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Ein sprachgewaltiger Debütroman von Andrea Abreu über eine innige Mädchenfreundschaft auf Teneriffa, die an den Wachstumsschmerzen der Pubertät, an zu viel Liebe und zu großer Lust zerschellt. "So forsch, so furchtlos" ist eines der aufregendsten Debüts der letzten Jahre. Abreus Roman erscheint in 19 Ländern und hat die spanische Presse in Aufregung versetzt.
Ein heißer Juni auf Teneriffa, hoch oben im Norden der Insel zwischen den Vulkanen, weit ab von den Touristen. Zwei junge Mädchen, beste Freundinnen, versuchen die Langweile zu bekämpfen. Sie wollen dünn bleiben, indem sie Süßigkeiten erbrechen; sie träumen von glänzenden BMWs, die sie an den Strand bringen, wo sie endlich das Meer genießen könnten, genau wie die Touristen, deren Ferienhäuser ihre Mütter putzen. Aber als aus dem Juni der Juli wird und der Juli in den August übergeht, verwandelt sich die schwelende Liebe der Erzählerin zu ihrer Freundin Isora in ein schmerzhaftes sexuelles Erwachen. Sie versucht, mit Isora Schritt zu halten, muss aber einsehen, dass das Erwachsenwerden ein Weg ist, den man allein gehen muss.
"So forsch, so furchtlos" war in Spanien der größte Überraschungserfolg der letzten Jahre. Andrea Abreu ist der neue Shootingstar der spanischsprachigen Literatur.
Den ganzen Vormittag verbrachten wir damit, Leute zu fragen, ob sie uns nach San Marcos bringen würden, aber niemand konnte. Die alten Frauen waren die Einzigen, die uns begleitet hätten, weil Isora ihnen den letzten Nerv raubte, aber sie hatten kein Auto und keinen Führerschein und sie würden sicher nicht mit uns zu Fuß gehen, es waren nämlich fast drei Stunden an der Hauptstraße entlang, der Fußgängerweg war schmal und die Autos fuhren ohne Abstand vorbei. Wir überlegten, alleine zu gehen. Isora griff sich ihre Sachen und stopfte sie in eine Tasche: Handtuch, Sonnencreme, Badesachen und ein paar Sandwiches mit Revilla-Wurst und Käse. Von der Theke aus hörte Chela, wie wir im unteren Teil des Ladens rumorten, weil Isora ihre alten Turnschuhe suchte, und kam die Treppe runtergerannt. Wo zur Hölle geht's denn hin? Das würd ich ja gern mal wissen. An den Strand, Bitch, sagte Isora. Und Chela riss sich einen Flipflop vom Fuß, schleuderte ihn in Richtung Isoras Kopf und schrie, ich schick dich gleich an den Strand, und zwar mit Karacho, das sag ich dir! Ich schmiegte mich an eines der Regale, wo die Libby's-Säfte standen, völlig verstaubt und voller Spinnweben. Isora rannte hinter die Tiefkühltruhen, um sich zu verstecken, und murmelte immer wieder, facking Bitch, ich hoff, dass du stirbst. Halloooo! Hier wartet der Mann mit den Süüüüßigkeiten, haaaaallooo!, rief eine alte Frau vom Eingang des Ladens. Chela rannte wie von der Tarantel gestochen nach oben, den Flipflop noch immer in der Hand. Iso, deine Oma ist weg, komm raus, sagte ich zu Isora und löste meinen Rücken vom Regal. Ich wiederholte es noch mal und wartete, aber sie kam nicht hinter den Kühltruhen vor. Ich setzte mich auf eine Plastikkiste in einer Ecke und wartete. Einen Moment lang dachte ich, sie wäre eingeschlafen oder sie rubbelte sich vielleicht, weil sie sehr schwer atmete, aber ich traute mich nicht zu gucken, ich hatte Angst, keine Ahnung, warum. Eine Stunde später kam sie hinter den Kühltruhen rausgekrochen wie eine vergiftete Eidechse, und sie sagte, Shit, komm mit aufs Klo, ich scheiß mir in die Hosen. Und ich sah, dass ihre Augen geschwollen waren, geschwollen, weil sie geweint hatte.
