Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Privateigentum im Allgemeinen und privates Unternehmertum im Besonderen sind weder von Gott gegeben noch ein Naturrecht, sondern ergeben sich aus einem expliziten oder impliziten Gesellschaftsvertrag. Im Laufe der Geschichte haben wir festgestellt, dass wir alle besser fahren, wenn der Einzelne das Recht auf Privateigentum hat - innerhalb bestimmter Grenzen, die in manchen Gesellschaften enger sind als in anderen. Wenn wir von dieser einfachen Prämisse ausgehen, wird klar, dass Legitimität (also die gesellschaftliche Akzeptanz) ein fester Bestandteil der Privatwirtschaft ist. Genauso klar ist, dass sich diese Akzeptanz wandelt, weil sich die unternehmerische Landschaft genauso verändert wie die gesellschaftliche Wahrnehmung von zulässigem Verhalten. Außerdem unterscheidet sie sich je nach Gesellschaft oder Gemeinschaft, in der moderne globale Unternehmen tätig sind.
Das stellt kein Problem dar, solange wir davon ausgehen, dass unternehmerische Leistung und gesellschaftliche Legitimität in Einklang stehen und einander verstärken. Adam Smith sah wirtschaftliches Eigeninteresse als Grundlage der gesellschaftlichen Stabilität. Milton Friedman erklärte, Unternehmen hielten sich an ihren Teil des Gesellschaftsvertrags, wenn sie sich ausschließlich auf ihre wirtschaftlichen Aktivitäten konzentrierten. Derart eingeschränkte Sichtweisen haben wir hinter uns gelassen, weil uns klar wurde, dass zwischen diesen Dimensionen manchmal ein Ausgleich erforderlich ist.
Damit ist nicht nur die »Corporate Social Responsibility« gemeint, ein überbeanspruchter Begriff, der leicht von einer paternalistischen Gönnerhaftigkeit zeugen kann. Während meiner Studienzeit zu Beginn der 1980er Jahre war es der letzte Schrei, doch damals wurde er im Rahmen der Debatte um Shareholder- und Stakeholder-Value gebraucht, deren Annahmen in dieser Form nicht mehr zu halten sind.
Damals hatte ich das Glück, mit einem Professor namens Igor Ansoff, einem frühen Guru der Corporate Strategy - seinerzeit ein relativ neues Konzept innerhalb der Managementlehre - an einem Forschungsprojekt namens European Societal Strategy Project mitzuarbeiten. In den empirischen Untersuchungen ging es vor allem um die unternehmerische Verantwortung im Zusammenhang mit den damals hohen Arbeitslosenquoten in Europa. Relevanter für mich war jedoch der theoretische Rahmen, den wir entwickelten.
Vereinfacht gesagt argumentierten wir, dass Unternehmensführung stets einen Ausgleich zwischen den Dimensionen der »wirtschaftlichen Leistung« und der »gesellschaftlichen Leistung« herstellen muss. Dabei beobachteten wir etwas, das wir als »Legitimitätslücke« bezeichneten. Ein Unternehmen, das keine Leistung bringt, verliert seine Legitimität, denn in unserer Form des Kapitalismus erhalten Unternehmen (sowie ihre Führung und Eigentümer) eine Betriebserlaubnis, um Werte in Form von Waren und Dienstleistungen zu produzieren, die der Gesellschaft einen Nutzen bringen. Tun sie dies nicht, verlieren sie ihre Legitimität.
Doch die Regel gilt in beide Richtungen. Unternehmen, die nach herkömmlichem Verständnis gute Leistung bringen, können in den Augen einiger gesellschaftlicher Gruppen (»Stakeholder«, in Ermangelung eines besseren Begriffs) ihre Legitimität verlieren, was ihre Fähigkeit beeinträchtigt, ihrer eigentlichen Tätigkeit nachzugehen. Umweltverschmutzung und schlechte Arbeitsbedingungen zählten zu den frühen Themen. Diese Dimension wird noch wichtiger in einer Welt, in der Transparenz groß (und vielleicht zu groß) geschrieben wird, und in der Auswirkungen in sozialen Medien oder politische und behördliche Maßnahmen die Dynamik des Wettbewerbs innerhalb einer Branche und darüber hinaus von einem Tag auf den anderen verändern können.
Wenn Milton Friedmans Satz »the business of business is business« jemals zugetroffen haben sollte, dann ist er viel zu eng für Führungskräfte der heutigen Unternehmenswelt, in der effektive Führung verlangt, dass Erfolg auf der wirtschaftlichen Ebene nicht von Erfolg auf der Legitimitätsebene zu trennen ist. Idealerweise befinden sich die beiden im Einklang - doch Idealzustände, wenn sie überhaupt erreicht werden, sind unweigerlich kurzlebig. Diese beiden Dimensionen können einander verstärken, oder sie können Kompromisse verlangen.
