Schweitzer Fachinformationen
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Der Tigerhai zeigte sich erneut, als Knox und die anderen aus dem Team in drei Meter Tiefe den Dekompressionsprozess abschlossen. Er umkreiste sie mehrmals mit beunruhigendem Interesse, aber dann traf das Schlauchboot ein, um sie aufzunehmen, und das Knattern und Quirlen des Außenbordmotors schien ihn abzuschrecken, denn er kehrte um und glitt davon.
Die Maritsa tuckerte ihnen gemächlich entgegen, als sie auftauchten. Gewöhnlich hielt sie reichlich Abstand von einer Wrackfundstelle, auch aus Respekt vor den nahen Riffen, doppelt gefährlich infolge der Riesenwellen, die an dieser Küste manchmal wie aus dem Nichts heranrollten, vor allem aber, um es Beobachtern zu erschweren, die Fundstelle im Geist zu markieren. Doch Artefakte von der Größe des Ankers ließen sich am leichtesten mit dem Heckkran bergen, und dafür musste er direkt über dem Fundfeld platziert werden.
Als Archäologe war Knox es gewohnt, sich reichlich Zeit zu nehmen, um Artefakte vor der Bergung in ihrem archäologischen Kontext zu untersuchen; aber das war hier nicht möglich. Sie hatten die Maritsa nur sechs Wochen zur Verfügung, und danach konnten sie diesen Fundort nicht, wie das an Land möglich gewesen wäre, bis zum nächsten Jahr mit einem Zaun absperren und von Wachpersonal sichern lassen. Jeder skrupellose Schatzsucher mit einer Taucherausrüstung, vielleicht sogar einem Industriebagger hätte freie Bahn. Deshalb mussten sie heraufholen, was möglich war, solange es möglich war.
Sie kletterten das Fallreep an Steuerbord hinauf, stiegen auf dem Achterdeck aus ihren Anzügen und spritzten sich mit Süßwasser ab. Im auffrischenden Wind flog krachend eine Tür auf, und aus dem Besprechungsraum trat Ricky Cheung, eine seiner übelriechenden Selbstgedrehten zwischen den Lippen. Er war der Leiter dieser Bergungsaktion, ein übergewichtiger Amerikaner mit chinesischen Wurzeln, Mitte fünfzig, der mit seinem ewig verschlafenen Blick stets aussah, als wäre er gerade erst wach geworden. Er blieb einen Augenblick stehen, um auf die zwei Leute zu warten, die ihm folgten - eine hellhaarige Frau mit übergroßer Sonnenbrille und einem Baseballcap und Rickys persönlicher Kameramann Maddow, den alle Maddow the Shadow nannten. Als er Knox bemerkte, winkte er ihm gut gelaunt zu und ging ihm mit seinen zwei Begleitern entgegen. «Der Held der Stunde», verkündete er aufgekratzt. «Tolle Arbeit da unten.»
«Danke», sagte Knox.
Ricky nickte und wandte sich der Frau zu. «Das ist der Mann, von dem ich Ihnen erzählt habe, Lucia», sagte er. «Matthew Richardson. Den aber aus irgendeinem Grund alle Danny nennen.» Er sah Knox fragend an. «Wie kommt das eigentlich?»
«Mein Vater hieß auch Matthew», erklärte Knox mit sorgfältig einstudierter Unbefangenheit. «Also haben sie mich Daniel genannt, um Verwechslungen vorzubeugen.» In Wahrheit war er in den ersten Monaten nach den Athener Ereignissen, nach dem Tod von seiner Verlobten Gaille, die von Michail Nergadse brutal ermordet worden war, so sehr mit sich und seiner Trauer beschäftigt gewesen, dass er oft gar nicht auf seinen neuen Namen reagiert hatte. Einmal hatte Miles - einer der wenigen, die seine Vergangenheit kannten - ihn in seiner Verzweiflung darüber im Büro bei seinem richtigen Namen gerufen und damit die neuen Kollegen zur naheliegenden Frage provoziert. Knox war gezwungen gewesen, aus dem Stegreif eine Erklärung zu liefern. Seine Kontaktmänner beim MI5 hatten bewundernswertes Verständnis gezeigt und seine neuen Personendaten mit dem Zweitnamen Daniel ergänzt. Seitdem war er Daniel, außer bei Geschäftsgesprächen und anderen formellen Anlässen.
«Muss irre spannend gewesen sein», sagte Ricky. «Ich meine, als ihr da unten auf den Anker gestoßen seid.»
«Ja», stimmte Knox zu.
«Die meisten Archäologen können ein Leben lang graben, ohne je so einen Fund zu machen.»
«Stimmt.»
Rickys Miene trübte sich flüchtig, als verdächtigte er Knox, sich über ihn lustig zu machen. Aber gleich strahlte er wieder. «Lucia ist zu uns gekommen, weil sie einen Artikel über mich schreiben möchte.»
«Eigentlich über die Bergung.» Sie nahm die Sonnenbrille ab, und auffallend blaue Augen kamen zum Vorschein. Sie war schätzungsweise Mitte vierzig, hatte ein hübsches, offenes Gesicht und den hellen, sommersprossigen Teint, der Schutz vor der madagassischen Sonne nötig hatte.
«Freut mich, Sie kennenzulernen», sagte Knox.
«Ich lasse Sie beide allein, wenn es Ihnen recht ist», sagte Ricky. «Unser Danny-Boy ist genau der Richtige, um Ihnen all Ihre Fragen über Geschichte und Archäologie zu beantworten.» Er nickte ihnen jovial zu, dann ging er zügig nach hinten zum Kran, wo gerade die Bergung des Ankers anlief, und gab Maddow the Shadow lauthals die völlig überflüssige Anweisung, diesen Moment für die Nachwelt festzuhalten.