Zum Essen waren wir bei meiner Oma. Es gab Hühnerflügel, Kartoffeln und rote Soße. Omas Soße war wässrig, weil sie Wasser aus dem Brunnen dazugab. Als sie klein war, war das Olivenöl knapp gewesen, und aus Gewohnheit machte sie es seitdem so. Wir aßen auch zerdrückten Gofio. Oma gab die Maismasse immer in einen tiefen Teller und wir machten Kugeln draus, die wir in die wässrige Soße tunkten. Wir durften sogar mit den Händen essen, mit den Händen schmeckt's besser, sagte sie. Chela schrie uns an, wenn sie uns dabei erwischte, wir wären doch Dreckschweine und wie meine Oma dazu käme, uns so eine Sauerei zu erlauben. Und ich merkte, wie sie »deine Oma« mit Verachtung aussprach. Sie wusste, dass Oma uns wie Prinzessinnen behandelte. Als wir fertig waren mit essen, sagte Isora, sie hätte eine Idee, wir könnten ja so tun, als wäre der Kanal der Strand von San Marcos.
Als wir aus Omas Haus kamen, holten wir uns ein paar Hüte für den Gemüsegarten von Onkel Ovidio und Juanita Banana, der mit uns an den erfundenen Strand am Kanal kommen sollte, um Unsinn zu veranstalten. Juanita Banana war ein Junge, der gleich neben mir wohnte und weinte, wenn er so genannt wurde. Isora rief seinen Namen und Juanita Banana kam mit einem Schinken-Ei-Sandwich in der Hand auf den Balkon. Juanito, komm mit uns mit, wir gehen an den Kanal und tun so, als wär's der Strand, und lästern über die Cellulitis von den Weibern. Ich kann nicht, antwortete er, meine Mutter hat gesagt, ich muss Unkraut rupfen. Juanita durfte nur ganz selten mit uns spielen, weil er immer Unkraut rupfen musste oder die Tiere füttern oder die Büsche schneiden oder die Innenhöfe putzen oder die Autos waschen oder das Mini-Motorrad von seinem Bruder. Sein Vater wollte, dass er arbeitete. Juanita lernte nicht gern, und sein Vater drohte damit, ihn zur Tomatenernte zu schicken, wenn er nicht genug lernte, und ich dachte manchmal, dass das keine leere Drohung war und dass der Vater in Wirklichkeit wollte, dass er von klein auf bei der Tomatenernte arbeitete. Ich stellte ihn mir als alten Mann vor, mit einer Glatze mitten auf dem Kopf, den Kopf wie ein verbrannter Garten. Und mit Bart, einem Bart mit ein paar weißen Haaren. Er als alter Mann mit Tomaten in den Händen, und die anderen Männer riefen ihn, Juanita Banana dies, Juanita Banana das, und er dachte traurig an die Zeit, als er klein war und mit uns Barbie und Ken spielte und die Barbie zu uns sagen ließ: Hallomädelsichbinchaxiraxiundichbintotalhübsch.
Der Kanal lag etwas unterhalb des Ladens, gleich hinter dem Kulturzentrum. Im Kulturzentrum kifften die Jungs, die schon auf die Oberschule gingen, Kinkis sagten wir zu ihnen. Mir war es superpeinlich, an ihnen vorbeizulaufen, weil ich nicht wusste, was ich mit mir anfangen sollte. Isora kannte alle Jungs vom Kulturzentrum mit Namen, und sie sagte, als wäre es ein Liedtext: Yeray Jairo Eloy Ancor Iván Acaymo. Und grüßte sie, und für Isora war es überhaupt kein Problem, an ihnen vorbeizugehen, sie war berühmt, hatte einen Laden, und wenn sie nicht gegrüßt wurde, verkaufte ihre Oma den Jungs vielleicht keine Sandwiches und keine Cola mehr, die sie um fünf Uhr abends kauften, weil dann die Schule aus war und sie sich trafen, um Joints zu rauchen und Sandwiches zu essen und im Messenger zu chatten, wenn einer der Computer, die es im Kulturzentrum seit kurzer Zeit gab, frei war.
Schon von Weitem stank der Eingang zum Kulturzentrum nach Kiff. Damals kam sehr oft die Polizei vorbei, weil es hieß, hier würden viele Drogen verkauft. Juanita Banana erzählte uns einmal, sein Bruder hätte ihm erzählt, dass die Männer in Antonios Bar Drogen nahmen, und ich hatte eigentlich keine richtige Vorstellung davon, was das bedeuten sollte und wozu das gut war, aber als Isora und Juanita drüber redeten, sagte ich, ja, die verdammten Drogen sind wirklich überall.
