Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Endlich war es so weit. Heute war der Tag des großen Turniers.
Mit einem aufgeregten Kribbeln im Bauch richtete ich mich im Bett auf und schaute auf meinen alten Vintage-Radiowecker. 6:58 Uhr stand in gelben Zahlen auf dem Display. Perfektes Timing. In zwei Minuten würde der Alarm losgehen. Ich schaltete den Wecker aus und machte wie jeden Morgen das Radio an. Ich mochte es, gleich nach dem Aufwachen Musik und die Nachrichten des Tages zu hören. Ein Rocksong aus den Achtzigern erklang aus den Lautsprechern, und ich musste lächeln.
Mit Schwung richtete ich mich auf, meine nackten Füße sanken in den flauschigen Teppich, der frische Wind von draußen wehte durchs offene Fenster und strich über meine Haut. Die fast durchsichtigen Vorhänge bewegten sich sanft davor, beleuchtet von der Morgensonne, die längst den Tag eingeleitet hatte.
Gut gelaunt atmete ich die frische, kühle Sommerluft ein, in die sich ein leicht süßlicher Duft der blühenden Blumenbeete von draußen mischte. Mrs Darborough, die Haushälterin des Herrenhauses, hatte sie angelegt und pflegte sie mit hingebungsvoller Leidenschaft. Dad und ich hatten beide keinen grünen Daumen, jede Zimmerpflanze beging nach kürzester Zeit in unserem kleinen Cottage Selbstmord.
»And I'm free!«, sang ich den Song mit, schlüpfte aus meinen Pyjamashorts und zog mir das Tanktop über den Kopf. Beides warf ich aufs Bett, zog einen BH aus dem Schrank und huschte an der Vitrine mit gewonnenen Pokalen und Schleifen vorbei in mein kleines Badezimmer. »Free fallin'!« Dort band ich mir die langen blonden Haare hoch zu einem Dutt, beugte mich übers Waschbecken und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht. Es gab keine bessere Methode, um richtig wach zu werden.
In Gedanken ging ich meine Aufgaben für heute durch, während ich mir die Zähne putzte und dann in gemütliche Stretch-Jeans und ein Oversize-T-Shirt schlüpfte. Meine liebsten Arbeitsklamotten. Meine Haare stopfte ich unter eine weiße Baseballkappe mit dem aufgestickten Logo des Red-Oak-Gestüts und legte meine Kette mit dem Sichelmondanhänger um, die auf dem Kästchen neben dem Waschbecken lag. Ich hütete sie wie einen Schatz. Sie hatte meiner verstorbenen Mum gehört und war das Einzige, was mir von ihr geblieben war.
»Und nun kommen wir zu den Verkehrsnachrichten mitten aus dem Herzen Englands mit Harry Durham«, klang es aus dem Radio, als ich zurück in mein Zimmer ging. »Was für ein Trubel heute Morgen!«, meldete sich der Nachrichtensprecher auch schon. »Sollten Sie in Kent unterwegs sein, meiden Sie die B2069, dort werden Ihnen Dutzende Pferdeanhänger begegnen, die auf dem Weg zum großen Turnier der Springpferdezüchter auf dem Red-Oak-Gestüt des Earl of Huntington sind. Alles, was Rang und Namen hat, wird sich dort versammeln, um die jungen Nachwuchspferde in Augenschein zu nehmen. Es wird gemunkelt, dass sogar ein paar Royals das Event mit ihrer Anwesenheit beehren, und auch der Duke of Winterset wurde wieder im Lande gesichtet! Ob er an seine alten Erfolge anknüpfen kann? Auf der A10 Richtung Wood Green kommt der Verkehr nur stockend voran, rechnen Sie mit zehn Minuten Zeitverlust, und auf der .«
Mit einem Lächeln schaltete ich das Radio aus. »Alles, was Rang und Namen hat«, murmelte ich nervös und rückte die Bilder auf meiner Kommode zurecht. Bilder, die immer einen beruhigenden Einfluss auf mich hatten.
Ganz vorne in einem pastelllila Rahmen stand ein Foto von meinem Lieblingspferd Meteor. Er war ein wunderschöner Warmblut-Rappe, den ich mit der Flasche aufgezogen hatte, nachdem seine Mutter bei der Geburt gestorben war. Wahrscheinlich fühlte ich mich Meteor deshalb so verbunden, ich hatte ebenfalls kaum Erinnerungen an meine Mutter. Ihr Bild stand gleich daneben. Sie schaute mit ihren großen grünen Augen direkt in die Kamera. Ihre hellblonden Haare umrahmten ihr zartes Gesicht wie fließender Honig, und wie so oft hatte ich bei diesem Anblick das Gefühl, in einen Spiegel zu sehen. Auf einem anderen Bild war ich noch als Kind auf Dads Schoß zu sehen, vor mir eine Geburtstagstorte mit fünf Kerzen. Ebenfalls ein Kinderfoto war jenes von mir und dem Earl of Huntington zusammen mit seiner Tochter Vanessa auf einer mit Blumen geschmückten Pferdekutsche. Ich liebte alles an diesen Bildern, sie waren mein Zuhause.
Das Piepsen meines Handys holte mich zurück in die Gegenwart. Es war eine Nachricht von Dad: Guten Morgen, Bonnie. Schon wach? Ich fahre jetzt gleich den Reitplatz ab, hilfst du Charlie mit den Gästen?
