Schweitzer Fachinformationen
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3. Der Beruf "Erlebnispädagog_in"
3.1 Das Berufsbild
Im Frühjahr 2015 ist etwas Großartiges gelungen. In der Nähe von Fulda trafen sich zahlreiche Vertreter von erlebnispädagogischen Anbietern und von Hochschulen, an denen Erlebnispädagogik in unterschiedlichster Form gelehrt wird. Sie kamen aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und den Niederlanden und haben sich nach längerer Vorarbeit auf ein gemeinsames Berufsbild "Erlebnispädagog_in" geeinigt. Dieses Berufsbild wurde kurze Zeit später veröffentlicht und steht nun zur Weiterentwicklung dem breiten Publikum zur Verfügung.
Fragt man Passanten auf der Straße, was beispielsweise den Beruf eines Malers und Lackierers kennzeichne, erhält man weitgehend richtige und zum guten Teil auch ausführliche Angaben. Wenn man nach neueren Berufen wie dem des Geomatikers (der den nicht mehr existierenden Beruf des Kartografen durch zahlreiche Tätigkeiten im Bereich der Vermessungstechnik und Fernerkundung erweitert) fragt, sind die Angaben schon sehr lückenhaft bis vollkommen offen. Man kann das dazugehörige Berufsbild jedoch nach kurzer Internetrecherche leicht finden.
Anders war es beim "Erlebnispädagogen". Nach diesem Berufsbild gefragt, antwortet ein sehr großer Teil der angesprochenen Passanten mit Klischees wie "Wildwasserfahrten", "Klettern" und "Abenteuer" und übersieht dabei in der Regel fast vollständig die große Bandbreite der Tätigkeiten in unterschiedlichsten Handlungsfeldern und auch den pädagogischen Auftrag hinter diesem Beruf. Auch eine Internetrecherche ergab nur Oberflächliches.
Das Berufsbild wurde vom "Hochschulforum Erlebnispädagogik" und vom Bundesverband Individual- und Erlebnispädagogik e.V. (Fachgruppe "Aus- und Weiterbildung") in einem dreijährigen Prozess entwickelt und soll regelmäßig aktualisiert werden. Derzeit ist es unter www.be-ep.de (Dezember 2016) abrufbar und sieht so aus:
Berufsbild Erlebnispädagog_in
Aufgaben und Tätigkeiten
Die spezifischen Aufgaben und Tätigkeiten von Erlebnispädagog_innen liegen in der zielgerichteten, fachlich fundierten Planung und Durchführung handlungsorientierter Lernszenarien, vorzugsweise in und mit der Natur als Erfahrungsraum. Sie arrangieren ganzheitlich orientierte, individuell herausfordernde und nicht alltägliche Situationen, die entwicklungs- und bildungswirksame Erlebnisse ermöglichen. Diese fördern vorrangig personale und soziale Kompetenzen.
Bei der Planung, Durchführung und Evaluierung der Lernszenarien berücksichtigen Erlebnispädagog_innen grundlegende Strukturmerkmale wie beispielsweise Selbststeuerung, Eigenverantwortung, Freiwilligkeit, Ressourcen- und Prozessorientierung sowie die Dimension der sozialen Interaktion. Neben der Beachtung aktueller Sicherheitsstandards stehen die physische, psychische und soziale Unversehrtheit der Teilnehmenden im Vordergrund. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung wird Wert auf einen achtsamen Umgang mit Natur und Umwelt gelegt.
Um einen Lerntransfer und Entwicklungsprozesse in die Lebens- und Arbeitswelt zu unterstützen, setzen Erlebnispädagog_innen verschiedene Reflexionsmethoden ein. Sie arbeiten theoriegeleitet und greifen dabei auf spezifische Lern- und Wirkungsmodelle zurück.
Lernräume und Aktivitäten
Charakteristische Angebote reichen von natursportlichen Aktivitäten wie zum Beispiel Wandertouren, Segeln, Klettern, Kanufahren über Wildnis- und Naturaufenthalte bis zu Interaktionsübungen und handlungsorientierten Projekten. Solozeiten, kreativ-rituelle Angebote oder City Bound gehören zum weiteren Spektrum.
Arbeits- und Handlungsfelder
Erlebnispädagog_innen sind im Bereich "Pädagogik" zum Beispiel in der Kinder- und Jugendarbeit, Jugendhilfe, im schulischen, außerschulischen und tertiären Bildungsbereich oder in der Erwachsenenbildung und Heilpädagogik tätig.
Im Bereich "Wirtschaft" arbeiten Erlebnispädagog_innen vorzugsweise als Prozessbegleiter_innen und Trainer_innen im Rahmen von Personal- und Organisationsentwicklung.
Auf dem Gebiet der "Gesundheitsförderung" sind Erlebnispädagog_innen vor allem in der Prävention und Rehabilitation tätig.
Im Handlungsfeld der "Therapie" unterstützen Erlebnispädagog_innen als Teil eines multiprofessionellen Teams therapeutische Prozesse.
Ein erweitertes Arbeitsfeld finden Erlebnispädagog_innen im Bereich der Natur- und Umweltbildung sowie in der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Sie sind ferner in freizeitpädagogischen und touristischen Bereichen tätig, arbeiten dort aber vorwiegend erlebnisorientiert.
