Schweitzer Fachinformationen
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DER KOMIKER AUF DER PLATTE
Bald schmeckts ma, bald schmeckts ma net - bald -
1. MÄDCHEN
Enten!
2. MÄDCHEN
Das ist gut! Man erkennt sie.
3. MÄDCHEN
Wenn es nicht Möwen sind.
Möwen!
Weil du sie nie gehört hast!
Da gibt es Flußmöwen, Seemöwen -
Dies hier sind Enten.
Die Platte habt ihr schon lange.
Mein Vater und meine Mutter brachten sie voriges Jahr zu Ostern mit.
Karfreitags!
Wir waren auch gerade bei dir.
Erinnerst du dich?
Vielleicht, daß mein Vater und meine Mutter in diesem Jahr wieder eine Platte bringen.
Tauben!
Und nächstes Jahr wieder.
Immer eine komische Platte mit Tieren.
Wenn du hundert Jahre alt bist, hast du genügend Auswahl. Da kommt dein Vater, denn deine Mutter ist schon tot, dein Vater kommt über den Flur -
Glocke.
EMILY
heiser Ja? Öffnet die Flurtür.
VATER
Ich bringe dir noch eine Platte, Emily.
Komm herein, Vater!
Ich glaube, die ist sehr komisch.
Das ist lieb von dir.
Die Möwen, die dir noch fehlten.
Die Möwen! Du denkst auch an alles.
Deine beiden Freundinnen nicht hier?
Nein, heute nicht. Die eine starb mit achtzig, Vater -
Richtig.
Und die andere mit neunzig.
Ja. Ich vergesse das von Jahr zu Jahr.
Ist heute Karfreitag?
Ich dachte es. Man hört den ganzen Tag schon keine Glocken läuten.
Dann ist heute Karfreitag.
Ich habe mich darin noch nie geirrt, Emily.
Nein.
Du mußt zugeben, daß ich dir noch jedes Jahr zu Karfreitag eine Platte brachte.
Ja, Vater.
Es war immer meine größte Freude.
Auch die meine, Vater!
Und es waren immer gelungene Platten!
Immer! Das rechne ich dir auch hoch an, Vater!
Weil es mir Freude machte. Vom ersten Mal an, als ich mit deiner Mutter in der Sonne aus der Stadt nach Hause kam, an den offenen Kirchen und den geschmückten Menschen vorbei, und mich plötzlich der Gedanke durchzuckte: Was bringen wir unserer kleinen Emily mit?
Damals waren es die Enten. Damals war ich zwölf.
Im nächsten Jahr die Tauben.
lacht Die Tauben!
Und dann die Hühner.
Truthühner und Perlhühner.
Und Lämmer, Wiedehopfe -
Jetzt ist Mutter schon siebenundzwanzig Jahre tot.
In ihrem Sterbejahr waren es die Stieglitze, sie starb im März und Ostern fiel in den April.
Die Stieglitze!
Das ist auch eine gute Platte.
Außergewöhnlich gut.
Wenn man schon einige besitzt und Sinn für Schattierungen der Stimmen hat, aber ich würde sie niemandem als erste empfehlen.
Es ist nicht zu glauben, was die Plattenindustrie in knappen achtundzwanzig Jahren hervorbrachte!
Das sage ich mir auch: Man kann nicht dankbar genug sein.
Nur die Möwen fehlten noch.
Bis heute, Emily, bis heute! Er lacht.
Ich habe mirs deshalb bis heute erspart, an die See zu fahren. Ich dachte, einmal bringst du mir auch diese Platte.
Du warst geduldig, Emily, und deine Geduld wird belohnt!
Ich war nicht immer geduldig, Vater. Zwischen siebzig und achtzig -
Das ging vorbei, Emily.
Besonders in dem Jahr, als ich dreiundsiebzig wurde.
Damals brachte ich dir die Platte mit den Katzen.
Ja, die Katzen.
Du hattest eine leichte Herzschwäche an diesem Tag.
Ich verbarg nur mit Mühe meine Enttäuschung.
Deine Enttäuschung?
eifrig Nicht, daß es keine wunderbare Platte gewesen wäre, Vater -
Es war eine ganz besonders gelungene Platte.
Ich weiß!
Wir lachten herzlich! Die Liebesschreie und Kampfrufe -
Aber ich hatte damals die erste Herzschwäche, Vater, und ich wußte nicht, wie lange ein Herz im Stande ist, schwach zu bleiben. Ich dachte: Am Ende behält Ursula recht und ich versäume die Möwen.
Du sagtest kein Wort.
Nein, und zuletzt vergaß ich auch alles über den Kampf zwischen dem Angorakater und der Siamesin. Sie beginnen beide wieder zu lachen.
etwas atemlos Selbst Ursula und Daisy vergaßen es.
auch atemlos Ja.
Und dann noch einmal in meinem siebenundsiebzigsten Jahr: da quälte mich die Frage: Soll ich nun eine Seereise machen oder nicht? Ich hätte damals eine billige Möglichkeit gehabt, aber ich tat es nicht, ich vertraute dir, Vater! Ursula und Daisy fuhren in diesem Jahr. Sie kamen begeistert zurück.
Bald darauf starben sie.
Ich nicht.
Du hast recht getan, Emily.
Aber wie hast du es nur fertiggebracht, Vater? Gerade in meinem hundertsten Jahr, an meinem hundertsten Geburtstag, der zugleich ein Karfreitag ist -
nur mit Mühe seinen Stolz verbergend Gar nichts. Der junge Mann hatte einfach die Platte.
Er hatte sie einfach!
Gestern bekommen!
Was sagte er, als du zur Tür hereinkamst?
Nichts weiter. Ich fragte: >Haben Sie die Platte mit den Möwen?< Und er sagte >Ja< und gab sie mir.
Als hättest du nicht siebenundachtzig Jahre darauf gewartet! Als wären Ursula und Daisy nicht darüber gestorben!
Nein, das berührten wir gar nicht.
mit erhobenem Finger Ihr Spitzbuben!
Nachher mußte ich mich allerdings erst eine Weile auf eine Bank im Park setzen und die Platte auf meinen Knien in der Sonne drehen, um daran zu glauben.
Ich erwachte heute auch besonders frisch.
Ich hörte die Glocken nicht läuten und da wußte ich: Heute ist Karfreitag, der Tag, an dem Vater mir die komische Platte bringt! Ich rollte mich in meinem Stuhl ans Fenster und sah die Scheiben der Galerien gegenüber in der Sonne blitzen. Da wuchs mein Vertrauen.
Du zweifeltest dann wieder!
schelmisch Ich kann karfreitags nie so recht daran glauben, daß Karfreitag ist.
Aber jetzt, Emily, jetzt glaubst du es doch wieder?
Schon als ich dich sah, Vater.
Und wenn du erst die Möwen hören wirst!
Wenn ich die Möwen höre!
Ich hole den Apparat.
Der Schalltrichter liegt daneben.
aus dem Nebenzimmer Ich weiß Bescheid, Emily.
Du vergißt es nie.
atemlos Ein herrlicher sonniger Tag heute!
ist eingeschlafen.
Das Drehen der verrosteten Grammophonkurbel aus dem Nebenzimmer.
Und nun! Die Nadel kratzt auf der Platte.
Und nun, Emily!
DIE MÖWEN AUF DER PLATTE
Ihr sollt ihn kreuzigen, kreuzigt ihn, ihr sollt ihn kreuzigen, kreuzigt ihn, ihr sollt -
Das können nicht die Möwen sein. Er setzt die Nadel an einer andern Stelle wieder an.
DIE MÖWEN
Ihn,...
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