«Na, der ist echt gut», bemerkte Lucia missfällig. «Der will Ihnen doch die Schau stehlen.»
«Er hat dreißig Jahre auf diesen Moment hingearbeitet», erwiderte Knox. «Ich bin noch nicht mal eine Woche hier.»
«Ich habe noch nie einen Mann erlebt, der so viel von sich selbst redet», sagte sie. «Immer nur ich, ich, ich.»
Knox beschränkte sich auf ein höfliches Lächeln, zu klug, um einer Journalistin billig Material über interne Unstimmigkeiten zu liefern. «Sie haben ein paar Fragen an mich?»
«Ja.» Sie bedachte ihn mit einem sonnigen Lächeln, mit dem sie wohl seine Sympathie gewinnen wollte. «Ich bin eigentlich Reiseautorin. Damit finanziere ich meine Urlaubsreisen. Wenn ich für einen Monat oder so mit einem bestimmten Ziel losziehe, nehme ich immer einen Haufen Ideen für mögliche Dokumentationen und Reportagen mit, aber ich weiß nie genau, aus welchen davon wirklich etwas wird und aus welchen nicht.»
«Ah ja.»
«Eigentlich wollte ich heute zum Eden-Naturschutzpark hinunter.»
«Zu den Kirkpatricks?»
«Sie kennen sie?»
Knox antwortete mit einem nichtssagenden Schulterzucken. «Sie sind hier an der Küste ziemlich bekannt.»
«Sie wollten mir eine Nachricht hinterlassen, um welche Zeit mein Besuch ihnen am besten passt. Aber bei mir im Hotel ist nichts angekommen. Da habe ich es für das Gescheiteste gehalten, mir auf jeden Fall noch eine andere Story zu sichern. Der Hotelportier meinte, ich solle doch mal hier herausfahren, und hat es dann netterweise gleich für mich arrangiert. Aber ich hatte natürlich keine Gelegenheit, mich in das Thema einzulesen, und Ihr Chef ist ja nicht zu bremsen, wenn er erst mal in Fahrt gekommen ist. Diese ganzen Geschichten über China und die Schatzflotten - ehrlich, die meiste Zeit hatte ich keine Ahnung, wovon er redet.»
Knox nickte. Ricky war bekannt dafür, dass er, statt Fragen zu beantworten, lieber Vorträge hielt. «Es geht Ihnen also um Hintergrundwissen?»
«Ja, genau.»
«Okay», sagte Knox. «Dann wollen wir mal einen kleinen Abstecher ins China des dreizehnten Jahrhunderts machen.»
Als Sandro Nergadse Boris zum Hof hinausbegleitete, zog er ihn zur Seite, außer Hörweite von Personal und Leibwächtern. «Eine Frage noch», sagte er.
«Ja?»
«Was halten Sie von Davit Kipshidse?»
Boris wurde rot vor Wut. Davit war ein ehemaliger Rugby-lock, einer von diesen wuchtigen Zweite-Reihe-Stürmern, ein Mann fürs Grobe, den er ein paarmal eingesetzt hatte, weil der Riesenkerl einem allein durch seine Anwesenheit einen Haufen Ärger ersparen konnte. Aber als das griechische Unternehmen gescheitert war, war er umgefallen wie ein morscher Baum und hatte gar nicht mehr aufgehört zu quasseln. «Sie hätten ihn in Athen verrotten lassen sollen», sagte er verbittert.
«Damit er dann in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung ausgepackt hätte?», fragte Sandro. «Außerdem gehört er zu uns. Sein Vater hat einige Male hervorragende Arbeit für uns geleistet; seine Schwester ist mit meinem Cousin verheiratet. Und bei vielen unserer Leute ist er beliebt. Sie behaupten, dass das, was in Athen passiert ist, nicht seine Schuld war. Ihrer Meinung nach hätte man ihn gar nicht erst für so eine Aufgabe einsetzen dürfen.»
Boris wehrte sich. Er selbst hatte Davit für diesen Auftrag ausgesucht, wie Sandro sehr wohl wusste. «Er hat vorher immer gut gespurt.»
«Natürlich», sagte Sandro scheinbar einsichtig. «Wahrscheinlich bekomme ich deshalb immer häufiger zu hören, dass wir ihm eine zweite Chance geben sollten.»
Boris erkannte, dass er zum zweiten Mal an diesem Tag zu spät gemerkt hatte, wie geschickt Sandro das Gespräch in die von ihm gewünschte Richtung zu lenken wusste. «Nein», erwiderte er heftig. «Ich nehme ihn nicht mit. Was passiert, wenn er am Flughafen erkannt wird? Er reitet mich garantiert mit rein.»
«Beruhigen Sie sich. Wir würden ihn in eine spätere Maschine setzen. Sie würden erst in Madagaskar wieder zusammentreffen.»
«Ich trau ihm nicht. Und ich werde ihm nicht trauen. Außerdem würde er es sowieso nicht tun. So ein Gutmensch wie er.»
«Vielleicht doch. Wenn er von Ihrem wahren Auftrag nichts weiß.» Sandro wies mit einer Kopfbewegung zum gepflasterten Hof hinaus, wo ein weißer Lieferwagen mit getönten Fenstern wartete. «Bisher weiß er lediglich, dass wir eventuell einen Auftrag für ihn haben. Wir könnten ihm doch sagen, dass Knox möglicherweise noch am Leben ist und er und Sie feststellen sollen, ob das zutrifft, um Knox, wenn dem so ist, zu einem Waffenstillstand zu überreden.»
«So blöd ist er auch wieder nicht.»
«Sie irren sich», widersprach Sandro....
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