Leseprobe
"Es sieht gut aus. Wenn wir eine ordentliche Ladung Salz und Gewürze hierher schaffen, dann können wir diesen Winter als reiche Männer leben. Also, der Haufen da drüben muss auf die Pferde", sagte Wenzel und deutete auf einen Haufen Felle von Bären, Wölfen und anderen Waldtieren. Daneben waren Eichenholzfässer von der Größe eines Wasserkübels und Säcke aus Leinen aufgestapelt.
"Verteilt die schweren Metfässer gleichmäßig auf die Pferde und schützt sie mit den Fellen. Auf dass wir unterwegs nichts verlieren", befahl Karel, während er selbst zu dem Haufen hinüberging, eines der Fässer aufhob und aus dem Haus trug.
Die anderen folgten seinem Beispiel und machten sich daran, ihre Pferde zu bepacken. Jan half seinem Vater, noch ein paar Felle aufzuschnallen. Anschließend half Jan auch Vladja, sein Pferd zu beladen. Es war ein falber Wallach, klein und gedrungen, wie alle Waldpferde. Dadurch waren sie in dem dichten Wald und den steilen Hängen in der Sumava beweglicher und leichter zu führen. Nach einer Stunde waren alle Pferde bepackt.
Es war jetzt Mittag. Nachdem sie alle im Gasthaus zum Torfgrund, das sich gegenüber auf der anderen Seite des Platzes befand, gegessen hatten, nahm Wenzel seinen Sohn mit zum Hutmacher.
Jan war begeistert von den verschiedenen Formen und hätte am liebsten einen breitkrempigen Hut wie ihn die Männer in der Stadt trugen genommen, aber sein Vater empfahl ihm eine der typischen Säumermützen. Diese hatten eine kleine geschwungene Krempe, in der sich das Regenwasser sammeln konnte und liefen nach vorne spitz zu, um das Gesicht bei schlechtem Wetter zu schützen. Jans Mütze war ein bisschen zu klein, aber sein Vater erklärte ihm, dass das sehr sinnvoll sei, weil sich das Leder zum
einem noch weitete und ihm so die Mütze im Dickicht nicht so leicht verloren ging. Jan war sehr zufrieden und voller Stolz präsentierte er den anderen Säumern seine neue Mütze.
"Sagen Sie mal, junger Mann, wie oft haben Sie denn die Sumava schon durchkreuzt? Ihr seht wie ein erfahrener Säumer aus" scherzte Karel und die anderen lachten laut, als Jan, so geschmeichelt, vor Verlegenheit leicht rot wurde.
"So, jetzt müssen wir aber los, sonst schaffen wir es nicht, bis heute Abend die Ausläufer der Sumava zu erreichen", mahnte Wenzel, band Minze los und verließ den Platz in Richtung südliches Tor.
Die anderen folgten ihm, und so setzte sich die kleine Gruppe aus zwölf Mann und elf Pferden in Bewegung, um noch ein letztes Mal in diesem Jahr den gefährlichen Weg durch die Sumava zu bestreiten. Ihr Ziel am heutigen Tag war der kleine Weiler Nýrsko, der von einem alten Säumer gerodet worden war und jetzt als letzte Anlaufstelle vor den Bergen für Säumer diente, die in die Sumava wollten. Als sie schon eine Weile unterwegs waren, blickte sich Jan noch einmal um und betrachtete sich die Stadt
aus der Entfernung. Bisher war es seine Grenze gewesen; jetzt würde er zum ersten Mal eine größere Reise machen. Er atmete einmal tief durch und meinte, den Duft der Ferne riechen zu können.
***
Der kalte Herbstwind blies durch das Tal, das sie gerade durchschritten. Jan führte Wenzels Pferd am Halfter und trottete hinter Vladja her. Sie hatten bald nach dem Abmarsch aus Klatovy Freundschaft geschlossen und Jan stellte laufend neue Fragen, die Vladja geduldig beantwortete. Im Augenblick war Jan jedoch nicht nach Fragen zu Mute, denn er fror fürchterlich. Er wünschte sich sogar seine alte hässliche Wintermütze zurück, denn die war wenigstens ein bisschen wärmer als die lederne
Säumerkappe, die dafür pflegeleichter und im Unterholz angenehmer zu tragen war. Jan hatte schon Gelegenheit genug gehabt, diesen Vorteil der Säumerkappe zu erkennen, denn kurz nach ihrem Aufbruch aus Nýrsko waren sie in die Wälder der Sumava eingedrungen. Weite, lichte Buchenhaine und Mischwälder wechselten in dichte, fast undurchdringliche Nadelwälder über. Jan hatte bemerkt, dass die Häufigkeit der Nadelbäume zunahm, je höher sie in die Berge stiegen.
