit: Die Aufmerksamkeit wird weg von Außenreizen hin zu inneren Vorstellungen gelenkt. Allein mit geschlossenen Augen ruhig dazusitzen oder zu liegen bewirkt eine spontan einsetzende körperliche Entspannungsreaktion. Durch die Aufmerksamkeitseinengung auf ein sehr begrenztes Feld scheint außerdem eine Verbindung der kognitiven Inhalte mit körperlichen Reaktionen geschaffen zu werden, die die Entspannungsreaktion verstärkt und automatisiert. Die Schwereempfindung im autogenen Training beispielsweise beruht neben der Vorstellung auf einer konkreten Entspannung der Armmuskulatur. Die Wärmeempfindung beruht auf der Umverteilung des Blutflusses, frei nach dem Motto »Worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, dahin fließt auch unsere Energie«. Die Entspannung der Muskulatur und die Erhöhung der Hautdurchblutung erzeugen eine zentral gesteuerte Absenkung des Erregungszustandes des sympathischen Nervensystems (Sympathotonus), was wiederum eine Dämpfung der Gehirnaktivität zur Folge hat - das Ruheerlebnis wird noch verstärkt: Der Körper folgt dem Kopf.
Im Mentaltraining geht es immer um das...
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