Dad arbeitete als Stallmeister des altehrwürdigen Landsitzes und musste an einem so wichtigen Tag vor allen anderen im Gestüt nach dem Rechten sehen und letzte Vorbereitungen treffen. Ich schickte ihm ein Daumen-hoch-Emoji, schob das Handy in meine Hosentasche und ging zum Fenster. Der Tag konnte nicht richtig beginnen, bevor ich nicht wenigstens kurz die Aussicht genossen hatte. Auch heute erfüllte mich sofort eine Welle der Wärme und des Glücks, als ich meine Hände auf das Fensterbrett legte, mich hinausbeugte und all die Eindrücke auf mich wirken ließ. Von hier aus konnte ich das gesamte herrschaftliche Gestüt überblicken.
Links von mir erhob sich das Herrenhaus aus dem späten 17. Jahrhundert mit dem gewaltigen Springbrunnen davor. Dort lebte der Earl of Huntington mit seiner Familie. Von da ging es über eine Zufahrt zu den Stallungen hinunter, die mit den Sattelkammern und Geräteräumen aus zwei lang gezogenen und zwei kürzeren Holzgebäuden bestanden. Sie bildeten ein an den Ecken offenes Rechteck um einen gepflasterten Innenhof, über den man Zutritt zu allen Gebäuden auf dem Gestüt hatte. Links von mir befand sich die Zufahrt zum Herrenhaus und rechts der gepflasterte Pfad zur Reithalle. Weiter vorne führte eine Kirschbaumallee zu den Reitplätzen und dem von einer Tribüne umgebenen Turnierplatz und rechts die Straße zum Eingangstor des Gestüts. Um dieses Herz der Anlage zogen sich die im Morgentau glitzernden Grünflächen der Weiden. Auf manchen erkannte ich sogar aus der Ferne die Stuten mit ihren Fohlen.
Es gab keinen schöneren Ort auf der ganzen Welt.
Ich verließ mein Zimmer und ging die Treppe hinunter. Das Sonnenlicht brannte durchs Dachfenster und beleuchtete gnadenlos die vielen Dellen auf den hellen Buchenholzstufen, die ich als kleines Kind mit meinen Spielzeugpferden dort hinterlassen hatte. Mein Teleskop verstaubte neben einem alten Futon auf dem Zwischenpodest, das eine Galerie mit Blick auf den Vorraum bildete. Dad und ich hatten oft in die Sterne geblickt - so, wie er es früher mit Mum gemacht hatte -, und ich wusste noch, wie begeistert ich gewesen war, zum ersten Mal die Ringe des Saturns zu sehen. In der Nacht vor Meteors Geburt hatten wir dann Sternschnuppen beobachtet, und da der Earl mir erlaubt hatte, das Fohlen zu benennen, war Meteor so zu seinem Namen gekommen.
Im Flur fiel mein Blick auf einen Zettel auf der Kommode unter dem Wandspiegel.
Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages, stand dort in der fein geschwungenen Schrift von Mrs Darborough.
Neugierig spähte ich in Richtung Küche, und tatsächlich war da neben dem Duft von Dads Kaffee auch der nach frisch gebackenem Kuchen.
Eigentlich hatte ich gleich in den Stall gehen wollen, aber so bog ich doch noch in unsere alte Landhausküche ab. Auf der rustikalen Frühstückstheke stand ein großer Teller mit herrlich duftenden Blaubeermuffins unter einer Kuchenglocke bereit. Mrs Darborough musste sie in den frühen Morgenstunden frisch gebacken und mir und meinem Dad auf die Veranda gestellt haben.
»Wahnsinn! Danke, Mrs Darborough.« Ich nahm mir gleich zwei Muffins, ging damit zurück in den Vorraum und schlüpfte in meine blaue Stalljacke mit dem knallroten Red-Oak-Logo und in meine festen Arbeitsschuhe. Draußen war der süße Blumenduft noch viel intensiver. Nicht nur wegen des in allen Farben blühenden Beetes, sondern auch wegen der Rhododendronsträucher, die den gepflasterten Fußweg vom jahrhundertealten Cottage zu den Stallungen hinunter säumten. Vermischt mit der rein gewaschenen Luft des Regens, den ich nachts aufs Dach prasseln gehört hatte, atmete ich tief ein.
Mein Magen knurrte, ich steckte mir einen Muffin in die Jackentasche, vom anderen brach ich mir ein großzügiges Stück ab und schob es mir in den Mund. In der Ferne fuhren die ersten Anhänger vom Tor die lange Auffahrt zum Gestüt hoch und parkten auf einer Wiese neben der Straße, die normalerweise als Koppel diente. Eigentlich hatten wir keine Turnierteilnehmer vor acht Uhr erwartet, aber einige kamen von weiter her und wollten offensichtlich lieber rechtzeitig vor Ort sein. Hoffentlich hatte unser Chefpferdepfleger Charlie noch alles im Griff.
Ich stopfte mir den Rest meines Muffins in den Mund und lief mit schnellen Schritten über den weitläufigen Hof, der zu allen vier Seiten von Stallgebäuden mit roten Fensterläden an den Außenboxen gesäumt wurde.
Schrilles Wiehern hallte von der Wiese dumpf in meine Richtung, aber ansonsten war hier alles noch still. Auch von Charlie fehlte jede Spur. Dafür kam mir Theresa durch das doppelflügelige rote Holztor des rechten Stallgebäudes entgegen. Sie hatte letztes Jahr als Pflegerin hier angefangen. An der Hand führte sie Wishmaster, einen wunderschönen Schimmel des Earl of Huntington, der heute vorgestellt werden sollte.
»Hey, Bonnie!« Theresa verzog ihre glossig schimmernden Lippen zu einem Lächeln und blieb stehen, was der Schimmel sofort ausnutzte, um an ihren zu einem Kranz geflochtenen roten Haaren zu knabbern. Das schien sie aber nicht sonderlich...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.