Kompetenzen und Ausbildung
Erlebnispädagog_innen erwerben im Rahmen ihrer Ausbildung neben pädagogischen und psychologischen Kompetenzen zur angemessenen Prozessbegleitung und verantwortungsvollen Gruppenführung auch die erforderlichen technischen Qualifikationen zur sicheren Anleitung der Teilnehmenden in den entsprechenden erlebnispädagogischen Lernräumen und Aktivitäten.
Grundlegend sind hierbei die Orientierung an einem humanistischen Menschenbild, eine wertschätzende Haltung gegenüber menschlicher Vielfalt und ein Wertesystem, das sich in den Menschenrechten verankert sieht.
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden und sie professionell und bewusst einsetzen zu können, sind fachliche, personale und soziale Kompetenzen notwendig. Diese erlangen sie durch eine qualifizierte pädagogische Ausbildung sowie eine fundierte erlebnispädagogische Qualifizierung, wie sie der Bundesverband Individual- und Erlebnispädagogik e.V. (be) formuliert hat. Darüber hinaus ist eine für die spezifischen Aktivitäten und Lernräume entsprechende (fachsportliche) Qualifikation erforderlich.
3.2 Das Berufsbild konkret
Ausgehend von diesem Berufsbild und um dieses in die Praxis umzusetzen, werden nun aus unserer Sicht "gut ausgestattete" Erlebnispädagogen vorgestellt. Sie sind zunächst einmal äußerlich gut als Erlebnispädagogen bzw. zumindest als Naturfachleute zu erkennen. Merkmale sind beispielsweise Kleidung, Schuhe, Ausrüstung und das, was sie offensichtlich damit anfangen. Selbst ein unbedarfter Beobachter kann schnell erfassen, dass es hier möglicherweise um "Abenteuer" und "Natursport" geht.
Abb. 3-1: Gut ausgestattete Erlebnispädagogen
Wir sind in Albanien und dürfen, organisiert von Caritas International, knapp 20 albanische Sozialarbeiter in Erlebnispädagogik fortbilden. Leider regnet es andauernd und wir haben unsere passendste Kleidung inklusive recht schwerer Bergstiefel angezogen. Als wir in einer abendlichen Runde die Übungen zum Thema "Vertrauen" reflektieren, stellen wir die Frage, was alles dazu beigetragen hat, dass sie sich gegenseitig vertrauen konnten. Eine Frau zeigt auf unsere Füße und sagt: "Eure Schuhe!"
Diese Antwort haben wir nicht erwartet, und wir haken nochmals nach. Sie bekräftigt ihre Aussage und sagt, dass sie sich nicht hätte fallen lassen, wenn wir auch nur wie alle anderen Sportschuhe getragen hätten.
Wesentliche Aspekte sind jedoch erst zu bemerken, wenn man den Erlebnispädagogen zuhört, mit ihnen spricht, sie agieren sieht und einen Blick hinter die äußeren Kulissen geworfen hat. Erst dann sehen Außenstehende, dass hier mehr geschieht als nur "Action" und dass neben einem Plan vermutlich auch höhere Ziele und Beweggründe hinter ihrem Tun (und Lassen) stecken.
3.2.1 Das Skillsmodell nach Priest und Gass
Simon Priest und Michael A. Gass (Priest/Gass, 1999 und 2005) beschreiben die Komponenten, die dazu beitragen, dass Menschen andere Menschen wirksam durch erlebnispädagogische Settings in der Natur begleiten können, als "Mauer" ("Effective outdoor leadership wall"). Diese Mauer besteht aus einem soliden Fundament, stabilen Backsteinen und Mörtel.
Die Ziegelsteine und das, was diese symbolisieren, werden als Hard- und Softskills bezeichnet. Diese Bausteine sind gleichzeitig Inhalt von Ausbildungen im Bereich der Erlebnispädagogik.
Priest und Gass (2005, S. XIII) bezeichnen individuelle Fähigkeiten des Erlebnispädagogen wie Kommunikationsfähigkeit, flexibler Führungsstil, eine professionelle Ethik, Problemlösekompetenzen, Entschlussfähigkeit und erfahrungsgestützte Beurteilung von Situationen als zusätzliche Metaskills und nehmen diese als Mörtel in die Mauer auf, um alle Bausteine miteinander zu verbinden.
Im gleichen Bild stellen sie die Mauer auf eine solide Basis von Grundkenntnissen über Psychologie, Geschichte, Philosophie - und wir erweitern hier schon um grundlegende Kenntnisse aus Physik, Geografie, Astronomie, Botanik, Ökologie und vieles andere mehr.
Abb. 3-2: Die erlebnispädagogischen Skills (nach Priest/Gass 2005)
In unserem eigenen Bild der "gut ausgestatteten" Erlebnispädagogen handelt es sich bei der Basis um den Boden, auf dem die Erlebnispädagogen stehen. Er besteht aus Wissen über die Umwelt und Verständnis ökologischer Zusammenhänge. Erlebnispädagogen können die Fragen von Kindern und Erwachsenen zu den Pflanzen am Wegesrand, zur Natur des Gesteins der Kletterfelsen und zu den Lebewesen im Fließgewässer beantworten oder zumindest deren Interesse daran wecken.
Erlebnispädagogen sind aufgrund der sehr unterschiedlichen Settings, in denen sie arbeiten, in besonders hohem Maße sozusagen "natürlicherweise" mit verschiedenen Themengebieten...
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