Isora kannte eine Stelle am Kanal, wo einige der Betonplatten, die den Kanal abdeckten, kaputtgegangen waren und man das Wasser sehen konnte, wie es beladen mit Nadeln und Zapfen von den Kiefern und mit Steinen vom Berg dahinfloss. Unsere Körper passten durch diese geheimen Öffnungen. Wir folgten dem Lauf des Kanals auf der Abdeckung. Es war ein schmaler Weg, und wenn wir zu einer Seite abstürzten, würden wir verrecken wie die Kaninchen. Als wir zu den losen Platten kamen, sahen wir die ganze, ganze Ortschaft. Links sahen wir Redondo und die anderen Viertel auf den Seiten, von denen wir nicht so recht wussten, wie sie hießen. Bedeckt von Wolken, Schwerfälligkeit, dunkelgrauer Traurigkeit. Und wir sahen den Ortskern und die unteren Viertel, die Glück gehabt hatten, beleuchtet von gelb glänzendem Licht, und dort unten, kurz vor dem Meer, den Strand von San Marcos. Mensch, sagte Isora und ihre Augenbrauen hoben sich fast bis zum Haaransatz, kannst du dir vorstellen, wie das wär, wenn wir am Strand geboren wären?
Wir holten die Handtücher aus den Taschen und legten sie zusammengefaltet an den Rand der Löcher im Kanal. Isora und ich trugen noch kein Bikini-Oberteil, weil meine Mutter und Chela es uns verboten. Außerdem sagte Isora, dass die, die das Oberteil anhatten, Nutten wären und zuerst schwanger würden, und ich sagte ja. In Wirklichkeit konnten wir es beide kaum erwarten, endlich das Oberteil zu tragen und nicht mehr vor Peinlichkeit zu sterben, wenn unsere Brustwarzen hart wurden. An dem Tag beschlossen wir, uns die Oberteile zum ersten Mal anzuziehen, weil uns ja niemand sehen konnte. Isora hatte zwei Oberteile, die sie von ihrer Familie in Santa Cruz zum Geburtstag bekommen hatte, und lieh mir eins aus.
Isora zog sich die Turnschuhe aus und steckte die Füße ins Wasser. Ich machte es ihr nach. Es war kalt, kälter als das Wasser, das morgens in den Wasserrinnen bei Oma floss. Während wir uns die Füße nass machten, konnte ich nicht aufhören, aufs Meer zu schauen. Mach die Augen zu, Shit, stell dir vor, wir sind am Strand von San Marcos, Shit, sagte Isora. Und ich sah mich den Sandstrand am Ufer entlanggehen. Wie mir die Äste und Kiefernnadeln, die im Kanal abwärtsschwammen, an die Fersen stießen, stellte ich mir vor, es wären Steine im Meer, die gegen meinen Körper dotzten und meine ganzen Schienbeine zerdellten. Ohne die Augen zu öffnen, fing Isora das Spiel an: Hey, Sis, weißt du, wer die Blonde ist, die grad ins Wasser geht? Das ist María, oder? Genau, die Matratze María, von der hab ich gehört, dass sie zwei Freunde gleichzeitig hat. Und keinen Ehemann?, fragte ich und kniff die Augen zusammen. Ja, das hat mir Moreiva erzählt, die in der Kurve wohnt, dass die eine Schlampe ist und den ganzen Tag in den Bars Männer aufreißen will, und saufen tut sie auch. Ich öffnete ein Auge einen Spaltbreit und sah Isora am Kanal sitzen, ihre Füße machten Kreisbewegungen im Wasser. Sie kratzte sich die Mimi an den Seiten, weil es sie dort immer vom Rasieren juckte. Sie kratzte sich und redete weiter: Doña Carmen hat ihr extra eine Matratze gekauft, damit ihre Kinder nicht auf dem Boden schlafen müssen. Ich schaute auf ihre Oberschenkel mit dem dichten, weichen Haarflaum wie bei einem Plüschtier und den vielen Leberflecken. Sie glänzten beinahe golden. Eulalia sagt, dass sie gesehen wurde, wie sie es hinter dem San-Marcos-Platz mit einem Typen vom Strand getrieben hat, beim Dreikönigstanz, redete sie weiter. Ich ließ meinen Blick von den Spitzen ihrer dicken Zehen mit den superkurz im Fleisch steckenden Zehennägeln...
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