Gestern Abend hatten sie schließlich das Tal erreicht, in dem sie sich jetzt befanden. Sie hatten gerade noch genug Zeit gehabt, um vor dem Einbruch der Dunkelheit ihr Lager zu errichten. In der Nacht wurden Wachen zum Schutz vor wilden Tieren und auch Räubern aufgestellt. Jan hatte anfangs wegen der Räuber Angst gehabt, aber sein Vater hatte ihn beruhigt und erklärt, dass diese Gefahr nur in den Randgebieten der Wälder und nur im Sommer bestünde.
Jan schüttelte sich vor Kälte, zog einmal kurz am Führstrick, um das Pferd aufzumuntern und räusperte sich dann ungeschickt. Vladja drehte sich erwartungsvoll um.
"Du Vladja," begann Jan, " wie heißt eigentlich der Fluss, dem wir gerade folgen?"
"Das ist der Reganus, der mündet irgendwo in die Donau", antwortete Vladja sofort, als hätte er auf diese Frage nur gewartet.
***
Gegen Mittag erreichte der Händlertross eine Bachmündung. Der Bach führte klares Bergwasser und hatte sich über Jahrtausende hinweg seinen Weg durch den harten Stein gesucht. Neben der kleinen Schlucht ragte ein Fels empor, dessen Spitze nur von der Bergseite her zu erreichen war. Diesen steuerte Wenzel an. Jan tat es den anderen gleich und band das Pferd an einem Baum unterhalb des Felsens fest. Dann lief er seinem Vater nach, der inzwischen schon auf dem Felsvorsprung war. Oben angekommen
erkannte Jan, was für ein praktischer Lagerplatz das war. Das Plateau war ungefähr achtzehn Fuß breit, fünfundzwanzig Fuß lang und eine große Buche etwas oberhalb gab Schutz gegen die Witterung. Die Nachtwache musste so nur die Hangseite im Auge behalten, da die drei anderen Seiten steil hinabfielen. Der Platz war wohl vielen bekannt, denn in der Mitte hatte sich eine Feuerstelle in den Boden gefressen und rundherum war das Gras platt getreten.
Jan folgte seinem Vater zum Ende der Platte. Von dort hatte man einen wunderbaren Blick auf den weiteren Verlauf des Flusses, bis er sich schließlich mit einer scharfen Linkskurve verabschiedete. Rauschend tanzte das Wasser um die vielen Steine, die im Flussbett lagen. Vom Ufer ragten die Weiden weit über das Wasser, und die Kronen berührten sich an manchen Stellen.
"Das ist schön", sagte Jan entzückt.
"Ja, das ist es", bestätigte sein Vater, um dann gleich hinzuzufügen, "und so bleibt es hoffentlich bis zur Donau."
"Wie meinst du das?"
"Gestern Nacht war es doch sehr kalt, nicht wahr."
Jan nickte zustimmend.
"Der Wind hat gedreht. Er kommt jetzt von Böhmen her. Zu dieser Jahreszeit bedeutet Ostwind, dass es kälter wird. Womöglich kann es auch Schnee geben", erklärte Wenzel und runzelte die Stirn. Jan schaute ihn sorgenvoll an.
"Kommen wir nicht bis nach Deggendorf, Vater?"
Wenzel wusste, dass sein Sohn ihn nur dann mit Vater ansprach, wenn er Angst hatte und ihm fiel auf, dass er den Jungen von Problemen erzählt hatte, die ihn nur beunruhigten. Deshalb wechselte er schnell das Thema.
"Nein, wie kommst du denn darauf? Wir kommen genauso zur Donau, wie dieser kleine Bach hier auch. Weißt du, wo das Wasser herkommt?"
"Nein", schüttelte Jan den Kopf.
"Es fließt ganz oben aus einem See unterhalb des Arbers ab und bahnt sich seinen Weg bis hierher ins Tal. Ich war erst einmal dort oben. Wenn wir im Frühjahr wieder unterwegs sind, dann führe ich dich einmal hinauf. Dort oben ist das Dach der Sumava. Du kannst den ganzen Wald überblicken bis hin zu großen weißen Bergen, die weit hinter dem Donautal liegen."
Gedankenverloren blickte Jan Richtung Süden. Irgendwo hinter diesen waldbewachsenen Hängen floss die Donau. Er sog die kalte Luft ein und schloss die Augen.
