Schweitzer Fachinformationen
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»Diese Nähmaschine hält Ihnen mehr als sechzig Jahre ohne Reparatur und Wartung«, sagte Henry Dulge und warf einen schnellen Blick auf die Hausfrau. Bis dahin ist sie bestimmt über hundertzwanzig, dachte er. »Die Maschine ist rostfrei, unkompliziert in der Bedienung und vollkommen isoliert. Fünf Pfund als Anzahlung und einhundertacht-und-vierzig Raten zu neunundneunzigeinhalb. Ich lasse sie Ihnen eine Woche zur Probe da, ja? Oder wollen Sie gleich unterschreiben? Hier ist der Vertrag .«
»Das ist wirklich nett von Ihnen«, sagte sie unsicher. »Aber in der Anzeige, die ich gesehen - und auf die ich geschrieben habe - stand -«
»Natürlich sind Kundendienst und Reparaturen in den ersten zwei Monaten kostenlos, was nicht heißen soll, daß das bei einer O-Sew-matic erforderlich wäre, ha, ha!«
»In Ihrer Anzeige stand aber, Sie hätten generalüberholte Modelle für acht Pfund zu verkaufen«, beharrte sie schüchtern.
Seine Miene veränderte sich. »Na ja, sicher, wenn Sie so etwas haben wollen - Wir hatten nur ein paar davon, aber ich kann Ihnen versichern, meine Dame, die Dinger sind Schrott, nichts als Schrott! So eine Maschine würden Sie nur ein paar Tage lang benutzen, und dann würden Sie mich anflehen, sie Ihnen gegen eine O-Sew-matic umzutauschen. Mit diesem Supermodell dagegen können Sie alle Kleider für Ihre Kinder selbst nähen, und außerdem Gardinen, Steppdecken, sie ist wirklich traumhaft leicht zu bedienen -«
»Haben Sie denn keine von den Maschinen für acht Pfund in Ihrem Wagen, damit ich sie mir einmal ansehen könnte?« fragte sie bittend.
Er zögerte. Aber es goß in Strömen, und sie machte den Eindruck, als ließe sie sich leicht unter Druck setzen - ein blasses, aufgeschwemmtes Frauchen mit einer Frisur wie eine zerzauste Bambuspalme. »Nein, leider nicht«, fauchte er. »Die letzte habe ich an eines von diesen dummen, alten Weibern verkauft, die sich jeden Schund andrehen lassen. Wenn Sie vernünftig sind, Gnädigste, dann befolgen Sie meinen Rat, Sie werden es nie bereuen -«
Sie war schwankend geworden. »Nun ja - ich möchte wirklich gern mit den Winterhemden meines Mannes vorankommen -«
Er reichte ihr den Stift.
In diesem kritischen Augenblick kam ihr Mann nach Hause, mit einer Bierfahne und mit knurrendem Magen.
»Was zum Henker ist denn hier los?« grollte er und erfaßte die ganze Situation mit einem Blick - den Stift in ihrer Hand, den Vertrag mit dem vielen Kleingedruckten, die verführerisch glitzernde O-Sew-matic. Der streitbare Henry Dulge wurde plötzlich erstaunlich liebenswürdig.
»Ich habe Ihrer verehrten Frau Gemahlin soeben erklärt -«
Sie warf ihrem Mann ein erschrockenes, flehentliches Lächeln zu, aber der fackelte nicht lange.
»Raus mit Ihnen! Und nehmen Sie Ihre verdammte Maschine mit. In meinem Haus wird nichts auf Raten abgestottert. Raus!«
Der Regen trommelte gegen das Fenster. Henry Dulge war kein Feigling. Er raffte sich zu einem letzten Versuch auf - aber der Ehemann kam so drohend auf ihn zu, daß er alle Hoffnung fahren ließ, die O-Sew-matic ergriff und mit einem zornigen Auflachen mitleidig sagte: »Ich fürchte, Sie werden das noch sehr, sehr bedauern, meine Gnädigste. Ein solches Angebot bekommt man nicht oft.« Damit ging er, und der Wind schlug die Tür hinter ihm zu.
Das Wasser rann über die Aluminiumhaube der O-Sew-matic, und er rieb sie fluchend trocken, ehe er in der regennassen Dämmerung davonfuhr. Sein Ärger über den entgangenen Verkauf, der sich so vielversprechend angelassen hatte, war so groß, daß er sich nicht, wie er es eigentlich vorgehabt hatte, ein Hotel für die Nacht suchte, sondern geradewegs durch die Stadt hindurch und auf der Küstenstraße weiter in Richtung Crowbridge fuhr.
Der Regen wirbelte in dichten Schwaden durch das Scheinwerferlicht und spritzte auf der kiesbestreuten Straße hoch auf. In Abständen von einer halben Meile warnten beleuchtete Schilder am Straßenrand: BEI SPRINGFLUT IST DIESE STRASSE ZUR FLUTZEIT UNPASSIERBAR.
Dulge hatte keine Ahnung, ob gerade Spring- oder Nippflut war, auf jeden Fall befand sich das Meer beruhigend weit draußen - nur gelegentlich, wenn sich die Straße in Windungen auf eine Klippe hinaufzog, sah er weit rechts flüchtig bedrohliche Wogenkämme dahinpeitschen.
Er überholte einen einsam dahinstapfenden Fußgänger, ein Landstreicher, seinem Bündel und seinem zerlumpten Mantel nach zu urteilen, und fuhr voller Schadenfreude so dicht an den Mann heran, daß er ihn mit Schlamm und Sand überschüttete. Der Bursche war sowieso völlig durchnäßt, da kam es auf ein bißchen mehr nicht an.
