Schweitzer Fachinformationen
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Neulich bescherte mir das öffentlich-rechtliche Werbefernsehen einen gepflegten Lachanfall. Angepriesen wurde ein Einschlafspray! Ja, tatsächlich, ein Spray, das man sich in den Mund sprüht, um dann besser schlafen zu können. Wer denkt sich denn so was aus? Dass in der Werbung körperliche Gebrechen thematisiert werden, ist ja ein alter Hut - von wegen »Oma hat früher immer so gepupst«. Und tüchtige Hausfrauen, die echtes oder angebliches Superfood (»So wertvoll wie ein kleines Steak«) rühmen, gab es schon in meiner Kindheit, als ich mit meinen Brüdern Werberaten spielte. Wer zuerst wusste, von wem der jeweilige Spot war (»Fruchtzwerge!«), hatte gewonnen. Aber Einschlafspray? Ernsthaft?
Gleich anschließend kam der penetranteste aller TV-Spots (»IchhabmirneneueMatratzegekauft« - »neeeneeeneee«), und mir wurde bewusst, dass Schlafen wohl mehr ist als ein normales Grundbedürfnis - es ist ein Riesenmarkt!
Früher hat man, wenn man nicht einschlafen konnte, einfach Schäfchen gezählt oder ein Bier getrunken, was beides irgendwie funktioniert: Während man beim Schafezählen wohl vor Langeweile eindöst, löst der im Bier enthaltene Hopfen den Stress, der die natürliche Müdigkeit überdeckt hat, sodass der matte Körper zu seinem Recht kommt. (Weshalb das Ganze übrigens auch mit alkoholfreiem Bier und Hopfentee funktioniert.)
Heutzutage gibt man sich mit derart simplen Tricks nicht mehr zufrieden - stattdessen steht ein breites Angebot an Schlafprodukten zur Auswahl. Von Lavendel-Duftkissen, Kräutertees und Nahrungsergänzungspillen über Ohrstöpsel und Schlafbrillen (gegen störende Sinneswahrnehmungen) bis hin zu Seitenschläferkissen, Therapiedecken oder Magnet-Matratzenauflagen. Nicht zu vergessen die Apps mit einschläfernden Geräuschen wie Meeresrauschen, Landregen oder Vogelgezwitscher im Wald. Und wussten Sie, dass es sogar einen Streamingdienst namens Napflix gibt? Dort laufen ausschließlich Filme, die so langweilig sind, dass einem automatisch die Augen zufallen.
Wenn also dermaßen viele Firmen an der Schlaflosigkeit der Menschen verdienen, scheint dieses Problem weiter verbreitet zu sein, als ich dachte. Ich selbst kann da nicht mitreden, denn ich schlafe gut ein und habe auch schon so manches Gewitter verpennt. Von wegen, Frauen haben einen leichteren Schlaf als Männer - für mich gilt das definitiv nicht.
Doch ich scheine da wohl nicht repräsentativ für die Bevölkerung zu sein, jedenfalls nicht, wenn man sich den DAK-Gesundheitsreport 2017 anschaut. Darin heißt es, dass 80 Prozent der Erwerbstätigen schlecht ein- oder durchschlafen, also rund 34 Millionen Menschen. Zehn Prozent leiden unter besonders schweren Schlafstörungen. Insgesamt hat sich das Phänomen seit 2010 etwa verdoppelt, genauso wie der Schlafmittelkonsum.
Schlafen - überflüssig oder überlebenswichtig?
Bevor wir uns weiter um die Ursachen für die allgemeine Schlaflosigkeit kümmern, möchte ich erst einmal eine Grundsatzfrage klären: Warum schläft der Mensch überhaupt? Ich meine, wir verpassen ein Drittel unseres Lebens, ist das nicht pure Zeitvergeudung?
Okay, wir gehen nachts in einen Energiesparmodus, um tagsüber aktiv sein zu können. Aber könnte man nicht einfach mehr essen und immer wach bleiben?
Nein, könnte man nicht. Schlaf ist tatsächlich lebenswichtig, denn in dieser Zeit speichert, verarbeitet und sortiert das Gehirn den Input des Tages. Unser Oberstübchen wird sozusagen aufgeräumt und die Stoffwechselabfälle werden entsorgt. Und das muss sein, denn sonst würde dort oben pures Chaos herrschen!
Kein Wunder, dass wir uns nach einer schlaflosen Nacht mies fühlen und auch so aussehen. Wir frieren, bekommen Heißhunger, sind schlecht gelaunt und reizbar, unkonzentriert und grau im Gesicht. (Wer zwei Tage am Stück wach bleibt, ist anschließend ungefähr so verkehrstüchtig, als hätte er zwei Flaschen Rotwein getrunken.) Wenn der Schlafmangel häufiger vorkommt oder gar chronisch wird, treten weitere Nebenwirkungen auf, so wie Übergewicht, Herz-Kreislauf-Probleme oder höhere Infektanfälligkeit, weil Immunabwehr und Wundheilung leiden. Und nicht zuletzt steigt auch das Risiko für Depressionen und Angststörungen.
Mit anderen Worten: Wenn immer mehr Menschen nicht gut schlafen können, dann leiden auch immer mehr Menschen unter solchen Folgeproblemen.
Schuld an dieser Negativentwicklung sind übrigens nicht selten die Arbeitsbedingungen, besonders Leistungsdruck, Überstunden, Nachtschichten und die ständige Erreichbarkeit nach Feierabend.
Kein Wunder, dass ich nicht betroffen bin - als Soloselbstständige bestimme ich meine Arbeitsbedingungen ja selbst, und wenn ich mal Nachtschichten einlege, erlaube ich mir morgens ein paar Stündchen länger zu schlafen.