Angesichts der Transparenz unserer modernen Gesellschaften ist die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Legitimität eine fortwährende Herausforderung (wobei man nicht jede Empörungswelle in den sozialen Medien sofort mit einer Legitimitätskrise gleichsetzen sollte). Dieses Klima erfordert konstante Wachsamkeit von Unternehmensleitungen, und ihre Fähigkeit, Kompromisse zwischen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Leistung zu kommunizieren, wird zu einem Wettbewerbsvorteil. Eine umfassende Unternehmensstrategie bezieht nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen kommender Entwicklungen ein. Und sie fragt, ob ein Unternehmen praktisch und ethisch etwas tun kann und sollte, um auf diese Entwicklungen einzuwirken.
Wer gesellschaftliche Herausforderungen im Vorhinein angeht, muss nicht im Nachhinein Probleme lösen. Aus dem Ingenieurwesen kennt man die sogenannte Zehnerregel, nach der sich die Kosten für die Behebung eines Qualitätsproblems mit jeder Produktionsphase, die es später entdeckt wird, um den Faktor 10 erhöhen. Eine ähnliche Regel gilt auch in Bezug auf gesellschaftliche Fragen. Mit vorausschauendem Handeln lassen sich spätere Legitimitätskrisen und die mit einer Korrektur verbundenen Kosten vermeiden.
Führende Manager - Männer und Frauen - beklagen oft, ihre Mitwirkung in Ausschüssen, Branchenverbänden, Konferenzen und Runden Tischen halte sie von ihrer eigentlichen Arbeit ab. Ungeachtet aller Effizienz- und Effektivitätserwägungen würde ich jedoch behaupten, dass dies in unserer modernen Unternehmenswirklichkeit Teil ihrer eigentlichen Aufgabe ist. Wie es so schön heißt: Wer nicht am Tisch sitzt, steht vermutlich auf der Speisekarte.
Es gehört heute dazu, dass Unternehmen ihr »Leitbild« formulieren, und die erforderliche Selbsterforschung kann durchaus fruchtbar sein. Auch wenn sich die Aussagen oft in Gemeinplätzen erschöpfen, können Leitbilder für die Mitarbeitermotivation und die Unternehmenskultur wichtig werden, und wie wir noch sehen werden, können sie auch dazu beitragen, die ständige Forderung nach gesellschaftlichen und politischen Stellungnahmen abzuwenden.
Solche Leitbilder sind allerdings definitionsgemäß selbstbezogen, Angehörige eines Unternehmens verständigen sich untereinander und versuchen, ihr kollektives Selbstbild auf überzeugende Weise an außenstehende Stakeholder zu vermitteln. Aber interessieren sich diese Stakeholder tatsächlich für das Leitbild eines Unternehmens? Sie interessieren sich in erster Linie für die Leistung und dafür, dass diese in einer für die Gesellschaft annehmbaren Weise erbracht wird.
Das heißt, es geht um »Leistung« und »Legitimität«.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass wirtschaftliche Leistung leicht zu messen ist. Aber ist sie das tatsächlich? Was sind die wichtigsten Erfolgskennzahlen? Gewinn? Cashflow? Umsatz? Bestellzahlen? Forschung und Entwicklung? Kapitalinvestitionen? Rendite in verschiedenen Bereichen? Marktkapitalisierung? Börsenkurs? Ein absoluter oder relativer Anstieg dieser Kennzahlen? Relativ, gemessen woran? Und so weiter.
Wenn die wirtschaftliche Leistung schon nicht einfach zu messen ist, dann ist es die soziale Leistung erst recht nicht. Es gibt keine verlässliche Kennzahl, auch wenn es zahlreiche Versuche gibt, die Berichtspflicht von Unternehmen über die herkömmliche wirtschaftliche Bilanz hinaus auszuweiten. Einige Länder verlangen heute Berichte zu Umwelt, Soziales, Unternehmensführung und Humankapital, und selbst wenn diese nicht gesetzlich verpflichtend sind, gelten sie für moderne Unternehmen oft als Muss. An die Stelle vager Erzählungen traten vielfach strengere Analysen. So werden die Angaben von Unternehmen zu ihren Erfolgen auf dem Gebiet von Umwelt, Soziales und Unternehmensführung heute von externen Instanzen überprüft, ob formell durch Prüfer und Behörden oder informell durch NGOs und andere gesellschaftliche Akteure. Das Konzept der Doppelten Wesentlichkeit verlangt von Unternehmen, ihre Bilanz- durch Umwelt- und Sozialberichte ...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.