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2 Annwyl hörte ein Stöhnen. Ein unaufhörliches, lautes Stöhnen. Sie brauchte mehrere lange Augenblicke, um sich bewusst zu werden, dass sie selbst es war, die dieses lästige Geräusch produzierte.
Sie zwang ihre Augen auf und bemühte sich, klarzusehen. Sie wusste, dass sie in einem richtigen Bett lag, den nackten Körper mit Tierfellen bedeckt. Sie konnte das Knistern einer Feuerstelle in der Nähe hören und spürte die Wärme. Abgesehen davon hatte sie keine Ahnung, wo sie war oder wie bei allen Göttern sie dort hingekommen war. Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war … dass sie starb. Aber der Schmerz war ein bisschen zu groß, als dass sie tot sein konnte.
Ihr Blick stellte sich scharf, und sie erkannte, dass sie sich in einem Raum befand. Einem Raum mit Steinwänden. Sie blinzelte noch einmal und versuchte, die aufsteigende Panik zu bekämpfen. Das hier waren nicht einfach Steinwände. Es waren Höhlenwände.
»Bei allen Göttern«, flüsterte sie, als sie die Hand ausstreckte und den kalten, grauen Stein berührte.
»Gut. Du bist wach.«
Annwyl schluckte und betete, dass die Götter ihr nur einen grausamen Streich spielten. Sie drückte sich auf die Ellbogen hoch, als die tiefe, dunkle Stimme erneut sprach: »Vorsichtig. Sonst reißt du die Nähte wieder auf.«
Mit schierer und beinahe atemberaubender Furcht sah Annwyl über ihre Schulter und konnte dann den Blick nicht wieder abwenden. Da war er. Ein riesiger schwarzer Drache, die Flügel eng an den Körper gepresst. Das Licht der Feuerstelle ließ seine glänzenden schwarzen Schuppen glitzern. Sein riesiger, gehörnter Kopf ruhte in einer seiner Klauen. Er sah so lässig aus. Hätte sie es nicht besser gewusst, hätte sie geschworen, er grinste sie an, während der Blick seiner schwarzen Augen sie über die Kluft zwischen ihnen hinwegversengte. Eine herrliche Kreatur. Aber dennoch eine Kreatur. Ein Monster.
»Drachen können also sprechen?« Genial, Annwyl. Doch sie wusste wirklich nicht, was sie sonst sagen sollte.
»Aye.« Schuppen fegten über Stein, und sie biss die Zähne zusammen, um nicht zu schaudern. »Mein Name ist Fearghus.«
Annwyl runzelte die Stirn. »Fearghus?« Sie dachte einen Moment nach. Dann fuhr ihr die Angst bis ins Mark und riss sie mit in die Tiefen der Verzweiflung. »Fearghus … der Zerstörer?«
»So nennt man mich.«
»Aber man hat dich seit Jahren nicht mehr gesehen! Ich dachte, du wärst ein Mythos!« Gerade jetzt betete sie im Stillen, er möge ein Mythos sein.
»Sehe ich aus wie ein Mythos?«
Annwyl starrte die riesige Bestie an und staunte über ihre Größe. Schwarze Schuppen bedeckten die gesamte Länge des Körpers; auf dem mächtigen Kopf trug er zwei schwarze Hörner. Und eine Mähne seidigen schwarzen Haares fiel ihm über Stirn und Rücken und berührte beinahe den Lehmboden. Sie räusperte sich. »Nein. Für mich siehst du ziemlich echt aus.«
»Gut.«
»Ich habe Geschichten über dich gehört. Du hast ganze Dörfer dem Erdboden gleichgemacht.«
»Gelegentlich.«
Sie wandte sich von seinem festen Blick ab und fragte sich, wie die Götter so grausam sein konnten. Statt sie wie eine wahre Kriegerin im Kampf sterben zu lassen, ließen sie sie als Abendessen für eine Bestie enden.
»Und du bist Annwyl von der Insel Garbhán. Annwyl von den Dunklen Ebenen. Und, wie ich neulich erst hörte, Annwyl die Blutrünstige.« Das ließ Annwyl nun doch zusammenzucken. Sie hasste diesen Namen. »Du schlägst Männern die Köpfe ab und badest in ihrem Blut.«
»Das tue ich nicht!« Sie wandte ihren Blick wieder dem Drachen zu. »Wenn man einen Mann köpft, spritzt Blut. Aber ich bade in nichts anderem als Wasser.«
»Wenn du es sagst.«
Durch seine Gelassenheit fühlte sie sich in die Defensive gedrängt. »Und ich schlage nicht einfach irgendwelchen Männern den Kopf ab. Nur den Feinden der Dunklen Ebenen. Den Männern meines Bruders.«
»Ach ja. Lorcan. Der Schlächter von Garbhán. Ich würde sagen, wenn du einfach ihm den Kopf abschlagen würdest, wäre der Krieg vorbei.«
Annwyl knirschte mit den Zähnen. Und zwar nicht vor Schmerzen in ihrer Wunde. »Glaubst du, auf die Idee wäre ich noch nicht gekommen? Glaubst du, wenn ich nah genug an den kleinen, nichtswürdigen Wurm herankommen würde, würde ich ihn nicht töten, wenn ich die Chance dazu hätte?« Der Drache antwortete nicht, und jetzt wurde sie richtig wütend.
»Also? Glaubst du das?«
Der Drache blinzelte bei ihrem plötzlichen Ausbruch. »Wirst du immer so wütend, wenn man deinen Bruder erwähnt?«
»Nein!«, bellte sie. Dann: »Ja!« Annwyl seufzte. »Manchmal.« Der Drache lachte leise, und sie bekämpfte den Drang zu schreien. Und weiterzuschreien. Sein Lachen klang nicht unangenehm, aber einen Drachen anzumachen … nun, vielleicht wurde sie jetzt wirklich vollends verrückt.