Doch natürlich kenne auch ich die beschriebenen Schlafmangel-Symptome, und das nicht nur von durchfeierten Nächten.
Einmal hatte ich einen geschäftlichen Termin in Hamburg, und statt eine Übernachtung einzuplanen, beschloss ich, mit dem Nachtzug hin- und zurückzufahren. Auf diese Weise, so glaubte ich, sparte ich das Geld für das Hotel, hatte aber nach meinem Termin dennoch einen ganzen Tag zur freien Verfügung, um die Stadt zu besichtigen.
Was war ich doch naiv! Der ICE war rappelvoll, laut, überheizt, an Schlaf war auf der Hinfahrt nicht zu denken. Ich kam also völlig übernächtigt in Hamburg an, doch die Aufregung vor dem wichtigen Gespräch hielt mich fit. Kaum hatte ich das allerdings hinter mich gebracht, schlug die Müdigkeit erbarmungslos zu.
Ich genehmigte mir gleich mal zwei doppelte Espresso, dann schleppte ich mich zu den Landungsbrücken, über den Fischmarkt und - wenn mich mein vernebeltes Gedächtnis nicht täuscht - über eine Treppe hinauf zur Reeperbahn. Zu dem Zeitpunkt wünschte ich mir nichts sehnlicher als ein Bett! Umso verblüffter war ich, als ich in die berühmt-berüchtigte Rotlichtmeile einbog und am Straßenrand fast über ein ausrangiertes Messingbett mit der wohl schmuddeligsten Matratze der Welt stolperte. Ja, ich war hundemüde, aber sooo müde dann doch nicht .
Alles in allem fand ich die Reeperbahn ganz schön enttäuschend. Bei Tageslicht war sie trostlos und schäbig. Ich ließ sie rasch hinter mir und steuerte ein Café an. Einen doppelten Espresso später war ich noch schläfriger als zuvor, und als ich an einem kleinen Park vorbeikam, sehnte ich mich danach, mich einfach ins Gras zu legen und wegzudösen. Ein restlicher Funke Verstand in meinem Hinterkopf war allerdings noch wach genug, mich davon abzuhalten. Am Ende wäre ich womöglich noch ausgeraubt worden!
Aber inzwischen war klar: Ich brauchte einen Schlafplatz. Und sei es nur für zwei Stunden! Dafür ein Hotelzimmer buchen? Dazu war ich nun doch zu geizig.
Die rettende Lösung war: ein Kino! Ich ging an die Kasse, fragt nach dem Film, der als Nächstes startete und möglichst lang dauerte, kaufte ein Ticket, setzte mich ganz nach hinten, zog die Kapuze meines Sweaters über den Kopf - und schlief noch bei der Werbung ein. Als ich wach wurde, kaufte Ulrich Mühe gerade ein Buch und antwortete auf die Frage »Geschenkverpackung?« mit »Nein, das ist für mich«. Ja, ich hatte Das Leben der anderen komplett verpennt, und das war gut so. (Natürlich habe ich mir den Film später noch mal komplett angesehen und verstand dann auch den Schlusssatz. Brillant!)
Falls Sie also irgendwann mal dringend eine Mütze Schlaf brauchen, aber kein Bett haben, kann ich Kino nur empfehlen. Für Sie getestet!
Vielleicht finden Sie aber auch ein sogenanntes Powernap-Studio, in dem man eine Schlafkabine mieten kann. Damals in Hamburg wäre das wirklich praktisch gewesen. Doch grundsätzlich ist mir persönlich das Konzept Powernapping nicht sonderlich sympathisch.
Ich bin einfach kein Typ für Zwischendurch-Nickerchen, und wenn ich doch mal sonntagnachmittags auf der Couch eindöse, habe ich hinterher eine Matschbirne, als wäre ein böser kleiner Schlafkobold in meinem Gehirn Achterbahn gefahren.
Okay, zugegeben, ich wache auch frühestens nach zwei Stunden wieder auf. Bei echtem Powernapping soll man ja höchstens zwanzig Minuten schlafen. Angeblich ist man dann hellwach und voller Energie.
Hey, geht's noch ungemütlicher, als gerade gemütlich eingedöst zu sein und dann schon wieder aus den schönsten Träumen gerissen zu werden?
Vielleicht liegt meine Abneigung auch daran, dass Powernapping im Grunde nichts weiter als eine besonders fiese Selbstoptimierungsstrategie ist. Kein Wunder, dass die einschlägigen Silicon-Valley-Unternehmen ihren Mitarbeitern solche Powernap-Boxen anbieten. Sicher nicht aus Menschenfreundlichkeit, sondern um möglichst viel Leistung aus ihnen rauszupressen. Wer müde ist, geht nach Hause und ruht sich aus. Wer sich dagegen erholt fühlt, bleibt und schuftet noch ein paar Stunden weiter.
Ich vermute, von einem Mitarbeiter wie Leonardo da Vinci wäre man bei Google und Co. hellauf begeistert! Nicht nur weil er ein Genie war, sondern auch, weil er angeblich nur anderthalb Stunden pro Tag geschlafen haben soll, und das verteilt auf eine Viertelstunde Schlaf alle vier Stunden. Dieses sogenannte polyphasische Schlafmuster bescherte ihm umgerechnet rund zwanzig zusätzliche Jahre an produktiver Zeit, die er ansonsten verpennt hätte. Ob es die Mona Lisa wohl gäbe, hätte er geschlummert wie jeder normale Mensch?
Vergessen wir mal da Vinci - so richtig gesund hört sich das nicht an. Man braucht nun mal mehr als eine Spielfilmlänge Schlaf...
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