Vladja riss ihn aus seinen Tagträumereien.
"He, kleiner Mann, hilf mir mal, ein Dach aufzustellen", rief er ihm vom anderen Ende des Felsplateaus zu.
Jan wagte noch einen abschließenden Blick in die Ferne, wandte sich um und machte sich daran, lange feste Stangen aus kleineren Bäumen zu fertigen. Oft fand man in der Nähe solcher Lagerplätze wie diesem fertige Stangen von früheren Benutzern und so war Jan bald mit seiner Arbeit fertig.
Jeder der zwölf Männer hatte eine feste Aufgabe, wenn sie Rast machten. Neben
Vladja und Jan, die die Schlafstelle errichteten, sorgte einer für frisches Wasser, zwei für Brennholz, drei versorgten die Pferde mit Futter, zwei bereiteten ein spärliches Abendmahl und zwei gingen auf Jagd nach Hasen oder Flugwild wie Rebhühnern, Enten oder Auerhähnen. Die Jäger waren Wenzel und Karel; ein Privileg, das ihnen niemand streitig machte. Mit gutem Grund, denn die zwei waren ausgezeichnete Jäger, die es verstanden, mit Pfeil und Bogen umzugehen. Es verging kaum ein Tag, an dem es
nicht zum Abendessen oder Frühstück eine Portion Fleisch für jeden gab.
Auch jetzt machten sich die beiden Anführer wieder auf den Weg, um in der Dämmerung noch ein Wild zu erlegen, während die anderen die Nachtwache unter sich aufteilten. Jan wurde stets mit eingeteilt. Meistens wachte er zusammen mit Vladja, doch manchmal teilte er sich die Nachtwache auch mit seinem Vater. Dies waren immer ganz besondere Stunden, denn dann hatte Jan seinen Vater ganz für sich allein und konnte ihm alle möglichen Fragen stellen.
Am Abend fragte Jan seinen Vater, nachdem die anderen am Lagerfeuer gruselige Märchen über die Sumava erzählt hatten: "Warum erzählen die Menschen sich solch grausame Geschichten?"
"Weißt du.", Wenzel machte eine Pause, um die richtigen Worte zu finden, ".damit erklären sie Dinge, die sie nicht verstehen. Wenn ein Blitz in ein Haus einschlägt, dann sagen sie, das ist der Teufel, weil sie keine andere Antwort haben."
"Sagst du das auch?"
"Nein, aber ich kann es mir auch nicht erklären. Du musst akzeptieren, dass es Dinge gibt, die wir Menschen nicht verstehen können, weil unser Verstand dafür nicht ausreicht."
"Vater, liegt die Hölle wirklich in der Sumava?"
Wenzel schmunzelte. "Natürlich nicht, oder meinst du, dass die Hölle so schön ist wie hier? Wer das behauptet, der war noch nie hier. Das ist nur die Angst, die die Menschen vor dem Unbekannten haben. Ich denke, dass es die Hölle nicht hier gibt, sondern ganz weit weg. So weit weg, dass wir uns diese Entfernung gar nicht vorstellen können." Dann lachte er und fügte hinzu: "Die, die dort hinkommen, brauchen dazu ein ganzes Leben!"
Da musste Jan auch lachen und er war beruhigt, dass er von der Hölle so weit weg war.
Durch die abendlichen Gespräche waren sich Vater und Sohn sehr nahe gekommen. Für Jan war es inzwischen unvorstellbar, nicht in der Nähe seines Vaters zu sein. Jedes Mal, wenn Karel und Wenzel auf der Jagd waren, merkte Jan, wie sehr ihn die Abwesenheit seines Vaters berührte.
Am nächsten Tag verbesserte sich die Stimmung in der Gruppe zusehends. Ein Grund war, dass das Wetter gewechselt hatte und der Wind jetzt wieder aus Westen kam, was aber häufigeren Regen bedeutete.
Sie hatten die erste große Bergkette hinter sich gelassen, das Tal des Reganus war inzwischen zu einer breiten Talsohle geworden, die nur durch leicht geschwungene Hügel durchzogen wurde. Auch der Pfad, dem sie die ganze Zeit folgten, wurde breiter und ausgetretener, sodass Vladja und Jan die Pferde nebeneinander führen konnten.
Am späten Nachmittag des dritten Tages ihrer Reise erreichten sie eine weitläufige Anhöhe oberhalb des Flusses. Wie jeden Tag machten sich sofort alle an die ihnen zugewiesenen Aufgaben. Jan war gerade wieder im Wald unterwegs, um Stangen für das Gerüst zu suchen, als unerwartet sein Vater vor ihm auftauchte.