Der Drache kam langsam hinter ihr hervor und schob mehr von seinem riesigen Körper in den Raum. Er setzte sich zu ihrer Rechten hin, aber sie konnte ihn nur halb sehen, ohne den Kopf zu drehen. Der Rest blieb außerhalb der Nische. Sie fragte sich, wie er wohl in seiner Gesamtheit aussehen mochte.
»Warum genau bin ich nicht …«
»Tot?«
Sie nickte.
»Das wärst du, wenn ich dich nicht gefunden hätte.«
»Und warum hast du mich gerettet?«
»Ich weiß nicht. Du … faszinierst mich.«
Annwyl runzelte die Stirn. »Was?« Verglichen mit einem Drachen war sie gar nichts. Nur ein Mensch.
»Deine Tapferkeit. Sie fasziniert mich. Als du mich sahst, versuchtest du nicht zu fliehen wie diese Männer. Du bliebst standhaft.«
»Ich war schon fast tot, was hätte es also genützt?«
»Das spielt keine Rolle. Die Furcht vor Drachen betrifft Junge und Alte. Die Sterbenden und die Starken. Du hättest um dein Leben rennen müssen oder auf die Knie fallen und um Gnade flehen.«
»Ich falle für keinen Mann auf die Knie«, blaffte sie ohne nachzudenken. Er brach in Lachen aus. Ein tiefer, angenehmer Laut. Wie seine Stimme, wenn er sprach. Ein Jammer, dass sie einem Monster gehörte.
»Ich werde es mir merken.« Er lachte leise, drehte sich vorsichtig um, wobei sein Kopf ihr beängstigend nahe kam, und verließ den Raum. Sie sah zu, wie sein Schwanz in den Raum schwang und seine scharfe Spitze die Steinwände streifte. Sie versuchte, nicht in Panik zu geraten, als ihr bewusst wurde, dass dieser Schwanz allein so lang war wie mindestens zwei der größten Männer ihrer Truppen. »Ich werde jemanden schicken, der dir beim Aufstehen hilft und dir zu Essen gibt.«
»Einen Menschen?«
»Was?« Der Drache knallte mit seinem großen Kopf gegen die Decke.
Annwyl ließ sich wieder zurück aufs Bett sinken. Das war nur ein Traum gewesen. »Nichts. Ich bin müde.«
»Dann schläfst du am besten ein bisschen.«
»Warte!« Er hielt inne und sah über die Schulter zu ihr zurück. Annwyl holte tief Luft. »Danke, dass du mich gerettet hast.«
»Gern geschehen, Schöne.« Er ging weiter. »Aber mach es dir nicht zu gemütlich«, warf er beiläufig zurück. »Wer weiß, was ich von dir als Rückzahlung für meine Freundlichkeit verlangen werde.«
Annwyl lehnte sich in ihre weichen Kissen zurück und fühlte einen Schauder ihren Körper durchlaufen. Sie wünschte nur, sie hätte sagen können, dass sie aus Furcht oder zumindest Ekel schauderte. Was ihr wirklich Sorge machte, war, dass es sich nach keinem von beidem anfühlte.
Fearghus rieb sich die frische Beule an seinem Kopf. Er hatte vom Zorn von Annwyl der Blutrünstigen gehört, aber er hatte keine Ahnung gehabt, wie überwältigend dieser sein konnte. Ihr wütendes Gebrüll war verdammt noch mal fast so mächtig wie das Brüllen eines Drachen.
Kein Wunder, dass sie ihren Bruder noch nicht besiegt hatte. Er jagte ihr Angst ein. Er erkannte es an ihrer übergroßen Wut bei der bloßen Erwähnung dieses Mannes.
Wenn sie Lorcan jetzt gegenübertrat, bezweifelte er, dass sie ihn besiegen würde – selbst wenn ihr Körper wieder vollkommen geheilt war. Entweder ihre Wut oder ihre Furcht würden sie überwältigen.
Und aus irgendeinem unerklärlichen Grund machte ihm dieser Gedanke höllische Sorgen. Seit wann interessierte er sich für Menschen? Anders als andere seiner Sippe hasste er Menschen nicht. Doch er lebte auch nicht unter ihnen. Deshalb war sein ursprünglicher Plan für das Menschenmädchen gewesen, einfach ihre Wunden zu heilen und sie dann in der Nähe einer menschlichen Siedlung auszusetzen. Er mochte keine Komplikationen. Er mochte niemanden um sich haben. Er mochte den Frieden. Er mochte die Ruhe. Und nicht viel mehr. Doch der bloße Gedanke daran, sie einfach irgendwo allein zu lassen, machte ihn krank.
Er wusste jetzt schon, dass es kompliziert werden würde. Und er hasste Komplikationen.
»Gut. Du bist wach.« Annwyl sah hinauf in das Gesicht einer Frau. Eine Hexe, der präzisen, aber brutalen Narbe nach zu schließen, die eine Seite ihres Gesichts verunzierte. Auf Befehl ihres Bruders waren alle Hexen auf diese Art gekennzeichnet worden. Das Gesicht hinter der Narbe sah aus, als wäre es einst schön gewesen. »Du musst eingeschlafen sein, nachdem er weg war.« Sie zog die Felldecke von Annwyls Körper. »Jetzt wollen wir dich mal auf die Beine bringen.«
Annwyl schwang langsam die Beine vom Bett und drückte sich mithilfe eines Arms hoch.
»Vorsichtig. Sonst öffnet sich die Wunde womöglich...
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