Zehn Meilen weiter sah er einen zweiten Passanten vor sich, diesmal war es ein Mädchen. Sie trug ein dunkles Regencape, aber die Scheinwerfer erfaßten das weiße Kopftuch, das sie um ihr Haar gebunden hatte. Der Kavalier in Henry Dulge meldete sich, er hielt neben ihr an und öffnete die Tür.
»Herein mit Ihnen, kleine Nixe«, sagte er gönnerhaft. Sie schien zuerst erschrocken, aber dann bedankte sie sich und setzte sich ruhig neben ihn. Erfreut über diesen Glücksfall ließ er die Kupplung kommen: das Mädchen war einsame Klasse, hätte jede Schönheitskonkurrenz gewinnen können, nur ein bißchen verfroren sah sie aus, kein Wunder in dieser Nässe und Kälte - was zum Teufel hatte sie zu dieser Zeit allein und zu Fuß auf der Küstenstraße zu suchen? - aber die Figur war prima, soweit er sehen konnte, und das Gesicht mit dem straff zurückgekämmten, hellblonden Haar und der hohen Stirn wirkte sehr distinguiert.
»Wissen Sie nicht, daß es hier gefährlich ist?« fragte er. »Wenn nun die Flut reinkommt und so ein hübsches Mädchen einfach davonspült?«
»Ach, ich gehe oft hier spazieren«, antwortete sie unbekümmert. »Wenn man sich mit den Gezeiten auskennt, besteht keine Gefahr.«
»Leben Sie in Crowbridge?«
»Ja, ich habe dort ein Haus.«
»Ganz allein?«
Sie nickte. Seine Augen wurden groß. Das hörte sich ja unglaublich verheißungsvoll an.
»Dann geht es Ihnen wie mir, ich bin ein armer Junggeselle, der keine Menschenseele in der Stadt kennt. Wie wär's, wenn Sie mich ein bißchen aufheitern? Wollen Sie nicht im Ship mit mir essen?«
»Sie sind sehr nett«, sagte sie, »aber ich esse nie in Gasthäusern.«
»Dann könnten Sie mich doch zu sich einladen? Mit Fremden soll man doch Mitleid haben, nicht wahr?«
Sie sah ihn merkwürdig an. »Ich lade niemals Gäste ein. Wer meine Gastfreundschaft in Anspruch nehmen will, muß den Weg selbst finden.«
Sie hatten die kleine Hafenstadt Crowbridge erreicht und fuhren die Hauptstraße entlang auf das Zentrum zu. Im zuckenden Licht der heftig schwankenden Straßenlaternen waren Tudorgiebel und Ziegelmauerwerk zu erkennen.
»Den Weg werde ich schon finden, mein Schatz, keine Sorge. Wie heißen Sie? Und wo ist Ihr Haus?«
»Ich wohne ganz in der Nähe«, sagte sie. »Wären Sie vielleicht so freundlich, mich jetzt abzusetzen?«
»Ach, Schätzchen, wer wird denn so abweisend sein. Trinken Sie wenigstens einen Kleinen mit mir im Ship, das hilft gegen die Nässe.«
»Danke, nein, ich -«
Aber er fuhr einfach weiter. Bei der Ampel mußte er freilich anhalten, und zu seinem Ärger gelang es ihr, aus dem Wagen zu schlüpfen - der Himmel wußte, wie sie das machte, er war nämlich sicher, daß er die Tür verriegelt hatte, und sie ließ sich ohnehin verdammt schwer öffnen. Ehe er noch ein Wort oder einen Fluch herausbrachte, war sie schon draußen, und er sah nur noch ihr Kopftuch in der dunklen Regennacht flattern. Die Ampel sprang auf Grün, und während er das raffinierte Frauenzimmer noch aus tiefster Seele beschimpfte, drängte ihn wütendes Hupen von hinten zum Weiterfahren. Aber Crowbridge war schließlich eine kleine Stadt; vielleicht konnte ihm im Gasthaus jemand sagen, wer sie war.
Er ging geradewegs an die Bar und trank schnell hintereinander drei Doppelte, um die Erinnerung an das Geschäft hinunterzuspülen, das ihm durch die Lappen gegangen, und an die Mitfahrerin, die ihm entschlüpft war. Dann fragte er nach einem Zimmer für die Nacht.
»Bedaure, Sir. Wir sind leider voll belegt.«
»Belegt? Im Oktober? Sind Sie verrückt?«
»Im Augenblick findet die Jahreskonferenz der NAFFU statt, Sir. Die wird immer in Crowbridge abgehalten. Ich fürchte, Sie werden in der ganzen Stadt kein Zimmer finden. Ich weiß genau, daß sie im Crown and the George auch ausgebucht sind, die haben schon Gäste zu uns geschickt.«
»Beim heiligen Pete! Gibt es denn gar keine Möglichkeit, in dieser Stadt ein Bett zu kriegen - privat, in einer Pension, irgendwo?« Er wandte sich an die anderen Gäste an der Bar. »Hat denn keiner von den Herren eine Idee? Bis Castlegate sind es noch dreißig Meilen.«
Sie zögerten. »Zwischen hier und Castlegate ist die Straße überschwemmt«, warf der Barkeeper ein. »Ich glaube, Sie würden gar nicht durchkommen.«
»Nun ja«, sagte ein Mann nach einer Pause, »im alten Dormer House könnte er schlafen.«
»Was ist das?« Henry faßte wieder Hoffnung. »Ein Wohnheim?«
»Nein, ein Privathaus. Es steht sogar leer - soll abgerissen werden. Morgen fangen die Arbeiten an. Der Stadtrat will es schon seit Jahren weghaben, aber man konnte nichts unternehmen, bis der letzte aus der Familie tot war, und vor ein paar Monaten war es dann so...
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