"Jan, du darfst heute mit uns auf die Jagd gehen. Sonst machst du sowieso nur wieder Dummheiten mit Vladja. Ich habe Vladja schon Bescheid gesagt, dass er das Nachtlager alleine aufbauen muss."
Jans Augen leuchteten. Er jauchzte, rammte die Stange, die er gerade bearbeitet hatte in den Boden, steckte sein Messer in die Scheide am Gürtel und sprang seinem Vater hinterher.
Sie durchstöberten den Wald nach Fährten. Jan folgte seinem Vater in einigem Abstand, während sich Karel etwa zwanzig Schritt seitwärts einen Weg durch das Unterholz bahnte. Sie waren schon seit einer Stunde unterwegs, hatten aber bisher noch keine Spuren gefunden, die frisch genug waren. Jan spürte, wie er innerlich angespannt war. Zuhause hatte er oft mit einem selbstgemachten Bogen kleine Vögel gejagt und jedes Mal ein unbeschreibliches Triumphgefühl empfunden, wenn er getroffen hatte.
Seltsamerweise hatte er seine Tat immer bereut, sobald er dann den toten Vogel in der Hand hielt.
Ein Ast, der ihm ins Gesicht schnellte, holte ihn wieder zurück in die Realität. Jan unterdrückte einen Schmerzensschrei, als sein Vater schlagartig stehen blieb und sich hinter einem Findling duckte. Karel folgte seinem Beispiel und auch Jan machte sich hinter einer Eberesche klein. Mit einem Handzeichen bedeutete ihm sein Vater, zu ihm zu kommen. Auf allen Vieren, sorgfältig die kleinen Äste aus dem Weg räumend, erreichte er seinen Vater. Langsam richtete er sich auf. Als er über den
Steinrand blickte, glaubte er einen kapitalen Hirschen zu sehen. Aber nach genauerem Betrachten traute er seinen Augen kaum. Das Tier, das dort auf der Lichtung graste war kein Hirsch, sondern ein schwarzes Säumerpferd. Um seinen Hals war ein Strick gebunden, der am anderen Ende ausgefranst war.
"Das Pferd muss seinem Besitzer entwischt sein", raunte Karel, der inzwischen auch zu ihnen gekrochen war.
"Könnte sein, aber siehst du die roten Striemen um den Hals", erwiderte Wenzel, "das hat ziemlich gekämpft, um sich zu befreien. Jeder Säumer, der etwas von Pferden versteht, würde das nicht zulassen!"
"Da hast du recht. Wollen wir mal sehen, ob es bei uns gefügiger ist", fragte Karel, in seinen Augen funkelte der Jagdtrieb.
"Einverstanden. Versuch auf die andere Seite zu kommen. Aber pass auf den Wind auf, damit das Pferd dich nicht zu früh bemerkt!"
Karel nickte und machte sich auf den Weg. Wenzel wandte sich an Jan, während er den Bogen zur Seite legte.
"Du musst jetzt ganz ruhig sein. Karel und ich werden versuchen, das Pferd zu fangen. Bleib immer hier hinter dem Stein und pass auf den Bogen auf, damit dir nichts passiert", flüsterte Wenzel, schlich nun noch näher an den Lichtungsrand heran, wobei er immer wieder auf die Gegenseite hinüber spähte. Nach wenigen Minuten bewegte sich dort ein Ast kaum merklich und wie auf ein Zeichen traten Wenzel und Karel auf die Lichtung heraus. Das Pferd hob den Kopf und spitzte die Ohren. Der warme Atem
dampfte aus seinen Nüstern und bei jedem Schritt, den die beiden Männer näher kamen, neigte es den Kopf misstrauisch niedriger.
Wenzel streckte vorsichtig die Hand aus und redete behutsam auf das Pferd ein. Langsam griff er nach dem abgerissenen Strick, aber im letzten Augenblick warf das Pferd den Kopf nach hinten und schnaubte ängstlich. Wenzel ging wieder einen Schritt zurück, ohne dabei sein besänftigendes Reden einzustellen. Nach ein paar Minuten - Jan waren sie wie eine Ewigkeit vorgekommen - wagte er einen zweiten Versuch. Er blickte dem Pferd direkt in die Augen, streckte noch einmal die Hand aus. Diesmal griff
er nicht nach dem Strick, sondern streichelte das Pferd vorsichtig am Hals, fuhr ihm durch die zerzauste Mähne, was dem Pferd besonders zu gefallen schien. Karel, der sich inzwischen zurückgezogen hatte und zu Jan gekommen war, starrte verträumt auf die Lichtung.
"Die anderen werden Augen machen", flüsterte er Jan zu. Jan nickte zustimmend und schüttelte sich leicht. Vor lauter Aufregung hatte er nicht bemerkt, wie sich der Tag langsam dem Ende geneigt hatte und es nun deutlich kälter war. Er blickte wieder hinüber zur Lichtung. Wenzel nahm den alten Strick in die Hand und nun ließ das Pferd es geduldig zu und folgte seinem neuen Herrn in Richtung der zwei anderen Säumer.
Sie machten sich in ausgelassener Stimmung auf den Rückweg. Als sie fast am Rastplatz angekommen waren, lief Jan voraus und kündigte den außergewöhnlichen Fang an. Mit großen Jubel wurden die beiden stolzen Jäger empfangen und jeder machte sich daran, das Pferd fachmännisch zu begutachten.
"Das Pferd hat noch nicht viele Jahre auf seinem Buckel", schloss Vladja, nachdem er das Gebiss eingehend betrachtet hatte, "der Gaul ist vielleicht zwei oder drei Jahre alt."
"Es ist fast schon ein bisschen groß für den Wald", warf ein anderer ein. Es war wirklich gut eine halbe Elle größer als die anderen Pferde.
"Was meint ihr, wie ist es hier in den Wald gekommen?", fragte Jan ungehemmt, doch an der Reaktion der Anderen bemerkte er schnell, dass er wieder einmal zu vorlaut gewesen war.
Die restliche Konversation war augenblicklich verstummt und alle schauten Jan schweigend an. Der wurde dadurch völlig unsicher und blickte Hilfe suchend zu seinem Vater.
Wie schon so manches andere Mal, atmete Wenzel einmal tief ein und bedeutete seinem Sohn, ihm zu folgen.
"Komm, wir wollen das Pferd zu den anderen bringen. Inzwischen erkläre ich dir alles."
Sie brachten das Pferd zu den anderen Tieren, die den Neuankömmling vorsichtig beäugten. Dann schlenderten sie nebeneinander die Lichtung abwärts Richtung Fluss.
"Was wird jetzt aus dem Pferd?", fragte Jan nach einer Weile.
"Hm, wir werden es wohl bis zur Donau mitnehmen und dann sehen wir weiter."
Jan schwieg dazu. Insgeheim hatte er gehofft, dass ihm sein Vater das Pferd schenken würde, da alle anderen in der Gruppe schon ein Pferd besaßen. Wortlos bahnten sie sich ihren Weg durch das hohe Gras.
"Dir sind sicher die Striemen am Hals des Tieres aufgefallen", unterbrach Wenzel das Schweigen.
Jan nickte.
"War der Besitzer böse zu dem Pferd?"
"Nein, das denke ich nicht. Es ist vielmehr so, dass."
".es ausgerissen ist", ergänzte Jan voreilig, als sein Vater eine Gedankenpause eingelegt hatte.
"Vielleicht hast Du recht, aber die anderen und ich auch denken eher, dass sein alter Besitzer auch ein Säumer war. Er war so wie wir unterwegs und ist in Schwierigkeiten geraten."
"Was für Schwierigkeiten?"
"Weißt du, die Sumava steckt voller Gefahren. Dass mir und den anderen bisher noch nichts passiert ist, ist einfach nur Glück oder vielleicht die Gnade des himmlischen Gottes. Hier im Wald musst du immer darauf gefasst sein, dass etwas Unvorhersehbares passiert. Karel wollte einmal einen kürzeren Weg suchen. Dabei ist er in eine Moorlandschaft geraten und beinahe versunken, wenn nicht sein Pferd die Gefahr gespürt und sich gesträubt hätte. Deshalb hat er immer noch den alten Gaul; aus Anhänglichkeit und Aberglauben."
"Willst du damit sagen, dass der andere Säumer jetzt tot ist?"
"Es ist durchaus möglich. Er könnte in eine Schlucht gestürzt sein oder ein wildes Tier hat ihn angegriffen. Zu dieser Jahreszeit finden die Bären und Wölfe nicht mehr soviel Fressen und greifen schon mal einen Menschen an. Oder er ist krank geworden und hat keine Hilfe gefunden. Weil solche Sachen immer passieren und nur Gott das bestimmen kann, geht man immer in Gruppen, damit der eine dem anderen helfen kann. Merke dir das! Versuche nie, alleine die Sumava zu bezwingen. Sie wird sich an dir rächen, wenn du ihr nicht genügend Respekt entgegen bringst.".